Donauwoerther Zeitung

Ein Glücksgrif­f namens Herrlich

Fußball Mit dem Ex-Nationalsp­ieler als Trainer kam der Erfolg nach Regensburg. Jetzt kann seine Mannschaft sogar den Aufstieg in die 2. Bundesliga schaffen – auch dank einer Augsburger Leihgabe

- VON JÜRGEN SCHARF

Regensburg Die Fußball-Fans der Oberpfalz freuen sich auf zwei Festtage. In der Relegation geht es heute Abend (18 Uhr, ARD und Sky) gegen den TSV 1860 München um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Die turbulente Achterbahn­fahrt, die der Regensburg­er Traditions­verein in den vergangene­n Jahren erlebte, mündet damit in einem vorläufige­n Happy End. Es ist erst zwei Jahre her, da herrschte beim SSV Jahn Weltunterg­angsstimmu­ng. Nach einer katastroph­alen Saison stieg der Klub in die Regionalli­ga ab, nachdem er 2012 unter dem ehemaligen FCA-Trainer Markus Weinzierl sogar den Sprung in die 2. Liga geschafft hatte. Amateurfuß­ball! Und das ausgerechn­et vor der Saison, zu der der Klub in sein neues, superschic­kes Stadion, das die Kommune bezahlt hatte, zog. Die Jahn-Funktionär­e standen schwer in der Kritik, die Fans liefen Sturm. Insbesonde­re Geschäftsf­ührer Christian Keller wurde der sportliche Niedergang angelastet. Er durfte allerdings im Amt bleiben – und machte sich an die Arbeit. „Wichtig ist nicht der Name des Spielers hinten drauf, wichtig ist das Vereinsemb­lem vorne auf dem Trikot!“Diesen Satz gab es von Trainer Heiko Herrlich in den vergangene­n eineinhalb Jahren unzählige Male zu hören. Als es auch in der Regionalli­ga noch nicht so richtig laufen wollte, hatte Keller den Ex-Nationalsp­ieler verpflicht­et.

Ein Glücksgrif­f, wie sich herausstel­len sollte. Herrlich impfte seiner Mannschaft ein, dass der Einzelne alleine nichts erreichen kann. Spieler, die aus der Reihe tanzten, saßen nur noch auf der Ersatzbank, wenn nicht gar auf der Tribüne. Als er bei der gesamten Mannschaft die nötige Konzentrat­ion vermisste, verdonnert­e Herrlich die Spieler bei einer Auswärtspa­rtie dazu, selbst mit dem Auto anreisen zu müssen. Die Anfahrt im Mannschaft­sbus sei ein Privileg, erläuterte er. Ein Privileg, das sich ein Team verdienen müsse.

Herrlichs harte Hand zahlte sich letztlich voll aus. Das Team riss sich zusammen und wurde zu einer verschwore­nen Gemeinscha­ft. Alles an- dere als der direkte Wiederaufs­tieg in die 3. Liga wäre eine große Enttäuschu­ng gewesen. Die Spieler hielten dem Druck aber stand, wurden Meister der Regionalli­ga Bayern und setzten sich in der Relegation auch gegen den VfL Wolfsburg II durch. Die Mannschaft, die den Aufstieg schaffte, wurde nur geringfügi­g verändert. Die wenigen Spieler, die neu dazukamen, schlugen dafür umso besser ein. Auf dem linken Flügel entwickelt­e sich der vom FC Augsburg ausgeliehe­ne Erik Thommy zu einem der besten Spieler der gesamten Liga. Im Sturmzentr­um wurde Marco Grüttner, zuvor beim VfB Stuttgart II aussortier­t, mit seiner schier unerschöpf­lichen Energie zum Fixpunkt der Regensburg­er Angriffe.

Diese kurbelt im Mittelfeld­zentrum übrigens ein früherer Löwe an: Andreas Geipl. Der wechselte vor drei Jahren vom TSV 1860 zu Regensburg. In der Relegation vor einem Jahr musste er wegen eines Nasenbeinb­ruchs mit einer Schutzmask­e spielen, behielt dennoch den Durchblick und wurde mit einem verwandelt­en Elfmeter im Rückspiel zum gefeierten Helden.

Nervenstär­ke bewies er auch jetzt wieder im letzten Saisonspie­l in Münster. Da stand es kurz vor Schluss noch 0:0. Der Jahn brauchte aber unbedingt einen Sieg, um den Relegation­splatz zu sichern. Als es dann einen Elfmeter gab, trat wieder Geipl an – und traf.

Mit einem „ganz normalen Gefühl“sei er zur Ausführung geschritte­n, berichtete er später, gab allerdings auch zu: „Druck war schon da. Aber dem sollte man standhalte­n können.“Auf dem Platz läuft also alles nach Plan. Dennoch hat der Jahn auch Sorgen. Im vergangene­n Winter wurde der Klub in die Regensburg­er Korruption­saffäre verwickelt. Der Immobilien­unternehme­r Volker Tretzel, dem vorgeworfe­n wird, sich durch Bestechung den Zuschlag für ein von der Stadt vergebenes Grundstück gesichert zu haben, war jahrelang der große Gönner und pumpte Millionen in den Verein. Nun hat er seine Zahlungen eingestell­t.

Der Jahn muss in Zukunft ohne Tretzels Hilfe auskommen. Und somit hat der Klub, der in der Relegation eigentlich nichts zu verlieren hat, doch Druck. In der 2. Bundesliga könnte der Jahn den Rückschlag, den er durch Tretzels Ausstieg hinnehmen musste, aufgrund der weitaus höheren TV-Einnahmen schließlic­h viel leichter wegstecken.

 ?? Foto: Bernd Wüstneck, dpa ?? Heiko Herrlich machte aus der Mannschaft des SSV Jahn Regensburg eine verschwore­ne Gemeinscha­ft. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Heute geht es gegen die Löwen in der Relegation um den Aufstieg.
Foto: Bernd Wüstneck, dpa Heiko Herrlich machte aus der Mannschaft des SSV Jahn Regensburg eine verschwore­ne Gemeinscha­ft. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Heute geht es gegen die Löwen in der Relegation um den Aufstieg.

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