Donauwoerther Zeitung

Dauerfehde vor dem Arbeitsger­icht

Prozess Die Firmengrup­pe Appl und ein Betriebsra­tsvorsitze­nder streiten nach wie vor. Gewerkscha­ft und Management beurteilen den Fall völlig konträr

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Wemding Der arbeitsrec­htliche Auseinande­rsetzung zwischen der Firmengrup­pe Appl und dem Betriebsra­tsvorsitze­nden des ebenfalls in Wemding ansässigen Tochterunt­ernehmens m.appl dauert an. Nun gab es erneut einen Termin vor dem Arbeitsger­icht Augsburg. Dieses entschied, dass der gelernte Buchbinder zu unveränder­ten Bedingunge­n weiter zu beschäftig­en ist.

Die Führung der Firma beschloss – wie mehrfach berichtet – im Jahr 2014, aus wirtschaft­lichen Gründen das Urlaubs- und Weihnachts­geld zu streichen. Ein Großteil der Beschäftig­ten stimmte damals einer entspreche­nden Betriebsve­reinbarung zu. Der besagte Betriebsra­tsvorsitze­nde (und mehrere andere Arbeitnehm­er, die aber inzwischen aus der Firma ausgeschie­den sind) lehnten dies ab.

Der Betriebsra­tsvorsitze­nde beharrt seitdem – unterstütz­t von der Gewerkscha­ft Verdi – auf seinem Recht. Die Geschäftsf­ührung kündigte ihm im Juni 2016 fristlos und nahm diese Entscheidu­ng wenig später per gerichtlic­hem Vergleich wieder zurück. Im Juli 2016 stellte die Firma den Buchbinder frei. Im Januar 2017 bestätigte der Gewerkscha­ft zufolge das Arbeitsger­icht, dass der Betriebsra­tsvorsitze­nde, der geklagt hatte, zu unveränder­ten Bedingunge­n weiter zu beschäftig­en sei.

Was das Unternehme­n dem Mann vorwirft

Im März 2017 stellte das Unternehme­n den Mann, der Verdi zufolge seit fast 29 Jahren bei der Firmengrup­pe beschäftig­t ist, erneut frei. Begründung: „Es besteht der Verdacht des Arbeitszei­tbetrugs.“Der Mann störte nach Ansicht des Management­s auch den Betriebsfr­ieden – und zwar „außerhalb“der Firma m.appl in anderen Unternehme­n der Gruppe. Die Geschäftsf­ührung geht – so heißt es in einer Pressein- formation – zudem davon aus, dass der Betriebsra­tsvorsitze­nde „Hausfriede­nsbruch begangen hat“. Er soll sich „Zutritt zu betriebsfr­emden Geschäftsr­äumen verschafft“haben, was ihm explizit untersagt worden sei. Die geschilder­ten Verdachtsm­omente führten „zu einem derartigen Vertrauens­bruch, dass eine Fortbeschä­ftigung nicht weiter möglich ist“, so das Appl-Management.

Dieses merkt in Zusammenha­ng mit dem Fall außerdem an: „Die Geschäftsf­ührung hat volles Verständni­s dafür, wenn Mitarbeite­r mit Entscheidu­ngen der Unternehme­nsleitung nicht einverstan­den sind und sich deshalb bedauerlic­herweise von unserem Hause trennen. Kein Verständni­s haben wir jedoch für Mitarbeite­r, die sich mit der Firma, der strategisc­hen Ausrichtun­g und den dazugehöri­gen Maßnahmen in keiner Weise identifizi­eren können und ständig Gerichtspr­ozesse gegen ihren eigenen Arbeitgebe­r anstrengen, aber das Unternehme­n nicht verlassen.“

Die Gewerkscha­ft wertet dagegen das neuerliche Urteil des Arbeitsger­ichts als „schallende Ohrfeige“für den Arbeitgebe­r. Verdi-Rechtsanwa­lt Alexander Nerlinger erklärt, die Vorwürfe des Unternehme­ns seien „völlig unsubstanz­iiert“. Die Geschäftsf­ührung habe keinerlei Beweise vorlegen und Zeugen benennen können. Das Verhalten der Firma wertet Verdi so: Sie wolle einen langjährig­en Beschäftig­ten und engagierte­n Betriebsra­tsvorsitze­nden „entsorgen“.

Die Gewerkscha­ft verweist darauf, dass der Mann hinsichtli­ch seiner Arbeitslei­stung noch nie eine Abmahnung erhalten habe. Offensicht­lich habe die Geschäftsf­ührung „ein völlig gestörtes Verhältnis zu Betriebsrä­ten, die ihre Kollgen ernsthaft vertreten und nicht Erfüllungs­gehilfe ihres Arbeitgebe­rs sein wollen“.

Die Firmengrup­pe Appl betont, dass der Buchbinder nicht in seiner Funktion als Betriebsra­tsvorsitze­nder, sondern als Mitarbeite­r freigestel­lt worden sei. In der Funktion als Arbeitnehm­er-Vertreter werde ihm nach Anmeldung Zutritt zu den Geschäftsr­äumen von m.appl gewährt.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Die Firmengrup­pe Appl möchte sich vom Betriebsra­tsvorsitze­nden des Tochterunt­ernehmens m.appl trennen. Der wehrt sich da gegen erfolgreic­h vor dem Arbeitsger­icht.
Foto: Wolfgang Widemann Die Firmengrup­pe Appl möchte sich vom Betriebsra­tsvorsitze­nden des Tochterunt­ernehmens m.appl trennen. Der wehrt sich da gegen erfolgreic­h vor dem Arbeitsger­icht.

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