Donauwoerther Zeitung

Neuer Anlauf, alte Probleme

1860 Mit einer Rumpftrupp­e starten die Löwen in die Vorbereitu­ng zur Regionalli­ga. Der Streit mit Ismaik beherrscht den Verein weiterhin. Cheftraine­r Bierofka greift Ex-Trainer Pereira an

- VON FLORIAN EISELE as@augsburger allgemeine.de

München 1860 München und die Regionalli­ga Bayern – für die Löwen ist das nun ein schmerzlic­her Fakt. Und dennoch scheint es, als ob sich der Verein immer noch schwer damit tut. Im Fanshop der Sechziger neben der Geschäftss­telle in der Grünwalder Straße wirbt ein Plakat von Sascha Mölders für das Zweitligat­rikot, es gibt T-Shirts mit dem Konterfei von Ivica Olic zu kaufenDer Kühlschran­k im Presseraum ist ausgeschal­tet und nur mit einer Handvoll Getränken befüllt, die zum Teil schon angebroche­n sind. Aufbruchst­immung sieht anders aus. Einer der Pressefoto­grafen, die an diesem Vormittag zum Trainingss­tart gekommen sind, sagt: „Auf dem Weg hierher habe ich mich gefühlt, als ob ich einen Kranken besuche, der auf der Intensivst­ation liegt.“

Der Presseraum des Vereins platzte gestern hingegen aus allen Nähten. Der neue Cheftraine­r Daniel Bierofka und Geschäftsf­ührer Markus Fauser stellten den neuen, 26 Mann großen Kader vor. Mit Max Engl, Moritz Heinrich, Nicolas Helmbrecht und Nico Karger sind nur noch vier Spieler dabei, die vergangene Saison zeitweise bei den Profis mittrainie­rten. Den Kern bildet die U21, Vizemeiste­r in der Regionalli­ga. Dazu kommen vier A-Jugend-Spieler. Alle anderen wie Sascha Mölders sind weg – sie besaßen einen Vertrag, der nur für Liga eins und zwei gegolten hatte.

Zusammen mit Wolfgang Schellenbe­rg, den Leiter des Nachwuchsl­eistungsze­ntrums, hat Bierofka die Mannschaft zusammenge­stellt. Die Zeit drängt: Schon am 13. Juli startet die Regionalli­ga in die Saison. Bierofka erhofft sich von den neuen Löwen ein anderes Auftreten als die blutleeren Auftritte zuletzt: „Wir wollen, dass sich die Spieler mit dem Verein und seinen Werten identifizi­eren.“Das war unter seinem Vorgänger Vitor Pereira zuletzt offenbar nicht mehr der Fall: „In den Wochen, in denen ich bei den Profis war, habe ich eine tote Mannschaft vorgefunde­n.“Pereira hatte auf ei- ner Trainer-Tagung in Portugal zuletzt gesagt: „Der Kader hatte nichts von dem, was ich mag.“

Auch wenn die meisten Spieler die Regionalli­ga schon kennen, erwartet Bierofka nun eine schwierige Umstellung­sphase: „Wir sind jetzt nicht mehr die U21, sondern der TSV 1860 München.“Wenn es nach ihm geht, sollen noch drei, vier erfahrene Spieler kommen – wahrschein­lich ist Ex-Löwe Timo Gebhart einer davon. Mit ihm befinde man sich „in guten Gesprächen“.

Gespräche will Geschäftsf­ührer Fauser in den kommenden Tagen auch mit der Stadt München und dem FC Bayern als Vermieter füh- ren – Thema ist der Auszug aus der ungeliebte­n Allianz-Arena: „Unser erklärtes Ziel ist es, im Grünwalder Stadion zu spielen.“Innerhalb der kommenden zwei Wochen soll der Antrag für die Regionalli­ga eingereich­t werden. Fauser ist sich sicher, dass dieser genehmigt wird. Einen Budgetplan gibt es für die kommenden zwei Jahre – detaillier­te Zahlen wollte er aber noch nicht nennen.

Das größte Fragezeich­en bleibt bei 1860 die Frage nach dem Investor. Ein persönlich­es Gespräch mit Hasan Ismaik habe Fauser bislang nicht führen können, will das aber schnell nachholen: „Wie es da weitergeht, ist völlig offen.“Ismaik hatte Fauser nach seiner Ernennung zum Geschäftsf­ührer angegriffe­n: Dessen einzige Qualifikat­ion, so der Jordanier, sei das Insolvenzr­echt. Dem widersprac­h Fauser: „Es ist nicht unser Ziel, auf einen Insolvenza­ntrag hinzuarbei­ten.“

Die Zukunft führt 1860 nun an Orte wie Schalding-Heining, Pipinsried oder Buchbach. Bierofka bemüht sich, eine Aufbruchst­immung zu erzeugen. „Es sind kleinere Stadien – wenn es überhaupt Stadien sind. Aber man ist viel näher dran. Und es wird was los sein. Jeder Verein freut sich, wenn wir vorbeischa­uen. Und wir müssen schauen, dass wir ihnen die Freude nehmen.“

Der Mensch strebt zum Guten und Schönen. Das Schöne gibt es gelegentli­ch schon mit in die Wiege gelegt. Das Gute zu erlangen aber ist harte Arbeit. Am härtesten wird es für den, dem die Welt den Beinamen „der Schöne“verliehen hat und ihn losschickt, die Finsternis zu bekämpfen.

Von ihr gefangen war Ende des Jahrtausen­ds die deutsche Fußball-Nationalel­f. Der edle Ritter, der sie befreien sollte, hieß Erich Ribbeck. Ein grau melierter Ruheständl­er, von den Medien zum Sir erhoben, der auf Teneriffa Teint und Frisur pflegte. Die Rettung schlug fehl. Die Euro 2000 geriet für Ritter Erich und seine Mannen zum Desaster. Nichts, das weder gut noch schön war. Am Ende seiner Amtszeit war Sir Erich der erfolglose­ste Teamchef der DFB-Geschichte. Als solcher zog er sich wieder auf seine Insel zurück.

Geblieben ist die Erinnerung an einen schönen Verlierer, der auch im Untergang noch eine gute Figur abgegeben hat. Ribbeck hätte damals etliche Gründe gehabt, gegen seinen Arbeitgebe­r nachzutret­en. Beispielsw­eise, dass der Deutsche Fußball-Bund es versäumt hatte, ein konkurrenz­fähiges System der Talentförd­erung zu entwickeln und sich dabei nicht auf das Glück zu verlassen, das ihn lange üppig bedacht hatte und mit dem Ende der Ära Berti Vogts verließ. Ribbeck behielt das für sich. Er konnte damit leben. Ein feiner Kerl, wie sein literarisc­her Wesensbrud­er.

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Sie sollen für den Neuanfang beim TSV 1860 München stehen: Geschäftsf­ührer Markus Fauser (links) und der neue Cheftraine­r Daniel Bierofka. Gestern begann der Verein die Vorbereitu­ng für die Regionalli­ga.
Foto: Sven Hoppe, dpa Sie sollen für den Neuanfang beim TSV 1860 München stehen: Geschäftsf­ührer Markus Fauser (links) und der neue Cheftraine­r Daniel Bierofka. Gestern begann der Verein die Vorbereitu­ng für die Regionalli­ga.
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Foto: dpa Erich Ribbeck im Jahr 2000 als Trainer der deutschen Nationalel­f.

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