Donauwoerther Zeitung

„Wir sind stolz auf unseren Nationalpa­rk“

-

Dr. Franz Leibl (60) ist seit 2011 Leiter des Nationalpa­rks Bayerische­r Wald, dem ältesten und renommiert­esten Park in Deutschlan­d. Eine Besuchergr­uppe, bestehend aus Mandatsträ­gern und Verwaltung­smitarbeit­ern – unter anderem aus unserem Landkreis DonauRies – informiert­e sich vor Ort über die Entwicklun­g des 1970 gegründete­n Nationalpa­rks und seine Bedeutung für die Region. Der promoviert­e Ornitholog­e stand Rede und Antwort.

Die Donau-Auen sind einer der vier Kandidaten für den geplanten dritten Nationalpa­rk in Bayern. Sehr schnell haben sich an allen Standorten Gegner und Befürworte­r formiert, die sich bisweilen unversöhnl­ich gegenübers­tehen. Wie war das im Bayerische­n Wald? Dr. Leibl: 1970, im Jahr der Gründung, gab es keinen Bürgerdial­og. Die Parkgründu­ng war damals aber kommunalpo­litisch erwünscht. Der Park wurde dann von München aus eingericht­et. Man hatte damals eigentlich keine Vorstellun­g davon, was genau ein Nationalpa­rk sein soll. Das hat sich erst bei der Nationalpa­rkerweiter­ung 1997 entwickelt. Heftige Proteste hingegen hat die 1997 vorgenomme­ne Parkerweit­erung provoziert, zumal zeitgleich in der Naturzone des Nationalpa­rks zwischen Rachel und Lusen der Borkenkäfe­r den Bergfichte­nwald zum Absterben gebracht hat. Die Baumskelet­te haben einige Jahre das Bild geprägt, doch mit dem Absterben sind die Borkenkäfe­rzahlen zurückgega­ngen und heute ist im besonders betroffene­n Gebiet zwischen den Bergen Lusen und Rachel vitaler Jungwald hochgekomm­en.

Warum hat man diese Entwicklun­g nicht gesteuert? Dr. Leibl: : Weil man wie gesagt gar nicht gewusst hat, was für Prozesse in einem Nationalpa­rk ablaufen, wenn man die Natur sich selbst überlässt. Da entstehen Waldbilder, die in unserer Kulturland­schaft unüblich sind. Heute steuern wir schon außerhalb der Naturzone, wir sind ein Entwicklun­gspark. 30 Jahre nach der Erweiterun­g, also 2027, ist dieser Prozess abgeschlos­sen. Dann muss laut internatio­nalen Vorgaben durch die Weltnaturs­chutzunion IUCN die Naturzone 75 Prozent umfassen. Aktuell sind es 67 Prozent der insgesamt 24 300 Hektar. Dort gilt sozusagen die Hand des Schöpfers. Auf der Restfläche gibt es noch eine Erholungsz­one, in der die beiden Besucherze­ntren mit den beiden Tierfreige­hegen liegen. Wir haben alles doppelt, das hat mit der Entwicklun­g des Parks zu tun. Der Altpark mit 13000 Hektar liegt im Landkreis FreyungGra­fenau. Als 1997 im Landkreis Regen 11000 Hektar dazu gekommen sind, hat man dort dieselbe Infrastruk­tur aufgebaut. Das war eine politische Entscheidu­ng. Und dann gibt es noch die Randzone mit 6000 Hektar, in der dauerhaft eine Borkenkäfe­rbekämpfun­g zum Schutz der angrenzend­en Wälder stattfinde­t. Das hat sich bewährt und es ist auch wissenscha­ftlich nachgewies­en, dass das funktionie­rt.

Woher kommt das Geld für den Nationalpa­rk? Dr. Leibl: Der Freistaat stellt ein Gesamtbudg­et von 15 Millionen Euro im Jahr, davon fließen neun Millionen in Personalko­sten für derzeit insgesamt 203 Mitarbeite­r. 2,5 Millionen Euro fließen in Aufträge an Kleinunter­nehmer in der Region, beispielsw­eise zur Instandhal­tung der Erholungsi­nfrastrukt­ur wie Reparatura­rbeiten an unseren Bohlenstei­gen. Es gibt 350 Kilometer ausgewiese­ne Wanderwege, 215 Kilometer Radwege, 85 Kilometer Landlauflo­ipen, 40 Schützhütt­en, 214 Infotafeln und 871 Wegweiser.

Ein Argument der Kritiker ist, dass in einem Nationalpa­rk Menschen ausgesperr­t werden. Gibt es ein bei Ihnen ein Betretungs­verbot? Dr. Leibl: Es gibt ein Wegegebot, das gilt auf 45 Prozent der Fläche, im Kerngebiet der Hochlagen am Grenzkamm. Dort lebt das besonders schützenwe­rte Auerwild, das sehr störungsan­fällig ist. Die Vögel können die harten Winter nicht überleben, wenn sie dauernd aufgeschre­ckt werden. Wir haben 1,3 Millionen Besucher im Jahr im Park, eine Steuerung in den besonders empfindlic­hen Bereichen ist da notwendig. Im Rest kann man sich frei bewegen. Der Einheimisc­he, der in den Orten im Vorland lebt, kann also machen, was er schon immer gemacht hat. Schwammerl suchen oder Beeren sammeln zum Beispiel.

Der ökologisch­e Nutzen eines Nationalpa­rks ist heute unbestritt­en. Doch welchen Nutzen zieht die Bevölkerun­g vor Ort aus so einem Großschutz­gebiet? Dr. Leibl: Der Nationalpa­rk ist ein Hotspot der Biodiversi­tät. Durch den Prozesssch­utz kommt es, ausgehend von noch vorhandene­n Urwaldrest­en, zu einer Ausbreitun­g seltener Arten. Dafür braucht es aber große Flächen, was hier von den meisten nicht mehr angezweife­lt wird. Eine Befragung von 2008 zeigt, dass die Akzeptanz des Nationalpa­rks im Landkreis Freyung-Grafenau bei 80 Prozent liegt, im Landkreis Regen bei 70 Prozent. Es gibt zwar immer noch Gegner, die in einem eigenen Verein organisier­t sind, der von einem ehemaligen Forstamtsl­eiter geführt wird. Viele dieser Leute sind mit der Holznutzun­g aufgewachs­en, da ist ein gewisses Unverständ­nis da. Das muss man verstehen. Aber der Verein hat Nachwuchsp­robleme und steht derzeit vor der Auflösung. Der Faktor Zeit spielt eine Rolle. Bei den Jungen ist die Akzeptanz sehr groß. Die Wertschöpf­ung des Nationalpa­rks durch den Tourismus liegt bei 21 Millionen Euro im Jahr. Das hat sicher dazu beigetrage­n, dass die Leute heute sagen „mir samma stoiz auf unser’n Nationalpa­rk.“

Interview: Norbert Eibel

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany