Kabul ist zu einem der gefährlichsten Orte geworden
Afghanistan Nach dem Anschlag wachsen die Verzweiflung und die Wut auf die Regierung
Kabul/Berlin „Um Gottes willen, was passiert mit diesem Land“, klagt Ghulam Sakhi, ein Schuhmacher, dessen Laden nur unweit vom Zanaq-Platz im Botschaftsviertel von Kabul liegt. Dort, wo am Mittwochmorgen bei einem Selbstmordanschlag mindestens 90 Menschen starben und über 450 verletzt wurden. „Die Menschen gehen aus dem Haus, um Brot für ihre Kinder zu kaufen, und am Abend bringt man ihre Leiche zurück zur Familie“, klagt Sakhi.
Der in einem Fahrzeug versteckte Sprengsatz war so stark, dass die Explosion noch vier Kilometer entfernt Schäden anrichtete. Die unmittelbar angrenzende Deutsche Botschaft wird schwer beschädigt, ein afghanischer Wachmann ist unter den Todesopfern. Auf der Straße hinterlässt die Bombe einen fünf Meter tiefen Krater, der sogar auf Satellitenbildern zu erkennen ist.
Es ist das schlimmste Attentat auf die Hauptstadt Kabul seit dem Sturz der Taliban 2001. Afghanistans Nachrichtendienst NSD macht die im Nachbarland Pakistan beheimatete islamische Terrorgruppe Haqqani-Netzwerk und den pakistanischen Militärgeheimdienst ISI für die Tat verantwortlich. Bislang hat sich aber niemand zu dem Anschlag mitten im für Muslime heiligen Fastenmonat Ramadan bekannt.
Die Hauptstadt war lange einer der sichersten Orte in Afghanistan, doch die zahlreichen Attentate der letzten Monate haben das Blatt gewendet: Die Vier-Millionen-Stadt gehört nun zu den unsichersten Teilen des Landes. Die Wut, dass die Regierung von Präsident Aschraf Ghani nicht einmal für die Sicherheit im hochbewachten Diplomatenviertel Wazir Akbar Khan sorgen kann, wächst. In einer TV-Ansprache appelliert Ghani an die Nation, angesichts des Unglücks zusammenzustehen. Zuvor hat es sporadische Proteste gegen die Regierung gegeben. Angehörige versuchen, Politiker am Besuch ihrer verletzten Familienmitglieder in den Krankenhäusern zu hindern. „Wie lange sollen wir dieses Blutvergießen noch ertragen“, klagen Passanten.
Die 1500 Kilogramm schwere Bombe war in einem Abwassertankwagen versteckt gewesen. Offenbar hat der Fahrer versucht, den Laster noch tiefer in die sogenannte „Grüne Zone“fahren, in der sich Botschaften und das Nato-Hauptquartier befinden, ist aber am ZanaqPlatz von afghanischen Sicherheitskräften gestoppt worden. Daraufhin hat er dort den Sprengsatz gezündet.
Unklar ist, wie der Attentäter überhaupt so weit in die eigentlich streng bewachte Zone vordringen konnte. Die Opfer sind vor allem Afghanen, die am Morgen auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkauf oder zur Schule waren.