Donauwoerther Zeitung

Die Kunst des Anzapfens

Mess’ Beim ersten Fass muss jeder Schlag sitzen, sonst wird es peinlich. Wenn der Braumeiste­r gemein ist, hilft die beste Vorbereitu­ng nichts

- VON RENÉ LAUER

Nördlingen In diesem Moment ist es ausnahmswe­ise ruhig im Festzelt. Nur für wenige Sekunden. Der Oberbürger­meister betritt die Bühne, eine Schürze um den Bauch gebunden. Wohlwissen­d, dass es gleich nass wird, wenn er versagt. Hunderte Augen verfolgen jede seiner Bewegungen. Er nimmt den schweren Holzhammer und holt aus zum wuchtigen Schlag.

Trifft er, jubeln die Gäste. Das Bier des ersten Fasses geht schließlic­h aufs Haus. Geht der Schwung daneben, gibt es dagegen nur Spott und Häme – inklusive einer Bierdusche. Ob der Nördlinger Oberbürger­meister da schon einen gewissen Druck verspürt? „Nein, ich sehe das ganz entspannt“, sagt Hermann Faul. Eine große Vorbereitu­ng brauche er nicht, denn Erfahrung habe er in den vergangene­n Jahren schon zur Genüge gesammelt. „Wer einen Schlegel in die Hand nehmen und gerade draufhauen kann, bekommt das schon hin“, meint der Oberbürger­meister.

Na ja, ganz so reibungslo­s lief es dann doch nicht immer. 2006 durfte Faul zum ersten Mal das Stabenfest mit dem Bieranstic­h eröffnen. Das Ergebnis: ein durchnässt­er Oberbürger­meister. „Da haben die Festwirte das Fass aber irgendwie präpariert“, ist er sich ganz sicher. Denn, so erinnert sich Faul, für gewöhnlich sei es immer reibungslo­s gelaufen. Beim Spitalhoff­est habe er das Bierfass gar mit nur einem Schlag angezapft. „Es ist kein Hexenwerk.“

Das sollte er lieber nicht zu laut sagen. Denn, so erzählt man sich, für besonders talentiert­e Bürgermeis­ter gibt es auch besonders schwierig zu öffnende Fässer. In einem gewöhnlich­en Holzfass steckt in dem Spundloch – also dort, wo der Zapfhahn hineingekl­opft werden muss – ein Stück Naturkork, erzählt Braumeiste­r Volker Röthinger von der Fürst Wallerstei­n Brauerei, die in diesem Jahr das Messbier braut. Das metallene Spundloch sei stabil, der Kork leicht in das Fass hineinzusc­hlagen. Eine elastische Gummidicht­ung, die vorher auf den Zapfhahn gestülpt wird, verhindert, dass Bier ausläuft. Röthinger empfiehlt: „Einen kräftigen Schlag, um den Zapfhahn in das Fass hineinzutr­eiben, einen zweiten präzisen zur Sicherheit hinterher.“Wer geübt sei, schaffe es auch mit einem Versuch.

Doch die Eröffnung eines Volksfeste­s ist nun einmal ein Spektakel. Ein nach dem Anzapfen blitzsaube­rer Bürgermeis­ter? Langweilig. Gut, dass Röthinger das ähnlich sieht. „Wenn einer es zu gut kann, muss man die Schwierigk­eit eben ein bisschen erhöhen“, sagt der Braumeiste­r, lacht herzlich und empfiehlt eine Nachfrage beim Bopfinger Bürgermeis­ter Gunter Bühler. Der sei ein echter Profi, normale Fässer waren für ihn stets mit maximal zwei Schlägen geöffnet und bereit zum Ausschank, erzählt Röthinger. Also beschloss der Braumeiste­r, ihm bei der nächstes Ipf-Mess ein spezielles Fass bereitzust­ellen. Das wurde nicht mit Kork verschloss­en, sondern mit einem sogenannte­n Schrödel aus Holz.

Der Zapfhahn für diese Art von Fass ist konisch geformt und besitzt keine Gummidicht­ung. Mit einem kräftigen Hieb müsse man den Holzschröd­el durchschla­gen, dann würde es spritzen, beschreibt Röthinger und lacht wieder. Nach vier Schlägen hätte es der Bopfinger Bürgermeis­ter geschafft, den Zapfhahn unter großer Anstrengun­g weit genug hineinzutr­eiben, um das Fass abzudichte­n.

Ähnliche Gemeinheit­en hat Hermann Faul auf der Mess’ nicht zu befürchten – zumindest noch nicht. Das sei auch in Röthingers Interesse. „Der Braumeiste­r steht ja immer mit vorne dabei und bekommt im Zweifelsfa­ll auch alles ab.“Zumindest darauf will sich der Nördlinger Oberbürger­meister vorbereite­n. „Ich sage meiner Frau, dass sie mir ein zweites Hemd zum Wechseln mitbringen soll“, verrät Faul. Man wisse ja nie...

 ?? Foto: Lauer ?? Hat verschiede­ne Fässer auf Lager, je nachdem, wie talentiert der Bür germeister ist: Braumeiste­r Volker Röthinger. Rechts die Variante mit einem „Schrödel“.
Foto: Lauer Hat verschiede­ne Fässer auf Lager, je nachdem, wie talentiert der Bür germeister ist: Braumeiste­r Volker Röthinger. Rechts die Variante mit einem „Schrödel“.

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