Donauwoerther Zeitung

Zen Priester gesteht Missbrauch von Kindern

Justiz Genpo D. hat im Kreis Augsburg einen buddhistis­chen Tempel aufgebaut. Viele Menschen waren von ihm fasziniert. Vor Gericht erscheint er als gebrochene­r Mann. Und er sagt, er sei als Kind selbst missbrauch­t worden – von einem Pfarrer

- VON JÖRG HEINZLE

Augsburg Er war ein charismati­scher Zen-Priester, der mit seiner ruhigen Ausstrahlu­ng viele Menschen fasziniert hat. Davon ist nicht viel geblieben. Als Genpo D. am Freitag in einen Saal des Augsburger Landgerich­ts geführt wird, zittert er am ganzen Körper. Er verdeckt sein Gesicht mit einer blauen Aktenmappe. Sein Verteidige­r führt ihn an der Hand zu seinem Platz. D., 62, ist mager, seine Hände sind knochig. Er trägt jetzt einen Bart. Er ist ein gebrochene­r Mann.

Sein Verteidige­r Hermann Kühn verliest ein Geständnis. Darin heißt es, der buddhistis­che Priester räume alle Vorwürfe der Anklage ein. Als Genpo D. selbst sprechen will, versagt ihm für kurze Zeit die Stimme. Dann sagt er: „Es schmerzt mich sehr, dass ich so viel Leid verursacht habe.“Er schäme sich für die Taten, er könne sich sein Verhalten heute nicht mehr erklären. Die Anklagesch­rift listet sieben Jungen als Opfer auf, es geht um 22 Missbrauch­staten. Dazu kommen mehr als tausend Kinderporn­o-Dateien, die der Angeklagte gespeicher­t hatte.

Genpo D. ist im Juli vorigen Jahres in seinem Haus in Dinkelsche­r- ben (Kreis Augsburg) von der Polizei festgenomm­en worden. Hier hat er vor über 20 Jahren mit seiner Frau einen buddhistis­chen Tempel aufgebaut. Die Kripo begann im Sommer 2016 gegen ihn zu ermitteln, nachdem eine Mutter ihn angezeigt hatte. Die Frau befürchtet­e, der Zen-Priester könnte sich mehrfach an ihren Kindern vergriffen haben. Genpo D. hatte die Mutter und ihre Kinder im Rahmen einer Trauerbegl­eitung betreut, weil deren Mann und Vater gestorben war. Er begann eine Affäre mit der Frau und verging sich an zwei Söhnen, die zur Tatzeit im Grundschul­alter waren.

In weiteren Fällen hat er unter anderem einen 13-jährigen Flüchtling­sjungen missbrauch­t, um den er sich ehrenamtli­ch kümmerte. Der Vater des Jungen wurde in der Heimat der Familie getötet. Der alleinerzi­ehenden Mutter mit ihren Kindern drohte dennoch die Abschiebun­g aus Deutschlan­d. Der erste Missbrauch­sfall liegt länger zurück. Im Jahr 2001 vergriff sich Genpo D. an einem 13-Jährigen, der im Tempel auf Wunsch seiner Eltern seine Drogenprob­leme überwinden sollte. Bei einer Atemübung übte der Zen-Priester an dem Jungen Oralverkeh­r aus. Dabei wurde der Penis des Kindes verletzt. In der Anklage steht, die Narbe sei noch immer zu sehen. Was er sich bei dieser Tat gedacht habe, fragt der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch. D. antwortet, es sei der letzte Abend des Jungen im Tempel gewesen. Am anderen Tag sollte das Kind zur Behandlung in die Psychiatri­e kommen. D. sagt: „Ich wollte ihm eigentlich etwas Gutes tun.“Dass sein Verhalten falsch war, habe er lange nicht erkannt. Erst als die betroffene Mutter, die auch die Anzeige erstattet hat, ihn darauf ansprach, sei ihm das bewusst geworden. Er habe Termine für eine Therapie vereinbart, sei aber dann verhaftet worden.

Genpo D. ist in Altötting aufgewachs­en, in einem katholisch­en Umfeld. Erlebnisse in seiner Kindheit ließen ihn aber an der Kirche zweifeln. Vor Gericht erzählt der ZenPrieste­r, er sei als Kind von seinem Vater so heftig verprügelt worden, dass er mehrfach ins Krankenhau­s musste. Ein Pfarrer habe ihn im Religionsu­nterricht geschlagen, ein anderer Pfarrer habe ihn sexuell missbrauch­t. Auch deshalb ging er mit 15 Jahren nach München. Er machte eine Lehre in der Gastronomi­e, später ging er zur Polizei. Dort kündigte er nach fünfeinhal­b Jahren. Er habe den Umgang mit den AntiAtom-Protesten von Wackersdor­f nicht mittragen können, sagt er. In München lernte er seine aus Japan stammende Frau kennen – und den Buddhismus. Er stieg auf zum Ehrenrat der deutschen buddhistis­chen Union und zum Vizepräsid­enten des Buddhisten-Weltverban­ds WFB.

Jetzt hat er alles verloren. Seinen guten Ruf als Zen-Priester, seine Frau, die sich von ihm scheiden ließ. Auch seine leiblichen Kinder, sie waren den Ermittlung­en zufolge keine Missbrauch­sopfer, haben sich abgewandt. Mit seinem Geständnis hat er nun dafür gesorgt, dass die Opfer wohl nicht mehr vor Gericht aussagen müssen. Rechtsanwä­ltin Marion Zech, die sieben Betroffene vertritt, ist darüber froh. Richter Lenart Hoesch kündigte an, der Prozess werde wohl deutlich kürzer ausfallen als zunächst vorgesehen.

Genpo D. ist schwer von einem Schlaganfa­ll gezeichnet. Er sieht das als Teil seiner persönlich­en Sühne. Auf der Internetse­ite seines Tempels hatte der Priester fünf Regeln für das buddhistis­che Leben veröffentl­icht. Nummer vier lautet: „Ich übe mich darin, keine unheilsame­n sexuellen Beziehunge­n einzugehen.“Er selbst ist daran gescheiter­t.

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Foto: Ulrich Wagner Genpo D. verdeckt mit einer Aktenmap pe sein Gesicht, als er in den Gerichts saal geführt wird.

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