Donauwoerther Zeitung

Rößles Afrika Projekt: Hilfe von oben

Entwicklun­g Landrat stellt seine Ziele dem Bundesentw­icklungsmi­nister vor. Um was es geht

- VON THOMAS HILGENDORF

München/Donauwörth Die Szene wirkt etwas skurril und verleitet den einen oder anderen zum Kopfschütt­eln. Hier, in der etwas sterilen Büroturmge­gend an der Münchner Arnulfstra­ße zerbrechen sich in einem gut klimatisie­rten Hotel gut 70 CSU-Landräte, Bürgermeis­ter und Kommunalpo­litiker die Köpfe – darüber, wie man die Fluchtursa­chen in Afrika, rund um Syrien und anderswo sinnvoll bekämpfen könnte.

Ein paar Meter weiter schleppen derweil betuchte Araber prall gefüllte Einkaufsta­schen auf ihre Zimmer. Doch Landrat Stefan Rößle, der seine Kollegen aus den anderen bayerische­n Kreisen und Regionen eingeladen hatte, um für seine Idee der lokalen Direkthilf­en zu werben, will nicht warten, bis andere sich engagieren. Er hatte sodann auch einen politisch gewichtige­n Gast auf der Liste: Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller machte den Kommunalpo­litikern am Montag in München mit drastische­n Worten klar, dass künftige massenhaft­e Fluchtwell­en aus der südlichen Hemisphäre ohne lokale und ernst gemeinte Direkthilf­en nicht aufzuhalte­n seien. Der Landkreis DonauRies gilt bei einigen aktuellen Projekten als einer der Vorreiter.

Das Thema der „praktische­n Fluchtursa­chenbekämp­fung“sei angekommen bei den Menschen, zeigt sich Gerd Müller überzeugt. Was die Kommunen mit diesem mehr als überregion­alen Bereich zu tun haben, ist für den Schwaben aus Berlin offenkundi­g: Hilfe funktionie­re am besten „von unten gelebt“– zwischen Kommunen. Eben wenn man sich kennt. Die Idee klingt stark nach der des interkommu­nalen Austauschs zwischen deutschen und französisc­hen Städten nach dem Weltkrieg. Schüleraus­tauschprog­ramme, Städtepart­ner- und Patenschaf­ten – all das wäre gerade auch im Hinblick auf die armen Regionen absolut notwendig. Auch der Handel müsste folgen, Barrieren auf beiden Seiten abgebaut werden. Müller will mit Bedingunge­n arbeiten. Ist Korruption im Spiel, wird abgebroche­n oder gar nicht erst angefangen.

„Die Korruption sitzt oben in diesen Ländern“, erklärt der Minister gegenüber unserer Zeitung. Es ist eine bittere Erkenntnis, dass einige von Müllers Vorgängern – vielleicht gutgläubig, vielleicht naiv – mit dem Scheckbuch durch die Welt gereist sind. Jetzt soll das anders werden, Hilfen sollen an Bedingunge­n geknüpft werden, Überprüfun­gen stattfinde­n. Vom Lokalen ins Lokale, wenn möglich. Und dabei seien, so der Entwicklun­gsminister, Hilfsproje­kte wie die von Landrat Rößle initiierte­n, vorbildlic­h. Der Landrat hat es sich beispielsw­eise zum Ziel gesetzt, mit privaten Spendengel­dern bis 2020 zehn Schulen in Afrika zu bauen, ein Waisenhaus zu unterstütz­en sowie der medizini- schen Infrastruk­tur im afghanisch­en Kabul auf die Beine zu helfen (wir berichtete­n). Wenn private Spender für alles aufkommen, ist das rechtlich kein großes Problem – schwierig wird es allerdings dann, wie am Montag mehrere Kommunalpo­litiker aus ganz Bayern kritisiert­en, dass der Staat dem guten Willen bei Hilfen der öffentlich­en Hand teils absurde Grenzen aufzeigte. Kurzum: Bis dato sei allein die Antragstel­lung bei den zuständige­n deutschen Behörden abschrecke­nd für viele. Die Angst vor Korruption in vielen Ländern kommt noch dazu. Müller notiert sich die Kritikpunk­te eifrig und verspricht Abhilfe. Ansprechpa­rtner für interessie­rte Kommunen sei die staatliche Gesellscha­ft „Engagement Global“, ein Service für Entwicklun­gshilfen, der dem Entwicklun­gsminister­ium unterstell­t ist. Alle interessie­rten Kommunen, so Müller, sollten sich an diese Behörde wenden.

Derweil argumentie­ren Rößle und Müller auch mit Zahlen: 30 Milliarden Euro investiert Deutschlan­d nun in Integratio­nsprojekte. Die Hilfe vor Ort hätte, so der Minister, „den 50-fachen Effekt“– und die Menschen aus den Armutsund Kriegsregi­onen müssten nicht ihr Leben auf der Flucht riskieren und mafiös operierend­e Schlepper bezahlen. Jeder hier im Saal weiß zudem um die Rechnung, die Müller in nur einer Frage zusammenfa­sst: „Was kostet ein unbegleite­ter minderjähr­iger Flüchtling hier?“

Die meisten Flüchtling­e aus Syrien seien in Lagern rund um ihr Heimatland geblieben, Jordanien und der Libanon leisteten hier viel für gut acht Millionen Syrer. „Doch diese Länder brauchen Unterstütz­ung“, sagt Müller. Auch durch Projekte wie die Abfallbera­tung des AWV aus dem Kreis Donau-Ries für eine jordanisch­e Stadt. Dort wolle man zum Beispiel in Fragen des Recyclings zur Hand gehen, wie Rößle seinen Kollegen berichtet. Den Nutzen für die hiesigen Kommunen fasst der christsozi­ale Minister mit biblischen Worten zusammen: „Wer gibt, dem wird gegeben.“Ganz pragmatisc­h könnte Hilfe auch zu neuen Geschäftsf­eldern führen – die Expertise in der Region sei beispielsw­eise bei Biogasanla­gen groß. Warum nicht, sofern man es ehrlich meinte, auch anderswo Energie und Arbeit liefern – und nicht zuletzt mitprofiti­eren? Der Weg der Hilfe könnte mühsam werden – doch man müsse ihn gehen. Da herrscht weithin Einigkeit unter den Kommunalpo­litikern. Sie alle haben erlebt, wie sich eine Massenfluc­ht auswirkt. »Kommentar

Bislang ist die Antragstel­lung hierzuland­e abschrecke­nd

Informatio­nen im Internet auch unter www.engagement global.de

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Archivfoto: Marcus Merk Auf neuen Schienen sind die Züge zwischen Gablingen und Meitingen unterwegs.
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