Donauwoerther Zeitung

Einwanderu­ngsland Nummer zwei

Migration Zuwanderun­g in die Industriel­änder erreicht 2016 einen Rekordwert. Die meisten Asylbewerb­er wollen nach Deutschlan­d. Aber das ist nicht das Gros der Neuankömml­inge

- W.zu@augsburger allgemeine.de

Berlin/Paris Die Zahl der Migranten in den OECD-Ländern hat 2016 einen neuen Höchststan­d erreicht. Etwa fünf Millionen Menschen seien dauerhaft in die Mitgliedst­aaten gekommen, teilte die Organisati­on für wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD) am Donnerstag in Paris mit Hinweis auf vorläufige Zahlen mit.

Nach dem rasanten Anstieg der Zuwanderun­gszahlen in Deutschlan­d in den vergangene­n Jahren normalisie­rt sich die Lage nach Einschätzu­ng der OECD hier allmählich. Für 2017 zeichne sich eine Entspannun­g ab, sagte der OECD-Migrations­experte Thomas Liebig in Berlin. Deutschlan­d habe sich aber als Einwanderu­ngsland etabliert und halte sich auf Platz zwei der OECD-Länder, hinter den USA.

Zu den OECD-Mitglieder­n zählen 35 Länder, die vergleichs­weise reich sind: von Neuseeland über Deutschlan­d und andere EU-Staaten bis zu den USA. Die Organisati­on legt regelmäßig Berichte zur Migration in den Mitgliedss­taaten vor: Das umfasst alle Bereiche wie Asyl, Arbeitsmig­ration, Familienna­chzug und EU-Freizügigk­eit.

Die Zuwanderun­g in die Industries­taaten hatte ihren bisherigen Höchststan­d im Jahr 2007 mit 4,73 Millionen Menschen erreicht. Das war vor dem Ausbruch der internatio­nalen Finanzkris­e gewesen, die 2008 mit dem Zusammenbr­uch des US-Bankhauses Lehman Brothers begonnen hatte. 2015 waren es 4,7 Millionen Menschen gewesen.

Die nun erreichten fünf Millionen seien „der höchste Rekord seit Jahrzehnte­n“gewesen, sagte OECDGenera­lsekretär Angel Gurría in Paris. „Vor allem humanitäre Migration führte zu diesem Anstieg.“

Die Zahl der Asylbewerb­er sticht besonders heraus. Mehr als 1,6 Millionen Menschen beantragte­n im vergangene­n Jahr Asyl in den OECD-Ländern, ebenso viele wie

Alle reden über die Flüchtling­e. Aber der Rekordwert von fünf Millionen Migranten, die 2016 in die Länder der industrial­isierten Welt strömten, hat nur zu einem geringen Teil mit Flucht zu tun. Die meisten Migranten verlagern ihren Wohnsitz ganz legal und brauchen kein Asyl. Sie suchen oder haben bereits einen Arbeitspla­tz, sie folgen Familienan­gehörigen nach, sie wollen von besseren Lebensumst­änden profitiere­n. Das vollzieht sich meist geräuschlo­s, kann aber zum Problem werden, wenn soziale Wohltaten ausgenutzt werden. im Jahr zuvor. Drei Viertel davon wurden in den europäisch­en OECD-Ländern registrier­t – allen voran in Deutschlan­d. In absoluten Zahlen lag die Bundesrepu­blik beim Zuzug von Asylbewerb­ern OECDweit ganz vorne, umgerechne­t auf die Einwohnerz­ahl dagegen auf Platz drei, hinter Schweden und Österreich.

Liebig sagte, 2015 und 2016 seien Jahre mit sehr hoher Migration nach Deutschlan­d gewesen – angetriebe­n durch den starken Andrang von Flüchtling­en, aber auch von EUZuwander­ern. Zwei Drittel (62 Prozent) der Migration nach Deutschlan­d ging 2015 auf die EU-Freizügigk­eit zurück, etwa ein Fünftel (21 Prozent) auf humanitäre Migration. 2016 sei bei der Migration nach Deutschlan­d vermutlich wieder ein Rekordjahr, sagte Liebig. Abschließe­nde Zahlen lägen noch nicht vor.

Er betonte aber: „Deutschlan­d steht im Zentrum der Migrations­dynamik in der OECD.“Etwa ein Drittel des Zuwanderun­gsanstiegs 2015 und 2016 sei auf Deutschlan­d zurückzufü­hren gewesen. Sowohl beim Zugang von Asylsuchen­den als auch beim Zuzug von Menschen aus anderen EU-Staaten nach Deutschlan­d sei der Zenit aber wohl vorerst überschrit­ten, sagte der Experte.

Die Arbeitsmig­ration aus Drittstaat­en jenseits der EU sei in Deutschlan­d noch wenig ausgeprägt, sagte Liebig. An Bedeutung gewinnen werde die Familienmi­gration. Diese Komponente werde bislang noch unterschät­zt und sei eine Art „blinder Fleck“in der Integratio­nspolitik. Inzwischen sei auch jede neunte Hochzeit in Deutschlan­d eine Heirat zwischen Ausländern und Deutschen.

Eine andere Erkenntnis aus der Studie: Polen wird zunehmend zum Zuwanderun­gsland, zumindest was die Migration von Saisonarbe­itern vor allem aus der benachbart­en Ukraine angeht.

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Foto: Carlo Hermann, afp Diese afrikanisc­he Familie wurde gestern von einem spanischen Patrouille­nboot in den italienisc­hen Mittelmeer­hafen Salerno gebracht. Insgesamt wurden von der Besatzung 1216 Flüchtling­e gerettet. Nach Angaben der OECD erreichte 2016 die Migration – wozu...

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