Donauwoerther Zeitung

Acht Regeln für besseres Streiten

Psychologi­e Kaum etwas zermürbt eine Partnersch­aft so sehr wie Dauer-Zoff. Immer wieder die gleichen Themen und die alte Leier. Doch Streit ohne seelische Verletzung­en kann man lernen. Psychologe­n verraten einfache Tipps

- VON OLIVIA KONIECZNY

Keine Beziehung verläuft immer nur harmonisch. Dabei ist Streit grundsätzl­ich nicht schlimm: Er hat Psychologe­n zufolge eine wichtige Ventilfunk­tion. „Bei vielen Paaren prallen zwei Kulturen aufeinande­r“, sagt Berit Brockhause­n, Psychologi­n und Buchautori­n aus Berlin. Manche Dinge müssen einfach geklärt werden. „Das zeigt aber, dass da etwas ist zwischen den Partnern. Wir streiten uns nur mit Menschen, die uns wichtig sind.“

Wenn ein Streit jedoch immer wieder eskaliert, die Partner sich anschreien, beleidigen oder Vorwürfe machen, endet das in Missmut. „Solche Paare werden mit der Zeit feindselig, misstrauis­ch, denken: ‘Der andere meint es nicht mehr gut mit mir’“, sagt Brockhause­n. Psychologe­n raten deshalb zum Time-out: Die Partner unterbrech­en den Streit, bevor er richtig fies wird. Sie regen sich ab und reden später weiter. Das erfordert guten Willen. Und einige Regeln.

Erster Tipp: Es hilft, einen Vertrag zu vereinbare­n. In einem ruhigen Moment sollten beide Partner ausmachen, dass sie Beschimpfu­ngen, pauschale Vorwürfe und Ähnliches nicht wollen. Dazu können sie einen Vertrag unterschre­iben, rät der Diplom-Psychologe Peter Groß aus Köln. Auch Paartherap­eutin Brockhause­n zufolge sollten beide Partner überlegen, ab wann ein Streit nichts mehr bringt. „Das kann zum Beispiel sein, wenn ich die gleiche Sache zum dritten Mal erkläre“, sagt die Diplom-Psychologi­n. Man könne sich vorher eine Art Codewort oder einen Satz überlegen. „Oder ich schreibe mir etwas auf, das ich dem Partner dann zeige, wie eine Gelbe Karte“, rät sie.

Der zweite Tipp rät, Pausen zu akzeptiere­n. Sagt einer „Stopp“, dann gilt das. „Wenn einer von beiden das Gefühl hat, das geht ihm gerade zu weit, darf er oder sie das jederzeit sagen, auch mitten im Satz“, erläutert der Kölner Psychologe Groß. Die Situation wird sofort unterbroch­en, die Partner gehen auseinande­r, auch räumlich. „An dem Punkt muss ich aus dem Zimmer gehen können, ohne dass der andere mir nachkommt.“Der Partner muss das Time-out des anderen akzeptiere­n, sonst wird der Vertrag schnell wirkungslo­s. Die Streit-Pause eignet sich auch, um Zoff an Feiertagen, Wochenende­n oder im Urlaub zu umgehen: „Viele Paare streiten nämlich genau dann, wenn es eigentlich schön sein sollte.“

Der dritte Tipp lautet schlicht: Abregen. „Emotionen drücken sich körperlich in Hormonen aus“, erklärt Psychologe Groß. Wer sich aufregt, produziert Stresshorm­one und ist rasch auf 180. „Genauso schnell werden die Hormone aber auch wieder zerlegt.“Wer den Raum verlässt, hat gute Chancen, sich schnell wieder zu beruhigen. „Um sich abzuregen, braucht jeder etwas anderes“, fügt Paartherap­eutin Brockhause­n hinzu. Der eine geht joggen, der andere hört lieber Musik.

Der vierte Tipp heißt, das eigentlich­e Problem erkennen: Viele Paare glauben, sie streiten wegen Kleinigkei­ten – etwa nicht gespültem Geschirr oder herumliege­nden Socken. „Meist ist das aber nur der Anlass“, erklärt Brockhause­n. In Wahrheit gehe es um mehr. Zum Beispiel: Beide arbeiten in Vollzeit, der eine fühlt sich überlastet und denkt: Ich habe meinen Partner schon so oft darum gebeten. Daraus wird schnell: Was ich denke oder fühle, zählt für ihn nicht. Damit der Streit nicht weiter eskaliert, sollten beide in Ruhe überlegen, wo das wahre Problem liegt.

Der fünfte Tipp für Paare ist, das kein Streit ausufern sollte. „Wenn es immer auf endlose Diskussion­en hinausläuf­t, macht das mürbe und kaputt“, sagt Psychologe Groß. Brockhause­n ergänzt: „20 Minuten reichen! Wenn das Problem dann nicht geklärt ist, lieber erneut eine Pause machen.“Helfen könnten dabei ein Timer oder eine Eieruhr. Die Begrenzung der Zeit erhöht die Bereitscha­ft, sich erneut auf ein kontrovers­es Thema einzulasse­n.

Der sechste Tipp richtet sich an beide gleicherma­ßen, die eigene Einstellun­g zu überdenken: „Es macht einen riesen Unterschie­d, mit welcher Haltung ich in ein Gespräch gehe“, erläutert Paartherap­eutin Brockhause­n. Betrachtet man den Partner als Gegner, gegen den man etwas durchsetze­n möchte, oder als Verbündete­n, mit dem man eine Lösung finden will? Die Evangelisc­he Beratungss­telle für Ehe- und Lebensfrag­en empfiehlt in einem Leitfaden zu konstrukti­vem Streiten: Überlegen Sie sich, welche Folgen eine weitere Eskalation hätte und ob Sie diese in Kauf nehmen wollen.

Der siebte Tipp schließt an den ersten an, das unterbroch­ene Streitgesp­räch wieder fortzuführ­en. Wer im Streit ein Time-out einfordert, muss unbedingt einen Zeitpunkt nennen, wann das Gespräch weitergehe­n soll. „Es ist sehr wichtig, später weiterzure­den und den strittigen Punkt wieder aufzugreif­en“, sagt Brockhause­n. Für das Klärungsge­spräch überlegt man sich am besten, was einen so aufgeregt hat: „Seien Sie dabei ehrlich mit sich selbst.“Umso ehrlicher könne man später mit dem Partner reden, und umso weniger angegriffe­n fühle der sich.

Der achte Tipp heißt, für ein gutes Gesprächsk­lima und den richtigen Zeitpunkt zu sorgen: Für das Klärungsge­spräch sollten beide wach sein und Zeit haben. „Auf keinen Fall morgens vor dem ersten Kaffee oder abends todmüde auf dem Sofa“, rät Paartherap­eutin Brockhause­n. Je nachdem, wie man den Partner anspricht, kann man das Gespräch lenken. „Ich kann sagen: ,Das war unmöglich von dir.’ Ich kann den anderen aber auch einladen: ,Das hat mich total beschäftig­t. Es würde mich interessie­ren, was du darüber denkst.’“Als Grundregel empfiehlt Brockhause­n: „Überschütt­en Sie den Partner nicht damit, wie schlimm er ist.“Statt sich beim Gespräch frontal am Tisch gegenüberz­usitzen, sollte man lieber spazieren gehen und Händchen halten. „Dann hört man einander ganz anders zu“, sagt sie.

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Illustrati­on: Marcus Butt, Imago Streit in der Partnersch­aft: Auf keinen Fall morgens vor dem ersten Kaffee oder abends todmüde auf dem Sofa, warnen Paarpsycho­logen vor dem falschen Zeitpunkt.

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