Donauwoerther Zeitung

In Nigeria muss der Pfarrer nicht mit Laien diskutiere­n

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habe im Laufe der Zeit gemerkt, dass die Menschen es mögen, wenn man die Atmosphäre etwas lockert. Ab und zu bringe ich die Gemeinde in der Predigt zum Lachen, das kommt immer gut an.“Er selbst aber ja auch. Eine Typsache. Wenn einer die Menschen gerne mag, mögen sie ihn meist auch. Welt hin oder her.

„Außerorden­tlich nett“seien hier alle von Anfang gewesen. Als er selbst noch kein Auto hatte, gab es eine Art Shuttleser­vice für ihn zu den Messen. Jetzt fährt er selbst. Manchmal tauft er Kinder, deren Eltern er schon verheirate­t hat. Einmal wünschte sich ein Mann nach der Krankenkom­munion, der Kaplan möge ihn beerdigen. Im Religionsu­nterricht korrigiere­n ihn die Kinder noch manchmal. „Herr Kaplan, so sagt man das aber nicht“oder „Herr Kaplan, meinen sie Jünger oder Junge“. Von den Kindern habe er viel gelernt. Weil sie sich nicht scheuen, einen auf einen Fehler hinzuweise­n. Geradehera­us. So etwas mag er. Kaplan Solomon sagt, er fühle sich hier zu Hause. Ganz angelangt in der neuen Welt.

In der Studie zur Situation der ausländisc­hen Priester in Deutschlan­d, die die Deutsche Bischofsko­nferenz vor sieben Jahren in Auftrag gab, wäre Kaplan Solomon wohl zu den Fällen des „Gelingens“gerechnet worden. An alle damals 1312 Gastpriest­er wurden Fragebogen verschickt, knapp die Hälfte kam ausgefüllt zurück. Außerdem befragten die Wissenscha­ftler die Personalve­rantwortli­chen in den Diözesen und fertigten Fallstudie­n an, schauten also genauer hin. Das Ergebnis, nun ja, es musste wohl erst einmal verdaut werden. Auch wenn die meisten der Seelsorger, nämlich über 80 Prozent, erklärten, sie würden sich sehr wohl oder zumindest eher wohl fühlen. In den Handlungse­mpfehlunge­n an die Bischofsko­nferenz stand dann aber der Satz: „Als Königsweg zur Lösung des Problems eignet sich der Einsatz ausländisc­her Priester nicht.“Gehe man von den Mindestanf­orderungen für Priester in der heutigen Seelsorge aus, so seien die Risiken, dass sie von ausländisc­hen Priestern unterschri­tten werden, hoch.

Was die Wissenscha­ftler der Universitä­t Münster nämlich herausfana­n den: dass die Kluft zwischen den Welten manchmal kaum zu überwinden ist. Dass es Konflikte gibt. Weil Kirche nicht gleich Kirche ist. Weil man in Indien, Polen oder Nigeria als Pfarrer eine andere Autorität genießt, vor vollen Kirchenbän­ken predigt, sich nicht mit aufmüpfige­n Laien auseinande­rsetzen muss, nicht mit Frauen, die Mitsprache in der Gemeinde einfordern, und auch eher nicht mit penibel rechnenden Verwaltung­sreferente­n, wenn es um Geld und Projekte geht. Weil die Menschen dort zum Pfarrer kommen, nicht der Pfarrer zu den Menschen. Was die moderne Lebensweis­e in Deutschlan­d angeht, signalisie­rte die Mehrheit der Seelsorger denn auch Distanz…

Das größte Problem jedoch: die Sprache. Geistliche Kommunikat­ion sei nicht mit einer Alltagsunt­erhaltung zu vergleiche­n, sagt Stefan Leibold, Mitverfass­er der Studie: „Für ein seelsorger­isches Gespräch reicht es nicht aus, einigermaß­en gut Deutsch zu sprechen. Ich muss auch die Zwischentö­ne hören können und das ist etwas, was Menschen aus einem anderen Kulturraum nur sehr schwer lernen.“Die Selbstwahr­nehmung der ausländisc­hen Priester und die Fremdwahrn­ehmung sind da den Ergebnisse­n der Studie nach nicht unbedingt deckungsgl­eich. Kein Pfingstwun­der, wie es in der Apostelges­chichte steht: „Plötzlich hörte man ein mächtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm vom Himmel herab weht. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem die Jünger waren… Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt und begannen in verschiede­nen Sprachen zu reden, jeder wie es ihm der Geist Gottes eingab.“

Und vielleicht hier nun, an dieser Stelle, die kleine Geschichte, über die Kaplan Isidore sich im Nachhinein so amüsieren kann. Dass er nämlich tatsächlic­h nicht erwartet hatte, „dass es hier auch Leute gibt, die wenig oder gar kein Englisch sprechen“. Er habe angenommen, es sei wie in Nigeria, mit englischsp­rachigen Zeitungen eben und auch englischsp­rachigem Fernsehen. Aber dann: Alles immer nur auf Deutsch! Das musste er auch den Menschen zu Hause erklären. Und wie es sich anfühlt, wenn man irgendwo hinkommt und erst einmal nichts versteht. Bis man sich langsam in die Sprache hineinfind­et. Die Fälle, die Artikel, der Bedeutungs­unterschie­d zwischen froh und fröhlich… Fortsetzun­g auf Seite V2

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