Wenn Amateure mit dem Staatstheater…
Musical Ein Glücksfall brachte das Altusrieder Freilichtspiel und die Mainzer Bühne zusammen
Altusried Wer derzeit ein pfiffiges Musical sehen möchte, muss nach Altusried fahren. Auf der Freilichtbühne des Oberallgäuer Dorfes kreuzen die Leibgardisten des französischen Königs mit den Schergen des Kardinals Richelieu die Klingen. Alexandre Dumas’ berühmter Abenteuer-Roman „Die drei Musketiere“wird in einer Musiktheater-Fassung von Rob und Ferdi Bolland gegeben. Die Inszenierung von Roland Hüve ist für Musicalverhältnisse sehr gewitzt und garniert mit spektakulären Fechtkämpfen. Die Zuschauer, die teilweise aus Ulm, Augsburg und vom Bodensee anreisen, fühlen sich so gut unterhalten, dass sie am Ende immer im Stehen Beifall klatschen.
Mit dieser Produktion schlagen die Altusrieder Freilichtspieler neue Töne an. Bisher agierten sie – mit beachtlichem Können und Erfolg – in der Amateurklasse. Seit 135 Jahren führen sie Theater unter freiem Himmel auf. Die Leute aus dem Dorf machten alles selbst, auf und hinter der Bühne. Allenfalls den Regisseur kauften sie ein.
Nun aber peilen sie die Profiklasse an. Verantwortlich dafür sind eine Notlage und ein Glücksfall. Die Notlage ist ein Schuldenberg, der vom Bau der 2500 Besucher fassenden Tribüne Ende der 1990er Jahre herrührt. Der verringerte sich nur, weil die Altusrieder alle drei, vier Jahre ein großes Freilichtspiel auf ihre Naturbühne brachten. In den Jahren dazwischen hatten sie allenfalls Kosten, aber kaum Einnahmen. Der Einkauf von Operettenproduktionen brachte wenig Entlastung. Deshalb leitete Bürgermeister Joachim Konrad vor drei Jahren eine Neuausrichtung ein.
Dazu holte er sich einen Spezialisten als Berater ins Boot. Der heißt Markus Müller und leitet seit 2014 das Staatstheater Mainz. Müller, der vor seiner Intendanz als Schauspieler und Regisseur tätig war, stammt aus Altusried und hatte den Kontakt zu seiner Heimat nie verloren. Honorar nimmt er keins. „Ich möchte den Altusriedern zurückgeben, was ich von ihnen mitbekommen habe“, sagt er.
Mit seiner Hilfe wollen die Oberallgäuer künftig nur noch ambitionierte Eigen- und Co-Produktionen inklusive Opern und Musicals aufführen. Schon im vergangenen Jahr sorgte Müller dafür, dass die Altusrieder für ihr „Robin Hood“-Stück ein professionelles Team mit Regisseur, Autor, Kostüm- und Bühnenbildner erhielt. Etliche Einheimische fanden das zunächst nicht toll. Manche sahen gar das Ende der Freilichtspiel-Tradition gekommen. Doch der Erfolg von „Robin Hood“fegte alle Zweifel aus dem Dorf. Der Schuldenstand sank inzwischen auf 2,5 Millionen Euro.
Bei den „Drei Musketieren“gibt es nun erstmals eine richtige CoProduktion mit dem Staatstheater Mainz. Müller und seine Mainzer Leute besorgten neben dem Leitungsteam auch die Sänger und das Bühnenbild. Die Altusrieder stellten Helfer, Statisten sowie einen Projektchor. Von der Zusammenarbeit sind beide Seiten angetan. „Das hat sich wunderbar miteinander verbunden“, lautet Müllers Fazit. „Fachlich wie menschlich passt es“, bilanziert der Geschäftsführer der Freilichtspiel-GmbH, Sebastian Heerwart. „Diesen Weg müssen wir weitergehen, weil der Anspruch der Zuschauer steigt.“
Um diesen Anspruch zu befriedigen, haben die Altusrieder einen 500000 Euro teuren Orchestergraben gebaut sowie die Ton- und Lichtanlage für viel Geld aufgepeppt. Somit stehen die Freilichtspieler weiter unter einem großen finanziellen Druck. Beim aktuellen Musketier-Musical scheint die Rechnung aufzugehen. Die noch ausstehenden elf Aufführungen bis zum 5. August sind gut gebucht, die Auslastung liegt derzeit bei 70 Prozent. Markus Müller: „Die Kosten sind schon gedeckt.“