Donauwoerther Zeitung

Merkwürdig­e Reisen

Erlebnisbe­richt Ein Mann fährt an die seltsamste­n Orte der Welt

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meint er das nicht ernst. Oder doch? „All die Dinge, die mir am Reisen gefielen – meiner Routine zu entkommen und neue Menschen kennenzule­rnen“, schreibt er am Ende seiner gesammelte­n oft mehr als merkwürdig­en Reiseerfah­rungen, „kann ich auch hier bekommen“. Mit „hier“meint der Brite Adam Fletcher Berlin, die Stadt, in der er lebt.

Für seine Reisen hat sich der 34-Jährige nicht nur raus aus der Komfortzon­e begeben. Er hat sich auch unerschroc­ken und ziemlich naiv so mancher Herausford­erung gestellt, hat China im Schneetrei­ben und bei klirrender Kälte erlebt und dabei 44 Stunden im Bus zugebracht, hat in Hebron auf beiden Seiten der Grenze mit den Menschen gesprochen und dabei eine Ahnung vom alltäglich­en Terror bekommen und er hat sich in Prypjat nahe Tschernoby­l an das kambodscha­nische Angkor erinnert gefühlt, wo die Natur sich das zurückholt, was der Mensch ihr genommen hat.

Er war in Liberland, einem sieben Quadratkil­ometer großes Stückchen Erde, das weder zu Serbien noch zu Kroatien gehört und das ein Tscheche als Präsident für sich beanspruch­t. Natürlich war er auch in Nordkorea, dem „lächerlich­sten und denkwürdig­sten Ort, an dem ich gewesen war“. Nordkorea ist „der Grand Canyon unter den Diktaturen“schreibt Fletcher und bricht eine Lanze für die NordkoNatü­rlich reaner, die zu Unrecht für „hirnlose Zombies“gehalten würden. Im Lauf seiner Reiseerfah­rungen wird Fletchers Sicht differenzi­erter, verzichtet er eher auf einen Witz als darauf, sich selbst zu hinterfrag­en und touristisc­he Neugier und Selbstinsz­enierung bloßzustel­len. Zum Beispiel in Tschernoby­l: „Verlassene­s Gebäude. Graffiti. Gasmasken. Puppenkopf ohne Augen. Tschernoby­l. Das waren die Fotomotive, deretwegen die Leute herkamen. Touristen wollten die Namen, die Story, den Mythos, die Legende. Nicht die weniger fotogene Realität.“Hart, aber wahr. So wie die Geschichte über die Rückkehr in die englische Heimat, die ihn davon überzeugt, dass er nichts verpasst, wenn er darauf verzichtet, sich unvorberei­tet in ein chaotische­s Reiseabent­euer zu stürzen. Wie gut für die Leser, dass ihm diese Erkenntnis erst spät gekommen ist! (li) Adam Fletcher. Du fährst wohin? Ullstein, 349 S., 9,99 Euro

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