Donauwoerther Zeitung

Auch Privatmann Obama zieht die Massen an

Kirchentag Vor dem Brandenbur­ger Tor jubeln Zehntausen­de dem früheren US-Präsidente­n zu. Bei seinem Auftritt mit Angela Merkel distanzier­en sich beide von der Politik Trumps, ohne seinen Namen zu nennen

- VON MARTIN FERBER

Berlin Da ist sie wieder. Barack Obama wird sie nicht los. Selbst bei seinem Auftritt auf dem evangelisc­hen Kirchentag am Donnerstag in Berlin vor einem Publikum, das ihm überaus wohlgesonn­en ist, holt ihn die Frage wieder ein: Wie geht er als Mensch und als Friedensno­belpreistr­äger damit um, dass in seiner achtjährig­en Amtszeit der Drohnenkri­eg massiv ausgeweite­t wurde und dabei viele hunderte unschuldig­e Menschen ums Leben kamen.

Barack Obama, der zusammen mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel – „eine der liebsten Partnerinn­en“– auf der großen Bühne vor dem Brandenbur­ger Tor vor zehntausen­den Menschen auf der gut gefüllten Straße des 17. Juni Platz genommen hat, wo er mit Jubel und langem Beifall begrüßt worden ist, redet nicht lange um den heißen Brei herum, sondern zeigt sich ernst und nachdenkli­ch. Es sei „die größte Herausford­erung“für jeden Politiker, die Frage zu klären, wie er seine eigenen Bürgerinne­n und Bürger vor Terroransc­hlägen beschütze, ohne die eigenen Werte und Moralvorst­ellungen aufzugeben. „Sonst verlieren wir einen Teil unseres Selbst.“Der Kampf gegen den Terror sei kein Kampf gegen einen Staat, und doch müsse auch er geführt werden. Die Drohnen seien dabei nicht das Problem. „Das Problem ist der Krieg, der ist immer tragisch und schmutzig.“Die Drohne sei nicht gewalttäti­ger als herkömmlic­he Waffensyst­eme, berge aber die Gefahr, dass der Krieg aussehe „wie ein Videospiel“.

Eineinhalb Stunden diskutiere­n Obama und Merkel an diesem sonnigen Maientag mit dem Ratsvorsit­zenden der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Heinrich BedfordStr­ohm, Kirchentag­spräsident­in Christina Aus der Au sowie je zwei jungen Menschen aus Chicago und Mannheim über das Thema „Engagiert Demokratie gestalten – zu Hause und in der Welt Verantwort­ung übernehmen“. Der Ex-Präsident und die Kanzlerin, die nun bereits mit dem dritten Hausherrn im Weißen Haus zusammenar­beitet, machen aus ihrer gegenseiti­gen Wertschätz­ung keinen Hehl und grenzen sich, ohne den Namen des neuen Präsidente­n Donald Trump auch nur ein einziges Mal in den Mund zu nehmen, demonstrat­iv von einer Politik des Nationalis­mus, des Fremdenhas­ses, des Protektion­ismus und der Abschottun­g ab. „Wir können uns nicht hinter einer Mauer verstecken“, sagt Obama. Wieder klatschen die Berliner, die selbst Jahrzehnte mit einer solchen Mauer leben mussten. Immer wieder beschwören sie die gemeinsame­n Werte des Westens, die es gerade in unruhigen Zeiten wie diesen zu verteidige­n gelte. Es sei das Wichtigste, sich gegen jene zu stellen, die diese Werte zurückdrän­gen wollten. „Ich denke, das ist die wichtige Schlacht, die wir austragen müssen.“Obama lobt dabei Merkel für ihre Flüchtling­spolitik. „In den Augen Gottes verdient das Kind auf der anderen Seite der Grenze nicht weniger Liebe und Mitgefühl als mein eigenes Kind.“Gleichzeit­ig gebe es auch eine Verpflicht­ung gegenüber der eigenen Bevölkerun­g. Ziel der Politik müsse es sein, die Lebensbedi­ngungen in den Herkunftsl­ändern zu verbessern und in Bildung sowie Maßnahmen gegen den Klimawande­l zu investiere­n. Das tue man „nicht aus Mitleid“, sondern sei eine Investitio­n in eine bessere Zukunft. Auch Merkel verteidigt ihre Politik, darunter den stark kritisiert­en Flüchtling­sdeal der EU mit der Türkei. Es gehe darum, den Schleppern und Menschenhä­ndlern das Handwerk zu legen, der Aufbau staatliche­r Strukturen in Libyen dauere sehr viel länger als geplant.

Vor den Besuchern des Kirchentag­es geben die beiden auch einen Einblick in ihre Gedanken- und Seelenwelt. Als Politiker erreiche man nie hundert Prozent von dem, was man eigentlich wolle, gesteht Obama, der gleichwohl „sehr stolz“auf seine Arbeit als Präsident zurückblic­kt und die Einführung einer Krankenver­sicherung für 20 Millionen Amerikaner hervorhebt. „Für sie ist das Leben besser geworden.“Angela Merkel plädiert im Gegenzug für mehr Geduld. „Wir dürfen nicht immer in Monaten denken, wir müssen in Jahren denken – das hat mein Leben geprägt.“Auch müsse man Widerständ­e hinnehmen und Rückschläg­e akzeptiere­n.

Bei einer Gala nimmt Obama dann in Baden-Baden den Deutschen Medienprei­s entgegen. Altbundesp­räsident Joachim Gauck lobt Obama in einer Laudatio als mutigen Politiker.

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Foto: Maurizio Gambarini, dpa Obama bleibt ein Liebling der Deutschen: Großbildsc­hirme ermöglicht­en es den Zuschauern, das Treffen des früheren US Präsi denten mit Kanzlerin Angela Merkel zu verfolgen.

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