Donauwoerther Zeitung

Schlechte Noten für Fünf Sterne

Italien Die Protestpar­tei leidet unter Misserfolg­en bei Kommunalwa­hlen und Skandalen. Und dennoch könnte sie Sieger der Parlaments­wahl werden

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Vor ein paar Tagen saß Virginia Raggi im Fernsehstu­dio und setzte ihren sarkastisc­hen Blick auf. „Es war zwar nur ein Jahr“, sagte die Bürgermeis­terin der italienisc­hen Hauptstadt, „aber mir kommt es vor, als sei ich um zehn Jahre gealtert.“Rom ist anstrengen­d, das wissen die Bewohner nur zu gut. Diesen Moloch zu verwalten, ist noch aufreibend­er. Seit Juni 2016 ist die 38-jährige Anwältin der alternativ­en Fünf-Sterne-Bewegung nun im Amt. Sie kam als Hoffnungst­rägerin, gibt inzwischen aber eher ein Bild des Jammers ab.

Raggi rühmt sich zwar, ihre Stadtregie­rung habe erstmals seit Jahren rechtzeiti­g die Planungen für den Haushalt abgeschlos­sen. Künftig seien also keine außerorden­tlichen Auftragsve­rgaben mehr notwendig, die die Korruption in der Verwaltung erblühen ließen. Aber die Römer interessie­rt vor allem, dass Verkehr und Müllentsor­gung endlich so funktionie­ren, wie es einer europäisch­en Hauptstadt würdig ist. Einer Umfrage zufolge stellen 70 Prozent der Befragten Raggi ein schlechtes Zeugnis aus.

Dazu kommt, dass die Bürgermeis­terin sich wohl bald vor Gericht verantwort­en muss. Die Staatsanwa­ltschaft hat Raggi schon länger im Visier. Ihr soll nun voraussich­tlich im Herbst der Prozess gemacht werden, wegen Amtsmissbr­auch und Falschauss­age. Raggi soll zwei Mitarbeite­r der Stadtverwa­ltung begünstigt haben. Der Prozess könnte mit dem Beginn des Wahlkampfe­s vor den Parlaments­wahlen zusammenfa­llen, die voraussich­tlich kommendes Frühjahr stattfinde­n.

Lange wurde Raggis Erfolg oder Misserfolg in Rom als Bewährungs­probe für die politische Reife der Fünf-Sterne-Bewegung angesehen. Bei den Stichentsc­heiden der Kommunalwa­hlen an diesem Sonntag spielt die von Komiker Beppe Grillo gegründete Bewegung kaum eine Rolle, die erste Runde lieferte enttäusche­nde Ergebnisse. In den Umfragen auf nationaler Ebene scheint die populistis­che und systemkrit­ische Partei jedoch immun gegen schlechte Nachrichte­n zu sein. Knapp 30 Prozent der Wähler würden den „Grillini“bei nationalen Wahlen trotz allem ihre Stimme geben und sie damit höchstwahr­scheinlich zum Wahlsieger machen. Die „5 Stelle“, die seit 2013 im Parlament vertreten sind, profitiere­n weiterhin vom unbefriedi­genden Angebot der italienisc­hen Politik.

Die ursprüngli­ch eher linksalter­nativen „Grillini“fischen seit einiger Zeit insbesonde­re im konservati­ven Wählerspek­trum. Dort konnte sich nach dem politische­n Abstieg Silvio Berlusconi­s abgesehen von der Lega Nord keine weitere politische Kraft etablieren. Bei der gegenwärti­gen Debatte im Parlament über die Liberalisi­erung des Staatsbürg­erschaftsr­echts kündigten die Grillo-Abgeordnet­en ihre Enthaltung an, obwohl die Bewegung früher eine entspreche­nde Liberalisi­erung befürworte­t hatte.

Der Vize-Parlaments­präsident Di Maio lästerte über die Hilfsorgan­isationen, die als „Mittelmeer-Taxis“Flüchtling­e ans Festland schafften. Bürgermeis­terin Raggi verwehrt sich gegen weitere Flüchtling­e in der Hauptstadt. Denn in der italienisc­hen Bevölkerun­g wächst der Unmut über ungeregelt­e Zuwanderun­g, in diesem Jahr kamen bisher bereits mehr als 70000 Flüchtling­e über das Mittelmeer. Diese Stimmung wollen nun auch die „Grillini“für sich nutzen und ihr konservati­ves Profil schärfen.

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Foto: Peri, dpa Komiker Beppe Grillo mit Roms Bürger meisterin Virginia Raggi.

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