Kerber ist die Bürde los
Wimbledon ist für deutsche Tennisfans bislang nicht gut gelaufen – und es wird auch nicht mehr besser werden. Am Montagabend hat sich mit Alexander Zverev der letzte deutsche Profi verabschiedet. Die Viertelfinals finden ohne deutsche Beteiligung statt – zweifellos eine Enttäuschung. Die Hoffnungen auf ein weiteres Wimbledoner Erweckungserlebnis waren nicht unberechtigt gewesen. Schließlich war der Deutsche Tennisbund im jungen Zverev nicht nur mit dem größten Talent im Welttennis angetreten, sondern hatte in Angelique Kerber auch die amtierende Weltranglistenerste am Start.
Das Ranking wies Kerber über ein halbes Jahr lang als beste Spielerin der Welt aus – was sie freilich nicht war. Mit dem Tag, an dem die 29-Jährige den Gipfel erklommen hatte, ging es mit ihr bergab. Nichts mehr war wie im Vorjahr gewesen, als sie noch Jägerin war. Jenseits des Rampenlichts aus der zweiten Reihe heraus Australian und US Open gewann sowie im Finale von Wimbledon stand. Dann war sie oben und wurde zur Gejagten. Sie hatte sich dort oben nicht wohl gefühlt, den Spitzenplatz eher als Bürde denn als Glück erlebt. Kerber stolperte von einer Pleite in die nächste, flog in Roland Garros, Rom und Stuttgart schon in der ersten Runde aus dem Turnier. Eine Tenniskönigin, die sich selbst demontierte. Trotzdem blieb sie oben, weil Serena Williams, die große Regentin des vergangenen Jahrzehnts, Mutter wird und aussetzen muss.
Nun ist Kerber die Bürde los. Nach dem Achtelfinal-Aus, paradoxerweise ihrem stärksten Auftritt in diesem Jahr, darf sie sich wieder im Schatten einer Nummer eins einreihen. Für andere eine bittere Enttäuschung, für sie eine Befreiung. Die Jagd kann wieder beginnen.