Dauerfehde vor dem Arbeitsgericht
Prozess Die Firmengruppe Appl und ein Betriebsratsvorsitzender streiten nach wie vor. Gewerkschaft und Management beurteilen den Fall völlig konträr
Wemding Der arbeitsrechtliche Auseinandersetzung zwischen der Firmengruppe Appl und dem Betriebsratsvorsitzenden des ebenfalls in Wemding ansässigen Tochterunternehmens m.appl dauert an. Nun gab es erneut einen Termin vor dem Arbeitsgericht Augsburg. Dieses entschied, dass der gelernte Buchbinder zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen ist.
Die Führung der Firma beschloss – wie mehrfach berichtet – im Jahr 2014, aus wirtschaftlichen Gründen das Urlaubs- und Weihnachtsgeld zu streichen. Ein Großteil der Beschäftigten stimmte damals einer entsprechenden Betriebsvereinbarung zu. Der besagte Betriebsratsvorsitzende (und mehrere andere Arbeitnehmer, die aber inzwischen aus der Firma ausgeschieden sind) lehnten dies ab.
Der Betriebsratsvorsitzende beharrt seitdem – unterstützt von der Gewerkschaft Verdi – auf seinem Recht. Die Geschäftsführung kündigte ihm im Juni 2016 fristlos und nahm diese Entscheidung wenig später per gerichtlichem Vergleich wieder zurück. Im Juli 2016 stellte die Firma den Buchbinder frei. Im Januar 2017 bestätigte der Gewerkschaft zufolge das Arbeitsgericht, dass der Betriebsratsvorsitzende, der geklagt hatte, zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen sei.
Was das Unternehmen dem Mann vorwirft
Im März 2017 stellte das Unternehmen den Mann, der Verdi zufolge seit fast 29 Jahren bei der Firmengruppe beschäftigt ist, erneut frei. Begründung: „Es besteht der Verdacht des Arbeitszeitbetrugs.“Der Mann störte nach Ansicht des Managements auch den Betriebsfrieden – und zwar „außerhalb“der Firma m.appl in anderen Unternehmen der Gruppe. Die Geschäftsführung geht – so heißt es in einer Pressein- formation – zudem davon aus, dass der Betriebsratsvorsitzende „Hausfriedensbruch begangen hat“. Er soll sich „Zutritt zu betriebsfremden Geschäftsräumen verschafft“haben, was ihm explizit untersagt worden sei. Die geschilderten Verdachtsmomente führten „zu einem derartigen Vertrauensbruch, dass eine Fortbeschäftigung nicht weiter möglich ist“, so das Appl-Management.
Dieses merkt in Zusammenhang mit dem Fall außerdem an: „Die Geschäftsführung hat volles Verständnis dafür, wenn Mitarbeiter mit Entscheidungen der Unternehmensleitung nicht einverstanden sind und sich deshalb bedauerlicherweise von unserem Hause trennen. Kein Verständnis haben wir jedoch für Mitarbeiter, die sich mit der Firma, der strategischen Ausrichtung und den dazugehörigen Maßnahmen in keiner Weise identifizieren können und ständig Gerichtsprozesse gegen ihren eigenen Arbeitgeber anstrengen, aber das Unternehmen nicht verlassen.“
Die Gewerkschaft wertet dagegen das neuerliche Urteil des Arbeitsgerichts als „schallende Ohrfeige“für den Arbeitgeber. Verdi-Rechtsanwalt Alexander Nerlinger erklärt, die Vorwürfe des Unternehmens seien „völlig unsubstanziiert“. Die Geschäftsführung habe keinerlei Beweise vorlegen und Zeugen benennen können. Das Verhalten der Firma wertet Verdi so: Sie wolle einen langjährigen Beschäftigten und engagierten Betriebsratsvorsitzenden „entsorgen“.
Die Gewerkschaft verweist darauf, dass der Mann hinsichtlich seiner Arbeitsleistung noch nie eine Abmahnung erhalten habe. Offensichtlich habe die Geschäftsführung „ein völlig gestörtes Verhältnis zu Betriebsräten, die ihre Kollgen ernsthaft vertreten und nicht Erfüllungsgehilfe ihres Arbeitgebers sein wollen“.
Die Firmengruppe Appl betont, dass der Buchbinder nicht in seiner Funktion als Betriebsratsvorsitzender, sondern als Mitarbeiter freigestellt worden sei. In der Funktion als Arbeitnehmer-Vertreter werde ihm nach Anmeldung Zutritt zu den Geschäftsräumen von m.appl gewährt.