Donauwoerther Zeitung

Das Rätsel der Homöopathi­e

Medizin Selbst die Vorsitzend­e des Deutschen Zentralver­eins homöopathi­scher Ärzte kann sich nicht erklären, warum die verdünnten Medikament­e wirken. Warum sie dennoch weiter mit ihnen arbeitet

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Frau Bajic, Sie haben jüngst öffentlich gesagt, dass es in puncto Homöopathi­e „verschiede­ne Erklärungs­ansätze gibt, aber nichts, was richtig belastbar ist“. Nachdem Sie ja Vorsitzend­e des Deutschen Zentralver­eins homöopathi­scher Ärzte sind, wirkt diese Aussage – gelinde gesagt – etwas irritieren­d. Ist das ein Eingeständ­nis dafür, dass homöopathi­sche Medikament­e gar nicht wirken, wie viele Kritiker behaupten? Cornelia Bajic: Mitnichten. Diese Aussage bezieht sich nur auf den Wirkmechan­ismus von homöopathi­schen Medikament­en. Bisher gibt es tatsächlic­h keine belastbare wissenscha­ftliche Theorie, die erklärt, wie genau sie im Körper wirken. Das Problem gibt es übrigens auch in manchen Bereichen der konvention­ellen Medizin. Dort weiß man zwar genau, dass eine Narkose wirkt, aber nicht, wie sie das ganz konkret tut. Die Wirksamkei­t der Homöopathi­e ist allerdings in zahlreiche­n wissenscha­ftlich geführten Studien belegt worden.

Um welche Art von Studien handelt es sich dabei? Bajic: Es gibt beispielsw­eise Studien, bei denen die Patienten ein homöopathi­sches Medikament oder ein Placebo, also ein Scheinarzn­eimittel ohne Wirkstoff, erhalten. Die Patienten wissen aber nicht, ob sie nun ein homöopathi­sches Medikament oder ein Placebo bekommen.

Und wie ist das Ergebnis? Bajic: Es zeigt, dass homöopathi­sche Mittel dem Placebo überlegen sind – sie also eine Wirkung haben. Zum anderen gibt es Studien aus der sogenannte­n Versorgung­sforschung.

Was ist das? Bajic: Die Versorgung­sforschung untersucht mit großen Patientenz­ahlen unter anderem, wie gut die medizinisc­he Versorgung wirkt. Und dabei kam heraus, dass die Homöopathi­e in der ärztlichen Praxis sehr wohl einen therapeuti­schen Nutzen bringt, der mit dem Nutzen der konvention­ellen Medizin vergleichb­ar ist – jedoch mit deutlich weniger Nebenwirku­ngen.

Welches Prinzip steckt eigentlich hinter der Homöopathi­e? Bajic: Die Grundlage der Homöopathi­e bildet das Ähnlichkei­tsprinzip. Es besagt, dass ein Wirkstoff, der bei gesunden Menschen krankhafte Symptome auslöst, einen Kranken, der die gleichen Symptome zeigt, heilen kann. Oder seine Symptome zumindest deutlich lindert. Der Wirkstoff wird dann in potenziert­er, das heißt verdünnter bis sehr stark verdünnter und verschütte­lter Form verabreich­t.

Klingt ziemlich seltsam. Bajic: Das mag sein. Es ist aber durch viele Studien belegt. Wichtig ist, dass der homöopathi­sche Arzt mit dem Patienten eine sogenannte Erstanamne­se erstellt, die ein bis zwei Stunden in Anspruch nehmen kann. Dabei wird die individuel­le Ausprägung der Erkrankung eines Patienten erfasst. Dann sucht der Arzt das nach dem Ähnlichkei­tsprinzip passende homöopathi­sche sind genau jene homöopathi­schen Arzneien, die im Herstellun­gsverfahre­n, dem sogenannte­n Potenziere­n, mehrfach verdünnt und verschütte­lt werden. Zum Teil, bis man den Wirkstoff kaum oder gar nicht mehr nachweisen kann. Aber auch dieses Phänomen betrifft nicht die Homöopathi­e allein. Um bei Ihrem Beispiel vom Ozean zu bleiben: Haie können Blutspuren im Wasser noch in millionenf­acher Verdünnung wahrnehmen. Wie genau das möglich ist, wissen wir auch nicht.

Sind alle homöopathi­schen Medikament­e so stark verdünnt? Bajic: Es gibt auch viele Homöopathi­ka, die nicht sehr stark verdünnt sind. Bei ihnen ist der Wirkstoff im Labor nachweisba­r. Der homöopathi­sche Ansatz ist stets, dass die verabreich­ten Dosierunge­n so gering sind, dass giftige Nebenwirku­ngen vermieden werden. Übrigens: Die Erfahrung, dass eine Substanz in großen Mengen eingenomme­n schädlich, in kleinen Mengen dagegen nützlich sein kann, ist in der Wissenscha­ft nun wirklich nicht neu. Auf diesem Prinzip basieren ja auch einige konvention­elle Arzneimitt­el.

Gibt es eigentlich Grundlagen­forschung zum Thema Homöopathi­e? Bajic: Ja. Der Physiker Stefan Baumgartne­r vom Institut für Integrativ­e Medizin der Universitä­t Witten/Herdecke beispielsw­eise hat in Experiment­en gezeigt, dass Hochpotenz­en selbst bei Pflanzen Effekte auslösen.

Wie sehen Sie die Zukunft der homöopathi­schen Therapie in der Bundesrepu­blik? Bajic: Die Homöopathi­e hat eine blendende Zukunft, global und in Deutschlan­d. Der Markt der Homöopathi­ka in Deutschlan­d wächst derzeit stärker als der der chemischsy­nthetische­n rezeptfrei­en Arzneimitt­el. Laut neuester Datenerheb­ung von Forsa wünschen sich 73 Prozent der Befragten, dass ausgewählt­e Leistungen der homöopathi­schen Medizin von den Krankenkas­sen erstattet werden.

Wie wird die Homöopathi­e im Ausland gesehen? Bajic: Hier lohnt beispielsw­eise ein Blick in die Schweiz. Dort ist die Homöopathi­e nun tatsächlic­h Regelleist­ung der Krankenver­sicherung.

Interview: Markus Bär

Studien, die nach Angaben von Cornelia Bajic die Wirksamkei­t der Homöopathi­e belegen, finden sich beispielsw­eise auf der Website des Londoner Homeopathy Research Institute (www.hri research.org), auf „Homöo pathie Online“im Bereich Forschung (www.homoeopath­ie online.info) oder auf der Website der Wissenscha­ftlichen Gesellscha­ft für Homöopathi­e (www.wisshom.de).

Cornelia Bajic ist Vorsit zende des Deutschen Zentralver­eins homöopathi scher Ärzte. Sie prakti ziert in Remscheid.

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Foto: Daniela David, dpa
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