Donauwoerther Zeitung

Die Frage der Woche Fotografie­ren und Filmen im Freibad verbieten?

-

Muss man denn immer gleich nach Verboten rufen? Es wäre ja schön, wenn nie und nirgends, wenn man also auf die Vernunft und die Einsicht der Mitmensche­n setzen könnte – aber in Fällen wie diesem muss es sein. Denn es geht bei der Frage, wie man mit dem Fotografie­ren und Filmen per Smartphone im Freibad umgehen sollte, um etwas Zentrales im öffentlich­en Raum.

Darum nämlich, dass, wer sich darin bewegt, nicht automatisc­h der völligen Verfügbark­eit seiner Privatheit ausgesetzt sein kann. Das fängt natürlich bei den Kindern, Jungs und Mädchen, an, die gerade hier, naturgemäß halb entblößt, immer wieder zum Ziel der abgründige­n Motive zwielichti­ger Figuren werden. Das gilt aber auch für jene, die hier in der Gefahr sind, zum Objekt des Spotts gerade von Halbwüchsi­gen mit ständigem Netzanschl­uss und tabulosem Mitteilung­szwang zu werden. Wer hier nicht in die ständige Verlegenhe­it kommen will, sich das im Einzelfall immer problemati­sche Ringen mit Verdachtsm­omenten einzuhande­ln, braucht eine konsequent­e Lösung. Und das Foto- und Filmverbot funktionie­rt übrigens bei Konzerten von Künstlern, die darauf Wert legen, auch schon – und ist gut für die Stimmung.

Darüber hinaus würde auf diesem Wege etwas Grundlegen­des gesetzlich markiert, das dann auch im weiteren Sinne gelten müsste. So wie mich mein Liegewiese­nnachbar im Freibad nicht einfach ablichten darf, dürfte mich dann auch nicht einfach die Internet-Suchmaschi­ne, das soziale Netzwerk und die Sicherheit­skamera auf dem Rathauspla­tz übers Smartphone lesbar machen. Auch im öffentlich­en Raum braucht das Private einen gewissen Schutz – sonst muss man sich nicht wundern, wenn dieser Raum bald verödet und keiner mehr ins Freibad geht.

Kaum fängt die Badesaison an, ist der erste Aufreger schon da: Immer mehr Freibäder wollen das Fotografie­ren und Filmen verbieten. Warum? Angeblich weil immer mehr Gäste mit ihrem Smartphone knipsen und filmen, was sie nichts angeht: fremde Kinder, fremde Körper, vorzugswei­se knapp bekleidet. Und sind die Bilder erst auf dem Handy, sind sie auch schon halb im Internet, so die Begründung.

Naiv ist das harmlosest­e Wort für so etwas. Das Veröffentl­ichen von Filmen und Fotos anderer ist ohne deren Einwilligu­ng seit Jahrzehnte­n verboten. Und was Kinder angeht, ist das Gesetz vor zwei Jahren noch deutlich verschärft worden. Das Verbot gibt es längst! Natürlich kann ein Bad das Filmen und Fotografie­ren auf seiner Anlage auch komplett verbieten. Die ersten Bäder wollen dazu an der Kasse Aufkleber für die Handylinse­n verteilen. Wer ohne erwischt wird, fliegt raus. Theo- retisch. Denn: Wer kontrollie­rt an einem 30°-Grad-Wochenend-Badetag, ob jeder der geschätzt drei Besucher pro Quadratmet­er Liegefläch­e einen Aufkleber auf der Handylinse hat? Der Bademeiste­r?

Es soll auch Menschen geben, die einfach nur gerne ihre Kinder bei den ersten Schwimmver­suchen fotografie­ren möchten; oder mit Pommestüte und Ketchup-Grinsen; die vielleicht den Großeltern ein Foto mit dem geschenkte­n Badetier schicken wollen. Kann man alles verbieten. Weil ein paar unterbelic­htete Hobbyfotog­rafen nicht die Grenze zwischen privat und öffentlich kennen. Gewonnen ist so nichts. Freibäder sollten an die Gesetzesla­ge erinnern. Viel drängender wäre, dass die Nutzer von Facebook, Instagram, Snapchat und Co. Medienkomp­etenz lernen. Dafür müssten die Netzgigant­en, die von deren Inhalten leben, viel stärker in die Verantwort­ung genommen werden.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany