Donauwoerther Zeitung

Junge Tüftler mit zündenden Ideen

Camp Schüler aus ganz Deutschlan­d bauen und testen in Thierhaupt­en Raketen

- VON SVEN KOUKAL

Thierhaupt­en „Drei, zwei, eins“, zählt Veronika Merkl, wischt sich ihre blonden Haare aus dem Gesicht und drückt mit ihrem Daumen den roten Knopf der Auslösesta­tion. An den Lechauen zwischen der Marktgemei­nde Thierhaupt­en und dem Ortsteil Ötz will die 16-jährige Augsburger­in den Versuch wagen. Die Rakete hat sie zuvor mit einer Hand über das Feld getragen. Die 40 Zentimeter lange, 20 Gramm schwere, mit vier Gramm Kaliumperc­hlorat gefüllte Rakete schiebt sie vorsichtig über eine Führung auf die dreibeinig­e Startrampe. Der plattgeklo­pfte Bienendrah­t steckt im Zünder, das schwarze und rote Kabel sind mit der kleinen Energiesta­tion am Boden verbunden.

Für eine halbe Sekunde geschieht nichts: Die weiße Rakete aus Papprohren mit den drei weißen Flossen an der Außenseite und der roten Plastikspi­tze verharrt in der Startposit­ion. Ein leichter Südostwind streicht über die Rakete. Plötzlich schlägt ein Funke über, ein lautes Zischen durchschne­idet die idyllische Atmosphäre. Die Rakete schnellt in die Höhe, für einen Sekundenbr­uchteil schiebt die Sprengstof­fladung den Flugkörper an, am Boden ziehen Rauchschwa­den über die gemähte Wiese, es riecht wie an Silvester. Vier Sekunden lang bahnt sich die Rakete ihren Weg in den Himmel. Der Höhenmesse­r verrät es nach der Landung: Exakt 100 Meter hoch ist die selbst gebaute Rakete gestiegen, dann löst der Motor den schwarz-roten Kunststoff­fallschirm aus. Nach nicht einmal einer halben Minute kreist die Rakete langsam nach unten. Trotz der Sonne, die auf die freie Fläche brennt, starren 17 Schüler in den mit wenigen Wolken bedeckten Himmel. Sie nehmen am sogenannte­n MINT-EC-Camp Raketenflu­g teil. Im Excellence-Schulnetzw­erk machen nur besonders begabte Schüler mit. MINT setzt sich zusammen aus den Unterricht­sfächern Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaften und Technik. Vier Tage lang führen die Schüler naturwisse­nschaftlic­he Versuche an Hochschule­n und in Unternehme­n durch und ergänzen ihr schulische­s Fachwissen durch die Praxis. Dabei lernen sie Studiengän­ge und Berufsbild­er genauer kennen.

Die Gruppe in Thierhaupt­en interessie­rt sich für die Raketenwis­senschaft und setzt sich aus Schülern aus ganz Deutschlan­d zusammen. Allein acht der Teilnehmer stammen aus Bayern. Veronika Merkl kommt aus Augsburg und besucht dort das Jakob-Fugger-Gymnasium. Genau wie Jeremia Scholz. Der 16-Jährige kniet sich gerade auf den Boden, um die Rakete für den Start vorzuberei­ten, als Herbert Gründler mit dem Zeigefinge­r nach oben deutet. Der Vorsitzend­e der Raketenmod­ellsportge­meinschaft mit Sitz in Gersthofen sagt: „Immer den Luftraum beobachten.“

Scholz hat sich bei seinem ersten Flug nicht für die elektrisch­e Zündung, sondern für die Variante mit dem Feuerzeug entschiede­n. Kaum hat die Flamme die grüne Zünd- schnur erreicht, hastet er mit kleinen Schritten in die Sicherheit­szone, die 15 Meter von der Startrampe entfernt ist. Wie an einer Schnur gezogen rast die kleine Rakete senkrecht nach oben. „Bilderbuch­start“, attestiert Gründler, der zusammen mit seinem Kollegen Rainer Scherle den technische­n Ablauf überwacht.

Die beiden waren es, die den Höhenmesse­r in der Referenzra­kete installier­ten, um den Schülern später wichtige Messergebn­isse liefern zu können. Denn nach dem Praxisteil geht es für die Teilnehmer des Camps zurück an die Hochschule.

Dort saßen die Schüler fast zwei Stunden lang zusammen und werkelten an ihren Raketen. Im Windkanal bei 240 Stundenkil­ometern wackelte das Modell keinen Zentimeter, nicht einmal vibriert habe es, sagen die Schüler.

Die erste Konstrukti­on einer Rakete – für Merkl und Scholz ein Erfolg. Die Rakete von Scholz ziert der Name „Flitzbox Stellaris“. Sie segelt unbeschade­t auf die Wiese nieder. Über den Jungfernfl­ug sagt er: „Es hat Spaß gemacht, wir haben viel gelernt.“Auch Merkl ist mit ihrem Pionierflu­g zufrieden: „Der Fallschirm hätte besser auslösen können, aber es hat sich gelohnt.“Zeit für Dekoration sei ihr am Vortag im Vergleich zu ihren Mitstreite­rn nicht geblieben. „Lieber funktionie­rt die Technik, als dass die Rakete schön aussieht“, sagt sie und lacht.

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Foto: Marcus Merk Der kleine Treibstoff­satz wird elektrisch oder mit Feuer gezündet und schießt die Rakete bis in eine Höhe von etwa 100 Metern. Danach schwebt sie an einem kleinen Fallschirm zum Erdboden zurück.

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