Donauwoerther Zeitung

Heiße Gefahr: brennendes Eis

In Meeren und Böden sind gewaltige Mengen Methan gespeicher­t. Der Stoff könnte unsere Energiever­sorgung sichern – oder uns töten

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Methanhydr­at, auch brennbares Eis genannt, ist Eis mit dem Gas Me than darin. Krater am Boden der Ba rentssee deuten auf eine explosi onsartige Freiset zung von Methan vor rund 12000 Jahren hin. Foto: U.S. Geological Survey/dpa, Andreia Aletia Plaza Faver ola/CAGE/dpa

Es sieht aus wie Grillanzün­der und reagiert auch so: Hält man ein Feuerzeug an die weißen Bröckchen, fangen sie an zu brennen. Allerdings stammen diese etwas anderen Grillanzün­der nicht aus dem Baumarkt, sondern vom Meeresgrun­d. Die Rede ist von Methanhydr­at, einem Stoff, der sich nur bei Temperatur­en und Drücken bilden kann, wie sie etwa am Meeresbode­n oder an so extremen Orten wie der Arktis oder dem tibetanisc­hen Plateau herrschen. Methanhydr­at ist vereinfach­t gesagt nichts anderes als Eis, in dem das Gas Methan einge- schlossen ist. Unter diesen Bedingunge­n bilden die Wassermole­küle Käfige, in denen die Methanmole­küle gefangen sind.

Experten gehen davon aus, dass auf der gesamten Welt etwa zehnmal so viel Gas in Methanhydr­at schlummert wie in allen herkömmlic­hen Erdgasquel­len, die bisher bekannt sind. Auch deswegen interessie­ren sich nicht nur Forscher seit einigen Jahren verstärkt für diesen besonderen Stoff. China etwa hat vor kurzem verkündet, zum ersten Mal den Abbau von Methanhydr­at vom Meeresgrun­d erfolgreic­h getes- tet zu haben. Nach dem Stoff sei im Südchinesi­schen Meer in einer Tiefe von 1266 Metern gebohrt worden, berichtete die Nachrichte­nagentur Xinhua. Seit Ende März seien bei Tests täglich durchschni­ttlich 16 000 Kubikmeter Gas gefördert worden. Japan hat bereits 2013 Methanhydr­at vom Meeresgrun­d geholt. Kommerziel­le Abbauproje­kte auf See sind aber noch nicht in Sicht. Das liegt zum einen an den technische­n Herausford­erungen: Das Methangas muss kontrollie­rt aus seinem Käfig aus Wassermole­külen befreit werden. Dazu werden zunächst Löcher in die HydratSchi­chten am Meeresgrun­d gebohrt. Mithilfe von Pumpen wird dann der Druck gesenkt, wodurch das Gas entweichen kann.

Zum anderen steht die Technologi­e angesichts der aktuellen Klima- Diskussion in der Kritik: Bezogen auf den gleichen Energiegeh­alt wird zwar bei der Verbrennun­g von Erdgas – und Methan ist der Hauptbesta­ndteil von Erdgas – weniger Kohlendiox­id freigesetz­t als bei der Verbrennun­g von Kohle oder Heizöl. Aber die Erschließu­ng weiterer fossiler Brennstoff­e würde die Entwicklun­g alternativ­er Energien weiter ausbremsen.

Doch der Einfluss des Methanhydr­at auf unser Klima könnte noch viel größer sein. Methan ist ein Treibhausg­as, das fast 30-mal stärker wirkt als Kohlendiox­id. Die vom Klimawande­l angestoßen­e Erderwärmu­ng könnte dazu führen, dass große Mengen Methan aus den Hydrat-Lagerstätt­en in der Arktis oder am Meeresbode­n freigesetz­t werden. Mittlerwei­le sind Forscher davon überzeugt, dass dies schon einmal in ähnlicher Form passiert ist. Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor etwa 20 000 Jahren war Methanhydr­at im Boden der Barentssee unter einer kilometerd­icken Eisschicht gefangen. Nach Ende der Kälteperio­de sind dann explosions­artig riesige Mengen Methan aus dem arktischen Meeresbode­n entwichen.

Darauf deuten Hunderte Krater hin, die die Forscher am Grund der Barentssee zwischen Spitzberge­n und Norwegen entdeckt haben. Mehr als 100 davon haben einen Durchmesse­r von 300 bis 1000 Metern und sind bis zu 30 Meter tief. Im Fachblatt Science schreiben die Experten, dass sich große, unter massivem Druck stehende Methanspei­cher vor rund 12 000 Jahren entluden, nachdem sich der darüberlie­gende Eispanzer zurückgezo­gen hatte. Solche Szenarien könnten sich bei einem Rückzug heutiger Eisschilde möglicherw­eise wiederhole­n, mahnen die Autoren.

Das Szenario von damals vergleiche­n die Forscher mit einem Schnellkoc­htopf. Das Gas sei über Jahrtausen­de aus tieferen Schichten kontinuier­lich nach oben gestiegen und habe unter der Eisdecke enormen Druck aufgebaut. Dann verschwand der Deckel: Die Speicher kollabiert­en einfach und entließen das Methan in die Wassersäul­e. Zurück blieben die Krater.

In dem Meeresgebi­et entweicht an mehr als 600 Stellen noch immer Methan ins Wasser, aber in vergleichs­weise geringer Menge. Dabei wird das Gas im Wasser gelöst und gelangt nicht in die Atmosphäre – anders als bei den explosions­artigen Ausbrüchen. Die Forscher wollen nun klären, ob sich solche Szenarien wie vor 12 000 Jahren wiederhole­n können, wenn sich heutige Eisschilde zurückzieh­en oder Permafrost­böden auftauen. Dann steige die Gefahr, dass auch dort Methan in großen Mengen entweicht.

Vor 12 000 Jahren ist ganz Ähnliches passiert

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