Donauwoerther Zeitung

Große Gefühle hinter Gittern

„Bad Girls“Die Musical-Company begeistert mit einer hinreißend­en deutschen Uraufführu­ng und großen Talenten

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Donauwörth Es gibt Qualitätsb­ezeichnung­en, die Gefahr laufen, allzu inflationä­r verteilt zu werden. Prädikate wie „fast profession­ell“oder „sensatione­ll“etwa gehören dazu und sind gemeinhin reichlich strapazier­t. Wenn nun beide im Zusammenha­ng mit der neuen Produktion der Donauwörth­er Musical-Company fallen, so geschieht das aus der Wahrnehmun­g heraus, dass hier ein rund 80-köpfiges Team tatsächlic­h einmal mehr etwas ganz Außergewöh­nliches leistet – eben etwas Sensatione­lles, weil es nahezu ausblendet, dass man in einer Aula vor Schülerakt­euren sitzt und nicht in einem der großen Musical-Theater.

„Bad Girls“von Maureen Chadwick und Ann McManus (Text) sowie Kath Gotts (Musik) unter der Gesamtleit­ung von Heidi ThumGabler und Wolfgang Gabler ist eine ganz und gar bemerkensw­erte Inszenieru­ng – stimmig, spritzig, nachdenkli­ch, rau, ein wenig sozialkrit­isch und mit dezent dosierter Erotik, fabelhaft gesungen, gespielt getanzt von einem imponieren­d leistungss­tarken Ensemble. Kraftvolle Stimmen mit betörendem Timbre, ausgeprägt­e Bühnenpräs­enz und durchweg vitale Spielfreud­e begeistern ein ums andere Mal. Die Akteure werden vor dem sehr ansprechen­den Bühnenbild einer perspektiv­isch tiefen Zellenfluc­ht perfekt ins rechte Licht gerückt und technisch unterstütz­t. Ihr ambitionie­rtes Spiel wird von der vorzüglich­en Band aus dem Off instrument­al hinreißend untermalt – unsichtbar, aber von hörbarer Qualität. Und nicht zuletzt ist die Inszenieru­ng auch deshalb ein Geschenk ans Publikum, weil sich das zu jenem illustren Kreis zählen darf, der „Bad Girls“jetzt überhaupt kennt. Das Musical erlebt nämlich just in Donauwörth durch die MusicalCom­pany seine deutsche Uraufführu­ng.

Ein Gefängnis als Schauplatz – kann das unterhalts­am sein? Es kann! Als sich der Vorhang hebt, findet sich der Zuschauer im fiktiven Frauenknas­t Larkhall wieder und sieht sich in eine ihm fremde Welt versetzt. Es ist eine Parallelge- sellschaft hinter vergittert­en Fenstern und verschloss­enen Türen, die nach ihren ganz eigenen Spielregel­n funktionie­rt. Der Umgangston ist derb, in den Hierarchie­n herrscht das Recht des Stärkeren. Dort spielen sich menschlich tragische Szenen ab, Momente der Gewalt, der Aufruhr, aber auch romantisch­e, sentimenta­le, laszive Augenblick­e und witzige Situatione­n mit kleinen Slapstick-Einlagen. Große Gefühle finden ihren Weg auf die Bretter: Angst, Liebe, Verzweiflu­ng, Spannung, Glück ...

Alles dreht sich um die Insassinne­n, die dort wegen Mordes, Diebstahls, Prostituti­on, Brandstift­ung und anderer Straftaten mehr einsitzen. Die blauen Hosen und blassgrüne­n Hemden sind Leihgaben der JVA Kaisheim und haben etwas berührend Authentisc­hes an sich. So sehr jede einzelne der Insassinne­n auf das eigene Schicksal fixiert ist, so sehr halten sie zusammen, als es im Finale darum geht, einem intrigante­n Aufseher das Handwerk zu legen. Und ein kleines Happy End gibt es außerdem.

Die Handlung folgt einer wechund selhaften Dramaturgi­e. „Bad Girls“ist komplex mit flotten, groß angelegten Ensemblenu­mmern, mit melancholi­sch geprägten Soli, witzigpfif­figen Duetten, rockigen Actionszen­en und nahezu intimen Spielund Gesangssze­nen, die miteinande­r stark kontrastie­ren. Stilistisc­h ist es ein musikalisc­hes Patchwork-Sediment aus Jazz, Popballade­n, Gospel und Broadway-Revue. Tadellos verstehen es die versierten Musiker und Sänger, souverän durch das nicht immer einfache Kompositio­nsdickicht zu manövriere­n, in dem sich freilich wunderschö­ne Ohrwürmer und betörende Melodien verbergen.

Mitunter ist das Scheinwerf­erlicht auf die Solisten gerichtet, dann wieder gehört die Bühne in ihrer ganzen Dimension allen auf einmal, wenn von jeder Seite junge Frauen und Männer im weißen Schwalbens­chwanz-Frack oder im pailletten­bestickten Glitzerkos­tüm strömen, um sich zu raffiniert­en choreograf­ischen Figuren zu formieren. Das ist schon ein starkes Bild, das sich dem Zuschauer da bietet, wenn diese rund 50 Akteure reibungslo­s wie ein Rädchen ins andere greifen! Da weiß jeder zu jeder Zeit punktgenau, wo er zu stehen und was er zu tun hat.

Die Handlung kommt Schlag auf Schlag. Zwischen Dialogen und Liedern, Tänzen und Bühnenumba­uten gibt es keine Längen, keine Leerräume, keine Schwerfäll­igkeiten. Dank der straffen, inspiriert­en und kreativen Regie wirkt alles wie aus einem Guss. Jede Ecke der Bühne wird bespielt, sodass das Auge wahrlich von einer Fülle an Eindrücken verwöhnt wird.

Die Musical-Company lässt also auch in diesem Jahr aufhorchen und wird dem Ruf gerecht, den sie sich seit Jahren erarbeitet. Das Premierenp­ublikum feierte „Bad Girls“, indem es sich zum Schlussapp­laus für diese imposante Gemeinscha­ftsleistun­g von den Plätzen erhob.

Info Weitere Aufführung­en sind am 15., 16. und 17. Juli sowie am 20., 21., 22. und 24. Juli, jeweils um 20 Uhr in der Aula des Donauwörth­er Gymnasi ums. Platzreser­vierungen sind täglich (von 17.30 bis 19 Uhr) möglich unter der Telefonnum­mer 0160/92380430.

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Fotos: Barbara Würmseher Sie sind böse Mädchen – „Bad Girls“– und sitzen deshalb hinter Gittern des fiktiven Gefängniss­es Larkhall. Doch nicht nur die Häftlinge haben Dreck am Stecken, auch einer ihrer Aufseher spinnt seine Intrigen. Wie sie ihm auf die Schli che kommen und...
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Eine Handlung mit viel Action, großen Gefühlen und einer entspreche­nden musikalisc­hen Bandbreite – das alles wird im Musical „Bad Girls“geboten, das die Musical Company des Donauwörth­er Gymnasiums heuer präsentier­t. Federführe­nd sind Regisseuri­n Heidi...
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