Das böse Erwachen aus 1001 Nacht
Porträt Der junge Emir Tamim bin Hamad al-Thani wollte das kleine, aber reiche Katar durch Sportereignisse groß machen. Jetzt hat er sich ganz anderen Ärger eingehandelt
Seine Heimat ist klein, sehr klein: Das Land besitzt nur ein Sechstel der Fläche Bayerns. Doch Scheich Tamim bin Hamad alThani hatte damit seit jeher Großes vor. Schon mit Mitte 20, als noch nicht daran zu denken war, dass er eines Tages der Emir von Katar werden könnte, arbeitete er daran, dass über das winzige Reich am Persischen Golf auf der ganzen Welt gesprochen wird. Er kaufte den Fußballklub Paris Saint-Germain und zog spektakuläre Sportereignisse an Land. Höhepunkt wird voraussichtlich die Fußball-WM 2022.
Doch dieser Tage hat das Emirat eine Publicity erhalten, auf die der 37-Jährige, der das dank immenser Öl- und Gasvorkommen märchenhaft reiche Emirat regiert, gerne verzichtet hätte. Saudi-Arabien und weitere drei arabische Länder beschuldigen Katar, Terroristen zu finanzieren. Sie brachen alle Kontakte ab. Seither ist die Krise am Golf eines der wichtigsten Themen der Weltpolitik.
Wer ist eigentlich dieser Monarch, der sich in Katar „Emir“nennt? Sein Name erklärt sich so: „Scheich“ist ein Ehrentitel, „Tamim“lautet der Vorname, „bin Hamad“bedeutet Sohn des Hamad, und „al-Thani“ist der Familienname. 2013 dankte der alte Emir zugunsten seines vierten Sohnes ab.
Durch seine Aktivitäten als Sportfunktionär, unter anderem im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), ist es Emir Tamim gewohnt, auf internationalem Parkett aufzutreten. Auch seine Ausbildung schuf dafür wichtige Voraussetzungen. Er wurde auf englischen Schulen erzogen und absolvierte die renommierte Militärakademie Sandhurst. Englisch und Französisch spricht er fließend. Am Regime der Thani-Familie, die zu den reichsten Königshäusern der Welt gehört, gibt es auch unter Emir Tamim viel zu kritisieren. So müssen Gastarbeiter auf den Baustellen für die WM-Stadien teils unter sklavenähnlichen Bedingungen schuften. Ansätze für eine Demokratisierung sind nicht erkennbar. In Katar gibt es kein Parlament, nur eine beratende Versammlung, deren Mitglieder der Herrscher beruft. Beifall erhielt er im Westen aber für eine unabhängige Außenpolitik, die auch das Gespräch mit dem Iran sucht.
Der Vorwurf der Terrorfinanzierung steht übrigens seit Jahren im Raum. Der Emir versucht im Ausland stets, ihn zu widerlegen. So auch 2014, als er Bundeskanzlerin Merkel in Berlin und Ministerpräsident Seehofer in München besuchte. Der Herrscher tritt bei solchen Gelegenheiten mal schick, mal sportlich auf. Die Dischdascha, wie in den Emiraten das knöchellange weiße Gewand für Männer heißt, trägt er bevorzugt zu Hause in Arabien.
Der Emir lebt privat wie im Märchen aus 1001 Nacht. Er ist mit drei Frauen verheiratet und hat neun Kinder. Wenn er seinem Vater nacheifern will, hat er aber noch zu tun: Diesem schenkten drei Frauen 24 Kinder. Winfried Züfle