James fährt den Wagen vor
Vorstellung Der neue Stürmerstar des FC Bayern beeindruckt bei seinem ersten Auftritt vor allem modisch
München Das kommt beim FC Bayern nicht oft vor. Die Verantwortlichen haben im Verlauf der Jahre Übung darin bekommen, ihre neueste Erwerbung stolz der Öffentlichkeit vorzustellen. Am Montag erst haben sie im engen Pressekabuff auf dem Trainingsgelände Corentin Tolisso vorgestellt. Der gilt als Rekordeinkauf, seit die Münchner 41,5 Millionen Euro gen Lyon überwiesen hatten. Für James Rodriguez zogen die Münchner gestern ein paar Kilometer weiter und hielten die Pressekonferenz in der geräumigeren Allianz-Arena ab. Das überraschte nicht weiter, schließlich hatten sich auch Fernsehanstalten aus Kolumbien angesagt. Insgesamt übertrugen 21 Kamerateams, wie James (gesprochen: Chames) es dem spanischen Übersetzer recht leicht machte. „Ich bin glücklich hier und hoffe Titel zu gewinnen“, gehört zum Standardrepertoire der Dolmetscher mit Fachbereich Fußballtransfers. Wirklich überraschend war, dass der Kolumbianer tatsächlich einen Auftritt hinlegte, in dem er zumindest die Teildisziplin „Kleidungsstil“für sich entschied. Und das gegen seinen Trainer Carlo Ancelotti und Vereinsboss KarlHeinz Rummenigge. Beide lernten immerhin in Italien, sich mit feinen Stoffen zu bekleiden. Ancelotti, weil es sein Geburtsland ist. Rummenigge, weil er dort einige Jahre spielte. Aber an James David Rodríguez Rubio, kurz: James Rodriguez, noch kürzer: James, kamen sie diesmal nicht heran. Am Tag seines 26. Geburtstages hatte er sich fein herausgeputzt. Grauer Anzug, dunkle Krawatte und ein fliederfarbenes Einstecktuch. Als einen „schönen Mann“hatte Rummenigge bereits am Morgen seinen Töchtern und seiner Frau gegenüber den Neuzugang bezeichnet.
Am Dienstag war er auf dem Sonderflughafen Oberpfaffenhofen im Westen Münchens gelandet. So konnte man dem zu erwartenden Rummel noch ein wenig aus dem Weg gehen. Am Mittwoch schließlich: Aufstehen, medizinische Untersuchung, Vertragsunterschrift, Pressekonferenz und dann noch Training. Irgendwann zwischendurch wird er noch Zeit gefunden haben, um die Glückwünsche seiner Tochter Salomé und seiner Frau Daniela entgegenzunehmen. Seine Gattin ist die Schwester von Kolumbiens Nationaltorwart David Ospina. Bis James seine beiden Frauen wieder nah bei sich hat, wird noch etwas Zeit vergehen. „Ich schaue erst nach einer Wohnung, dann kommen sie nach“, so der Offensivspieler. Immerhin dürfte für ihn bei geschätzten sechs Millionen Euro Jahreseinkommen der überhitzte Münchner Wohnungsmarkt nicht zum Problem werden. Schwieriger wird es, sich einen Stammplatz zu erkämpfen. Da aber Carlo Ancelotti explizit die Verpflichtung des Kolumbianers vorschlug, dürfte auch das zu bewerkstelligen sein. Das wiederum würde wohl zu Lasten von Thomas Müller gehen, der bereits in der vergangenen Saison in etlichen Spielen seinen Stammplatz auf der Bank hatte. Dort nicht mehr Platz nehmen wird Douglas Costa. Der Brasilianer wechselt für sechs Millionen Euro auf Leihbasis für ein Jahr zu Juventus Turin.
Bayern-Trainer Ancelotti kennt James aus gemeinsamen Zeiten in Madrid. Auch damals spielten schon Bale, Benzema und Ronaldo für Real. James aber war dennoch unter Ancelotti gesetzt. Müller indes könnte die Anfälligkeit seiner Mitspieler zum Vorteil gereichen.
So meldete sich Arjen Robben mit einer beim Tennis erlittenen Wadenverletzung aus dem Urlaub zurück. Auf die Reise am Sonntag nach China verzichtet er deshalb. Müller wird an Bord sein. Und auch James.
Sagen wir mal so: Als Löwen-Fan gehört das schiere Überleben schon zu den größeren Erfolgen der Vereinsgeschichte. Gut, das ist vielleicht ein bisschen wenig, um es auf den Wimpel zu drucken. Andererseits: Da wäre viel Platz. Weil seit ziemlich genau 50 Jahren ist ja in dem Sinne nichts Neues dazugekommen. Wenn man mal von ein paar glorreichen Aufstiegen und mehreren dramatischen NichtAbstiegen absieht. Und natürlich von dieser einen Saison, in der wir es in die Champions League geschafft haben. Also fast zumindest. Aber das ist doch auch schon was.
Und jetzt also Regionalliga. Die Kollegen schreiben von einem beispiellosen Absturz. Freilich. Aber der echte Fan lässt sich im Löwenstüberl an der Grünwalderstraße von einer missmutigen Bedienung noch ein Weißbier bringen und murmelt ein „Ja, mei“in den Schaum, der in sich zusammenfällt wie die hochfliegenden Pläne vom Scheich. Dass der Hasan Ismaik gar kein richtiger Scheich ist, sondern bloß ein sogenannter Geschäftsmann, passt übrigens gut ins Bild. So ist das halt bei Sechzig: Oft reichts eben nur zum „fast“.
Für uns Löwen ist Fußball vor allem die Erinnerung an Fußball. An die gute alte Zeit. Und dabei liegt die Betonung stets eher auf dem alt als auf dem gut. Weil so richtig gut war es ja höchstens ein paar Jahre lang. Damals, als der Radi die Meisterschale in den Giesinger Himmel streckte. Damals, als die meisten Anhänger von heute noch gar nicht geboren waren. Ohne das exzessive Ausleben nostalgischer Gefühle ist dieser Verein überhaupt nicht zu erklären. Das ewige Chaos, dieser fortgesetzte Dilettantismus an der Spitze ist vielen Fans inzwischen völlig wurscht, solange sie einfach nur wieder heimdürfen. Heim ins Grünwalderstadion. Der marode Sportplatz ist ein Spiegelbild der Fan-Seele – auch dort ist mit den Jahren einiges kaputtgegangen, auch dort ist Gefühl wichtiger als Verstand.
Wahre Liebe kennt keine Liga, sagen viele Sechzger jetzt trotzig. Und so werden wir jetzt also die Bolzplätze in Schalding-Heining und Buchbach bevölkern und hoffen, dass nicht zu viele Deppen mitkommen, die schon nostalgische Gefühle entwickeln, wenn sie mal wieder ein Vereinsheim zerlegen können. Wir werden vom Aufstieg träumen und von früher erzählen. Und am Ende werden wir vielleicht doch einfach nur froh sein, überlebt zu haben. Mal wieder.
Unser Autor war als Sechsjähriger erstmals im Grünwalderstadion. Nor malerweise schreibt er über Politik. Heute hat er mal eine Ausnahme gemacht.
RADSPORT Tour de France Eurosport/ARD, 11/15.10 Uhr 12. Etappe: Pau – Peyragudes
LEICHTATHLETIK U18 WM Eurosport, 17.15 Uhr 2. Tag
FUSSBALL Sport1, 18.30 Uhr Regionalliga Bayern, 1. Spieltag: FC Memmin gen – 1860 München Sport1, 21 Uhr Legenden Turnier, Star Sixes, 1. Tag aus London