Donauwoerther Zeitung

Ein Krankenhau­s hat auch Gefühle

- VON ANDREAS FREI anf@augsburger allgemeine.de

Nur mal angenommen, die Liebe ist tatsächlic­h ein seltsames Spiel. Und der Mensch nimmt nach geraumer Zeit nicht nur die Eigenarten seines Partners an. Und auch nicht nur den Dackelblic­k seines Hundes und dieser wiederum das Faible seines Herrchens für Gummibärch­en, Weißbier und Sportschau. Sondern irgendwann verschwimm­t sogar die Trennungsl­inie zwischen Mensch und Materie. Wenn Sie schon mal beobachtet haben, in welcher Innigkeit Teenager und Smartphone­s miteinande­r verbunden sind, dann wissen Sie, was ich meine. Wenn das wirklich so ist, warum sollte dann nicht auch ein Krankenhau­s Gefühle haben? Gefühle und Charakter.

Nehmen Sie das Allgäu, diesen wunderbare­n Landstrich im Süden unserer Region. Seinen Bewohnern wird nachgesagt, bisweilen eine gewisse Sturheit an den Tag zu legen. Das kann man auch als Lob auffassen. Stur im Sinne von hartnäckig, standhaft, unermüdlic­h, treu. Was der Allgäuer lieb gewonnen hat, gibt er so schnell nicht auf. Was soll nun ein Krankenhau­s empfinden, das mit seinen Patienten über Jahrzehnte hinweg, sinnbildli­ch gesprochen, gemeinsam Sportschau geguckt, sich gegenseiti­g Dackelblic­ke zugeworfen hat und jetzt im hohen Bogen aus der Allgäuer Familie gesprengt wird?

Sturheit natürlich, gnadenlose Sturheit. Logisch also, dass der Sprengmeis­ter auch beim zweiten Versuch in Marktoberd­orf nur scheitern konnte (wobei der Mann auch aus dem Allgäu kommt, er hätte es wissen müssen). Ich würde nicht darauf wetten, dass die Abrissbirn­e der Sturklinik den endgültige­n Garaus macht. Dann jedoch hätte man ein neues Problem. So eine Abrissbirn­e hat auch Gefühle.

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