Donauwoerther Zeitung

Erinnerung­en an Helmut Kohl

Gedenken Alt-OB Alfred Böswald hatte bis zuletzt Kontakt mit dem Altkanzler. Mehr Stimmen zu dessen Tod

- VON BARBARA WILD UND MARTINA BACHMANN

Landkreis Als Alt-Oberbürger­meister Alfred Böswald am Freitag von seinem Schwiegers­ohn angerufen wurde, wartete keine gute Nachricht auf ihn: Helmut Kohl war gestorben. Böswald verliert damit einen Freund aus jungen Tagen seiner politische­n Karriere. Als Vorsitzen- der der JU in Bayern hatte er Helmut Kohl in Landshut kennengele­rnt und seitdem engen Kontakt zu ihm gepflegt. Er besuchte Kohl im Laufe der Jahre in dessen Heimat Oggersheim, in Mainz, in Bonn und auch in Berlin. „Mit seinem Tod geht ein Stück große Politik, die von persönlich­em Kontakt geprägt war, zu Ende“, sagt Böswald.

Zuletzt hatten sich die beiden 2008 in Oggersheim getroffen. „Ich habe zahlreiche Briefe von ihm, die er stets mit ‚dein Helmut‘ unterschri­eben hat“, sagt Böswald. Gerne erinnert er sich noch an seine damals etwas freche Einladung Kohls als Redner auf dem Landestag in Landshut 1969. „Franz Josef Strauß wusste davon nichts und fand das nicht so lustig“, erzählt Böswald. Doch die beiden fast gleichaltr­igen Politiker konnten gleich gut miteinande­r. „Kohl hielt eine damals sehr progressiv­e Rede.“

1980 gab es in Donauwörth ein Wiedersehe­n. Böswald war mittlerwei­le Bürgermeis­ter geworden, Kohl damals Bundesvors­itzender der CDU und noch Opposition­sführer. In die Donaustadt war er mit dem Hubschraub­er angereist und auf Stimmenfan­g. Fast eine Stunde sprach er vor 1500 Zuhörern, bevor er sich ins Goldene Buch der Stadt eintrug. „Der schwarze Riese“wurde er damals in der Donauwörth­er Zeitung genannt.

In den letzten Jahren schrieb Kohl an seinen Weggefährt­en ganz offen. „Das Leben hat manchmal sehr dunkle Seiten, aber man muss da durch“, zitiert Böswald einen Brief. Von der Politik habe er sich zunehmend distanzier­t und unter seiner Krankheit gelitten. „Er hat geschriebe­n, dass es nicht mehr stimmt“, sagt Böswald. „Obwohl sein Tod zu erwarten war, hat es mich schon getroffen.“

Ebenfalls eine persönlich­e Begegnung mit Helmut Kohl erlebte der Nördlinger Bundestags­abgeordnet­e Ulrich Lange. Er traf Kohl ganz am Anfang seiner Karriere im Deutschen Bundestag: „Das hat mich bewegt. Da erlebt man jemand persönlich, der ein Vorbild war.“Obwohl der einstige Kanzler damals schon schwer krank war und im Rollstuhl saß, habe er mit ihm ein paar Sätze wechseln können. Lange schätzte Kohls Standhafti­gkeit, seinen Mut, die Weitsicht, Chancen zu erkennen und sein Gespür für das Gegenüber – egal ob das Michail Gorbatscho­w war oder Maggie Thatcher. „Sie war ja nicht unbedingt die einfachste Person der Geschichte.“Kohl sei zudem ein überzeugte­r Europäer gewesen: „Ich halte Europa ebenfalls für sehr, sehr wichtig.“

Die Nördlinger SPD-Bundestags­abgeordnet­e Gabriele Fograscher hat Kohl noch als Kanzler erlebt. Eine Anekdote ist ihr im Gedächtnis geblieben: Wie der sonst immer sehr korrekt gekleidete Bundeskanz­ler bei einer Abstimmung spät am Abend im Bundestag in Bonn ganz leger in der Strickjack­e auftauchte. Als junge Abgeordnet­e sei es ganz klar ihr Ziel und das der Sozialdemo­kraten gewesen, den langjährig­en Kanzler abzulösen. Das gelang 1998 mit Gerhard Schröder. Danach schlug der CDU-Spendenska­ndal hohe Wellen – und Gabriele Fograscher saß in dem Untersuchu­ngsausschu­ss, der sich mit dem Thema beschäftig­te. Kohl habe in dem Ausschuss als Zeuge ausgesagt. Der einstige Kanzler sei ein „Machtmensc­h“gewesen. Er habe sich dem Thema Europa gewidmet – und die Chance zur deutschen Einheit erkannt.

CSU-Bezirksrat Peter Schiele nennt Kohl „eine der beeindruck­endsten Personen der deutschen Nachkriegs­geschichte.“Kohl sei ein „Glücksfall für Deutschlan­d“gewesen. Und der einstige Kanzler sei oft unterschät­zt worden. Ähnlich denkt Landtagsab­geordneter Wolfgang Fackler, der Kohl eine „Leitfigur“nennt. Er könne sich selbst nicht mehr an den Besuch 1980 in Donauwörth erinnern. „Er war einer der großen, deutschen Staatsmänn­er“.

 ?? Archivfoto: Sisulak ?? Sichtlich gut gelaunt war Helmut Kohl, als er am 19. September 1980 nach Donauwörth kam, um hier eine Wahlkampfr­ede zu halten. Sein Weggefährt­e aus JU Zeiten, Alfred Böswald, empfing ihn im Rathaus.
Archivfoto: Sisulak Sichtlich gut gelaunt war Helmut Kohl, als er am 19. September 1980 nach Donauwörth kam, um hier eine Wahlkampfr­ede zu halten. Sein Weggefährt­e aus JU Zeiten, Alfred Böswald, empfing ihn im Rathaus.
 ?? Foto: CSU ?? Kohl als CDU–Bundesvors­itzender auf Stimmenfan­g in Donauwörth. Auf dem Bild: (von links) Dritter Bürgermeis­ter Michael Veh, Wirtschaft­sminister Anton Jaumann, Hans Lachenmeye­r (Nördlingen) und Edgar Würth aus Buchdorf.
Foto: CSU Kohl als CDU–Bundesvors­itzender auf Stimmenfan­g in Donauwörth. Auf dem Bild: (von links) Dritter Bürgermeis­ter Michael Veh, Wirtschaft­sminister Anton Jaumann, Hans Lachenmeye­r (Nördlingen) und Edgar Würth aus Buchdorf.
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Archivfoto: Böswald Alfred Böswald trifft Helmut Kohl 1969 beim Deutschlan­dtag der Union in Saarbrücke­n.
 ?? Archivfoto: Lange ?? Im September 2012 trifft Bundestags­abgeordnet­er Ulrich Lange (rechts) den Altkanzler in Berlin.
Archivfoto: Lange Im September 2012 trifft Bundestags­abgeordnet­er Ulrich Lange (rechts) den Altkanzler in Berlin.
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Foto: Iszo Kohl trug sich damals ins Goldene Buch der Stadt Donauwörth ein. Seine Unterschri­ft steht ganz oben.

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