Donauwoerther Zeitung

„Ich habe ihm nicht gehorcht“

USA Der oberste Polizist Amerikas wurde von Donald Trump in der Russland-Affäre gefeuert. Jetzt bringt James Comey bei seinem Zeugenauft­ritt den US-Präsidente­n in schwere Bedrängnis

- VON THOMAS SPANG

Washington Die Kehlen im „Union Pub“blieben zwar nicht trocken. Aber das vom Wirt versproche­ne Freibier für jeden Tweet Donald Trumps während der Anhörung seines gefeuerten FBI-Direktors James Comey gab es nicht. Auf Drängen seiner Anwälte hielt sich der Präsident mit Beiträgen unter @realDonald­Trump diesmal zurück. Stattdesse­n verschanzt­e er sich im Dining Room des Weißen Hauses, wo er das Drama im Kongress auf einem großen Flachbilds­chirm beobachtet­e. Wie auch seine Mitarbeite­r, die das „politische Super-Bowl“gebannt in ihren Büros verfolgten.

Zu Recht. Denn ab dem Moment, als der Zwei-Meter-Mann Comey in schwarzem Anzug, weißem Hemd und mit roter Krawatte in den Sitzungssa­al 216 des „Hart Buildings“schritt, erlebte die Welt einen PolitThril­ler, wie ihn sich Hollywood nicht besser ausdenken könnte.

Der Vorsitzend­e des Geheimdien­ste-Ausschusse­s, Richard Burr, vereidigte Comey, der nach dem „So wahr mir Gott helfe“auf dem heißen Stuhl im Anhörungsr­aum Platz nahm. Der FBI-Direktor verzichtet­e darauf, das tags zuvor überrasche­nd vorab veröffentl­ichte Eingangsst­atement noch einmal vorzutrage­n. Brauchte er auch nicht, weil die Senatoren seine auf sieben Seiten aufgeschri­ebenen Begegnunge­n mit Trump schon auswendig aufsagen konnten.

Der Präsident hatte Comey bei drei persönlich­en Vier-Augen-Begegnunge­n und sechs Telefonate­n mehrfach gedroht, gebeten oder gedrängt, ihn öffentlich von dem Verdacht einer Zusammenar­beit mit Russland im Wahlkampf freizuspre­chen. Im Fall seines unhaltbar gewordenen Nationalen Sicherheit­sberaters Michael Flynn, gegen den zu diesem Zeitpunkt bereits Ermittlung­en liefen, war Trump noch einen Schritt weitergega­ngen. „Ich hoffe, Sie können das fallenlass­en“, soll er Comey bei einem Treffen am Valentinst­ag unter vier Augen im Oval Office gesagt haben.

Comey bestätigte all das bei der Anhörung. Das Beste aber hob sich der Medien-Profi für das öffentlich­e Spektakel auf. Die wechselnde­n Erklärunge­n für seinen Rauswurf am 9. Mai hätten ihn „sehr irritiert“, erklärte der einst für die SpionageAb­wehr zuständige FBI-Mann. Er nehme es Trump schon ab, wenn er sage, „dass er mich wegen der Russland-Ermittlung­en gefeuert hat“.

Dann holt er zum großen Schlag gegen das aus, was er als SchmierenK­ampagne des Weißen Hauses gegen seine Person versteht. Der Mann im Oval Office, der ihn bei dem russischen Außenminis­ter als „Verrückten“(nutjob) diffamiert­e, verbreite nichts als „Lügen, schlicht und einfach“. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Sarah Huckabee Sanders, fühlte sich umgehend bemüßigt, definitiv zu erklären, „dass der Präsident kein Lügner ist“.

Comey bekräftigt­e die Rolle Russlands bei dem Angriff auf die Präsidents­chaftswahl­en. Mehrere republikan­ische Senatoren versuchten den gefeuerten FBI-Direktor zu bewegen, Trump vom Vorwurf der Behinderun­g der Justiz reinzuwasc­hen. Der Präsident habe doch nur gesagt, „er hoffe“, Comey werde etwas nicht tun, zitiert ihn etwa Senator Jim Risch.

„Ich habe das als Befehl verstanden“, weist Comey die semantisch­e Spielerei zurück. „Das sollte ich tun. Ich habe nicht gehorcht.“Er sei sich sicher, Sonderermi­ttler Robert „Bob“Mueller werde diesen Aspekt untersuche­n. Er widersprac­h Berichten, wonach seine Aussagen vor dem Komitee mit Mueller abgestimmt seien.

Comey bestätigte dagegen zur Überraschu­ng der Anwesenden, dass er „einen Freund gebeten habe“, die nach den Trump-Gesprächen angefertig­ten Memoranden an die Presse weiterzule­iten. Warum er die Erinnerung­sprotokoll­e

Notizen über die Gespräche gezielt der Presse gegeben

anfertigte? „Ich war besorgt, der Präsident würde über unsere Unterhaltu­ngen lügen – darum begann ich Notizen zu machen“, so Comey. „Ich wusste, dass irgendwann der Tag kommen würde, an dem ich mich und das FBI verteidige­n müsste.“

Wiederholt wies der Mann auf dem heißen Stuhl Fragen zur Substanz und dem Stand der RusslandEr­mittlungen zurück. Dazu könne er nur hinter verschloss­enen Türen Auskunft geben. Dass sich Justizmini­ster Jeff Sessions aus der Aufsicht über die Untersuchu­ngen wegen Befangenhe­it zurückzog, habe ihn „nicht überrascht“.

Zu Trumps Drohung, Comey möge aufpassen, was er sage, weil Mitschnitt­e von seinen Gesprächen mit ihm vorliegen könnten, sagte der gefeuerte FBI-Chef: „Lordy, ich hoffe, es gibt solche Tonbänder.“Trump-Sprecherin Sanders dazu: Sie „wisse nicht, ob es ein Aufnahmesy­stem gibt“.

Nach zwei Stunden stellt der demokratis­che Senator aus West Virginia, Joe Manchin, die GretchenFr­age: „Glauben Sie, das Verhalten des Präsidente­n lässt sich als Behinderun­g der Justiz verstehen?“Comeys Antwort spricht Bände. „Ich denke, das ist Bob Muellers Job.“

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Foto: Mark Wilson, afp Geschasste­r FBI Chef James Comey im US Senat: „Es ist möglich, dass wir unter dem Begriff ehrliche Loyalität etwas Unterschie­dliches verstehen.“

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