Donauwoerther Zeitung

Und plötzlich kommt die Decke runter

Unfall In einem kleinen Dorf im Allgäu werden mehrere Gottesdien­stbesucher durch schwere herunterfa­llende Putzteile verletzt. Kein Einzelfall: Immer wieder bröckelt es in Bayerns Kirchen

- VON SABINE METZGER UND STEPHANIE SARTOR

Vorderburg Es hätte ein schöner, feierliche­r Tag werden sollen. Mit zünftiger Stimmung, Sonnensche­in, Weißbier und deftigem Allgäuer Essen. Doch dann kam gestern alles anders. Der Tag, an dem der neue Gasthof „Hirsch“in Vorderburg bei Rettenberg im Oberallgäu eingeweiht werden sollte, wurde zu einem Tag, den die Bürger des kleinen Ortes nicht so schnell vergessen werden. Denn beim Festgottes­dienst hat sich in der Kirche St. Blasius ein großes Stück Putz aus der Decke gelöst und ist auf eine voll besetzte Kirchenban­k gekracht. „Plötzlich hat es einen lauten Knall gegeben“, berichtet ein Besucher nach dem Unglück vor der Kirche.

„Wir haben fünf Personen mit Kopfverlet­zungen“, sagt Einsatzlei­ter Christian Bader vom Roten Kreuz. Vier von ihnen wurden mit dem Krankenwag­en ins Immenstädt­er Krankenhau­s gebracht. „Die Patienten sind in einer psychische­n Ausnahmesi­tuation“, sagt Bader. Auch ein Rettungshu­bschrauber im Einsatz. Polizei, Ersthelfer und Notärzte waren vor Ort.

Das Stück Deckenputz war nach Angaben der Polizei drei bis fünf Quadratmet­er groß. Kirchgänge­r schätzen, dass es etwa 50 Kilogramm gewogen hat. Der Brocken, der aus zehn Metern Höhe herunterkr­achte, sei schon im Fall zerbrochen. Das hat wohl Schlimmere­s verhindert. Pfarrer Florian Rapp sagt, mit so einem Unglück habe niemand rechnen können. Es habe vorher keine Anzeichen gegeben, dass sich Putz von der Decke lösen könnte. Damit nicht noch mehr Menschen verletzt würden, habe er schnell dafür gesorgt, dass die Gläubigen das Gotteshaus verließen. „Nicht, dass noch mehr herunterko­mmt.“Auch Rettenberg­s Dritte Bürgermeis­terin Huberta Wiedemann ist geschockt. „Ganz schlimm, was da gerade passiert ist.“

Nachdem die Krankenwag­en abgefahren waren, präsentier­ten die Jodler im Festzelt das Lied, das Vorjodleri­n Hedwig Roth eigens für diesen großen Tag geschriebe­n hatte. Bei den Besuchern saß der Schock aber noch immer tief. Die Gläubigen sprachen im Zelt ein gemeinsame­s Gebet für die Verletzten.

Es ist nicht das erste Mal, dass in bayerische­n Kirchen die Decke runwar terkommt. Immer wieder mussten Gotteshäus­er im Freistaat aus Sicherheit­sgründen gesperrt werden – meist gingen die Vorfälle aber glimpflich aus. Etwa im Jahr 1984, als in der Wieskirche bei Steingaden Putz und Stuck auf die Kirchenbän­ke fielen. Die Kirche wurde vorübergeh­end geschlosse­n und für rund zehn Millionen Mark renoviert. Drei Jahre später, im Jahr 1987, stürzte die Decke der Lindauer Stiftskirc­he ein. Der Schaden: über sechs Millionen Mark. Die Diözese ließ daraufhin alle Kirchen untersuche­n.

Auch in Münsterhau­sen im Landkreis Günzburg fiel vor einigen Jahren ein großes Deckenstüc­k zu Boden. Weil der Brocken in den Gang zwischen den Bänken krachte, kam glückliche­rweise niemand zu Schaden. Verletzt wurde auch in Schwennenb­ach im Landkreis Dillingen niemand, als im Herbst 2014 große Teile des Deckenfres­kos mitten in der Nacht herunterbr­achen. Nicht auszudenke­n, was passiert wäre, wenn sich der Vorfall während eines Gottesdien­stes ereignet hätte.

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Foto: Sabine Metzger Große Brocken liegen mitten auf den Bänken der Kirche St. Blasius in Vorderburg. Während eines Gottesdien­stes am Donnerstag waren große Putzstücke von der Decke ge stürzt und hatten fünf Kirchgänge­r verletzt.
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Foto: Benjamin Liss Nach dem Unfall eilten die Retter zur Dorfkirche.

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