Seelisch Erkrankte zu Hause behandeln?
Gesundheit Der Chefarzt des Bezirkskrankenhauses Donauwörth, Dr. Karel Frasch, spricht im Interview über eine wohnortnahe psychiatrische Akutversorgung. Was genau dahintersteckt
Donauwörth Der Chefarzt des Bezirkskrankenhauses (BKH) Donauwörth, Privatdozent Dr. Karel Frasch, stellte in San Diego das Modell der wohnortnahen psychiatrischen Akutversorgung vor. Mindestens so interessant finden Fachleute eine ganz andere Frage: Sie hat direkt mit dem amerikanischen Präsidenten zu tun. Und: Seelisch Erkrankte sollen auch in der Region rund um Donauwörth verstärkt zu Hause behandelt werden.
Herr Dr. Frasch, Sie waren vor Kurzem im kalifornischen San Diego. Was haben Sie dort gemacht? Frasch: Ich habe beim Jahrestreffen der US-amerikanischen Psychiatrischen Gesellschaft (APA) unsere Home-Treatment-Studie vorgestellt, die Professor Thomas Becker, Professor Reinhold Kilian (beide am Bezirkskrankenhaus Günzburg) und ich verantwortet haben und die inzwischen auch international veröffentlicht wurde.
Worum geht es da? Frasch: Home Treatment als wohnortbasierte psychiatrisch-psychotherapeutische Akutbehandlung ist für viele Patienten eine gute Alternative zur stationären Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Dabei besuchen Ärzte, Sozialarbeiter und Pflegekräfte seelisch Erkrankte zu Hause. Wenn man so will, ist es „Psychiatrie im Wohnzimmer“. Begonnen haben wir damit 2005 in Günzburg. Nach meinem Wechsel 2012 nach Donauwörth habe ich es auch hier eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht. Wie kamen Ihre Ausführungen an? Frasch: Sie stießen auf großes Interesse. Sie müssen wissen, dass bei diesem Kongress, der eine Woche dauert, jedes Jahr mindestens etwa 5000 Leute, überwiegend Ärzte für Psychiatrie, teilnehmen. Da gewinnt man einen schönen Überblick über das gesamte Fachgebiet, auch wenn die Psychiatrielandschaft dort vielfach anders ist. Vieles Fortschrittliche kommt von dort. In unserem Fall konnte ich nun Aussagen über die ökonomische Seite unseres Home Treatment machen.
Wie fielen die aus? Frasch: Die wohnortnahe Akutbehandlung schneidet unterm Strich wirtschaftlich etwas besser ab als eine herkömmliche stationäre Behandlung, was aber auch der Tatsache geschuldet ist, dass das Team Teil eines Krankenhauses ist und es derzeit noch keine flächendeckende auskömmliche Finanzierung hierfür in Deutschland gibt. Das Kuriose ist, dass die Idee ursprünglich aus den USA kommt. Deshalb haben meine Ausführungen die dortigen Fachleute auch nicht überrascht. Aber ich habe auf den bisherigen APA-Kongressen noch von keinem konkreten US-HomeTreatment-Behandlungsangebot gehört, was ich einerseits erstaunlich finde, sich aber andererseits durch die dort vollkommen andere Finanzierung des Gesundheitssystems erklärt. Werden stationäre Betten also bald überflüssig? Frasch: Nein. Ich bin überhaupt nicht gegen Krankenhaus betten, als Ärztlicher Direktor des BKH Donauwörth schon zweimal nicht. Die sind wichtig und es wäre verkürzt, stationäre B eh andlungskapazi täten so einfach gegen Home-Treatment-Behandlungska-pazitäten in Position zubringen. Wir versorgen ein Gebiet mit 130000 Menschen und haben gerade mal 40 stationäre B ehandlungs plätze. Da kann man bestimmt nicht von Überkapazität sprechen. Außerdem ist das Home Treatment nicht Bestandteil der Regel finanzierung, es wird also querfinanziert. Deshalb bin ich unserem Träger, den Bezirkskliniken Schwaben, sehr dankbar, dass er uns das machen lässt. Ich bin mir sicher, dass derartige mobile Krisenteams hierzulande in absehbarer Zeit zum Alltag psychiatrischer Versorgung gehören werden; ein entsprechendes Gesetz existiert bereits. Beim APA-Kongress in San Diego wurde die Idee jedenfalls einhellig begrüßt.
Sie waren ja nicht das erste Mal in Übersee, um an diesem Kongress teilzunehmen... Frasch: Richtig. Diesmal war es das zehnte Mal, und zum neunten Mal habe ich etwas präsentiert.
War der amerikanische Präsident Donald Trump auf dem Kongress eigentlich ein Thema? Wie spricht man über ihn? Frasch: Ich bin oft in den USA gewesen und kenne mich ein bisschen aus mit den dortigen Verhältnissen und wie die Menschen „ticken“. Und Sie glauben gar nicht, wie oft ich – vor allem in Deutschland – gefragt werde, ob Herr Trump eine psychische Störung hat. Ich antworte dann immer, und das will ich auch hier tun, dass ich bei einem Menschen des öffentlichen Lebens, den ich nicht persönlich untersucht habe, keine psychiatrische Diagnose mitteile. Es gibt auch einen entsprechenden Verhaltenskodex für APA-Mitglieder, der für mich als International Fellow dieser Gesellschaft auch gilt und den ich sehr vernünftig finde. Ich habe den Eindruck, dass Trump in vielen US-Medien noch wesentlich kritischer gesehen wird als bei uns. Ein Hinweis darauf, dass die Demokratie dort funktioniert.
Was haben Sie für eine Meinung zu den ganzen Veröffentlichungen? Frasch: Trump wird oftmals mit den USA gleichgesetzt. Dabei sind diese viel mehr. Und es wird auch eine Zeit nach Herrn Trump geben. Wir müssen heute die Grundlage dafür legen, dass die uns – Europa und Amerika – verbindenden Rechte und Werte auch weiter hochgehalten werden. Schon allein deshalb sollten wir den bisher nach dem Krieg stets guten Kontakt zu den USA, denen wir im Übrigen viel zu verdanken haben, so gut wie möglich weiter pflegen, auch in vermeintlich schwierigen Zeiten. Und uns keinesfalls auf Kosten dieses Kontaktes und dieser Werte anderen Nationen, die andere Werteordnungen vertreten, zuwenden. (dz)