Aus der weiten Welt zurück nach Mündling
Die Kutschers lebten in den USA und Irland. Doch sie kehrten an den Riesrand zurück und betreiben den Landgasthof Weberhans in vierter Generation
Es gab sicher einen Moment, damals in Atlanta (USA), da zweifelten Christine und Robert Kutscher an ihrem Entschluss. Sollten sie wirklich ihr Leben in den Vereinigten Staaten, ihre Arbeit in einem schicken Luxushotel, gegen das schlichtere Leben im kleinen Mündling tauschen? Schwäbisches Dorf statt amerikanischer Großstadt? Statt TV-Stars wie Whoopy Goldberg zu bedienen, würden sie Fahrradtouristen und Geschäftsleuten das Frühstück machen. Eine Pension mit zwölf Zimmern gegen den professionellen Betrieb eines Hauses mit 150 Zimmern tauschen? Und gleichzeitig für wirklich alles selbst zuständig sein – Zimmer, Wäsche, Gastronomie, Einkauf und den Biergarten vor der Tür?
„Die Entscheidung war richtig“, sagt Robert Kutscher heute, knapp vier Jahre, nachdem er mit Christine in deren Heimat zurückkehrte und als vierte Generation den Gasthof Weberhans übernahm und modernisierte. Sie wollten nicht nur die Tradition des Gasthauses weiterund ihren eigenen Betrieb führen, sondern auch selbst eine Familie gründen. „Dafür gibt es keinen bes- seren Ort als die Heimat“, sagt Kutscher. Zoey ist heute zwei Jahre alt.
Die Kutschers haben den Weberhans für die Zukunft gut aufgestellt. Sie haben die Zahl der Gästezimmer von vier auf zwölf erhöht, das 1999 neu gebaute Gasthaus aufwendig ausgebaut und nach neuestem Hotelstandard ausgestattet. Eine kleine, aber spektakuläre Dachterrasse mit Blick auf die Harburg ist stets eine gelungene Überraschung für die zahlreichen Gäste, die dank Internetbuchung nicht nur aus ganz Schwaben und Bayern hier an den Riesrand kommen, um den Geopark, das Altmühltal oder das angrenzende Oberbayern zu erkunden. Längst reisen auch Asiaten oder Amerikaner durch das kleine Mündling und übernachten im Landgasthof der Kutschers. „Früher waren wir in der weiten Welt, jetzt kommt die zu uns“, sagt Robert Kutscher mit einem Lächeln im Gesicht.
Das junge Paar gab dem Wirtshaus – wie fast jede Generation vor ihnen – einen neuen Namen. Nach Eder, Lechner und Roßkopf entschieden sie sich aber bewusst gegen ihren eigenen Familiennamen. „Wir wollten einen Namen, der die Tra- dition des Hauses betont, aber gleichzeitig auch zeitlos ist. Schließlich wollen wir uns einen Namen machen, und zwar auf längere Zeit“, erklärt der Hausherr. Weberhans ist der alte Hausname des Anwesens. Woher der genau stammt, weiß Kutscher nicht.
„Vielleicht lebte hier einfach früher ein Hans, der Weber war oder Weber hieß“, vermutet der gelernte Koch, der selbst aus dem Schwarzwald stammt. Seine Frau Christine traf er auf der Hotelfachschule in Bad Wörishofen. Sie lernte Hotelfachfrau im Blumenhotel in Rain, bevor sie mit ihrem Mann in den darauffolgenden Jahren zunächst nach Colorado, nach Dublin und schließlich nach Atlanta weiterzog. Christine ist die Tochter von Otto und Katharina Roßkopf, die den Gasthof – damals Gasthof Roßkopf – von 1980 bis 2013 führten.
Gemeinsam blättern sie gerne in den Geschichtsbüchern des Ortes und des Wirtshauses. Begonnen hatte es für ihre Familie bereits 1842. Bernhard Eder aus Mündling kaufte das Haus für 17 Tagwerk Land und schenkte Bier aus Kaisheim aus. 1877 übergab er an seinen Sohn, Bernhard Eder junior, der es bis 1913 zusammen mit seiner Frau Walburga betrieb. Schon damals gab es zwei Gästezimmer für Handelsvertreter und Handwerksburschen. Vier Kühe und Ochsen, acht Schweine und Hühner sicherten das Dasein der Familie.
Als 1905 die Bahnstrecke gebaut wurde, fuhr der gelernte Metzger Bernhard mit dem Ochsengespann zu den Handwerkern und verkaufte ihnen Eier und Milch. Er betrieb ein kleines Schlachthaus, zur Kirchweih, Hochzeiten oder zum Leichenschmaus wurde aufgekocht. Ihre drei Kinder Bernhard, Maria und Juliana übernahmen den Betrieb, aber ab 1920 hatte Maria Eder, die Wilhelm Lechner geheiratet hatte, das Sagen.
Bruder Bernhard machte sich mit einer eigenen Wirtschaft selbstständig – der heutige Gasthof Brui. Der Gasthof Eder wurde zum Gasthof Lechner und blieb das bis 1951. „Ganz schlechte Zeiten waren das im Krieg“, erzählt Otto Roßkopf. Zwar war sein Urgroßvater Wilhelm schon zu alt für den Kriegsdienst, aber es gab nicht viel. Bis 1949 gab es Dünnbier, im Saal der Gaststätte wurden Flüchtlinge einquartiert.
1951 übernahm dann Tochter Walburga mit Otto Roßkopf senior aus Weilheim das Haus und gab ihm für die nächsten 50 Jahre seinen Namen. Walburga war im Ort bekannt, ein echtes Original und bis 2004 die resolute, aber gute Seele des Gasthauses. Wenn die Männer zu später Stunde noch etwas trinken wollten, warf sie ihnen schon mal den Schlüssel für den Gastraum vom Fenster aus herunter. Die Zeche sollten sie auf den Tresen legen. „Meine Mutter wusste genau, wie viele Flaschen Bier im Kühlschrank waren und was am Ende fehlte“, erzählt Otto Roßkopf.
Aus dieser Zeit stammen auch die Geschichten des Kaffeevertreters Zigori aus Günzburg, der gepressten Malzkaffeesatz verkaufte. „Richtigen Kaffee gab es damals ja nur an Festtagen, die Bohnen hatte man beim Bäcker im Ort gekauft. Da war es schon toll, wenn man mit dem Zigori-Kaffee ein bisschen mehr Geschmack in den Muggefug gebracht hat“, erinnert sich der 65-Jährige.
Er selbst war es dann auch, der Grundlegendes veränderte. Das alte Wirtshaus war zu klein, der Naturkeller ebenfalls und die technische Ausstattung war mehr als mangelhaft. 1996 errichtete Otto Roßkopf hinter dem alten Haus einen Neubau – das heutige Gasthaus. Aus dem 2003 abgerissenen Wirtshaus gibt es aber ein besonderes Erinnerungsstück: die alte Türschwelle. Sie hängt heute mit Gravur in der Wirtsstube an der Wand. Otto, der selbst als Zugbegleiter bei der Deutschen Bahn arbeitete, machte mit seiner Frau Katharina aus der Schankwirtschaft ein echtes Gasthaus. Sie führte den Betrieb, kochte und versorgte die Gäste, er half am Abend und am Wochenende. Stammtische etablierten sich. „Die Leute kamen wegen der Gesellschaft“, sagt Roßkopf.
Das ist heute anders. Die Gäste kommen auch wegen der guten Küche, die Schwiegersohn Robert Kutscher zaubert. Vor allem am Wochenende ist die Wirtsstube oder der Biergarten voll. Er ist zufrieden, dass sein neues Konzept gut ankommt: „Das freut einen schon, wenn man mitbekommt, dass die Leute 30 bis 40 Minuten fahren, um bei uns sonntags essen zu gehen.“