Große Gefühle hinter Gittern
„Bad Girls“Die Musical-Company begeistert mit einer hinreißenden deutschen Uraufführung und großen Talenten
Donauwörth Es gibt Qualitätsbezeichnungen, die Gefahr laufen, allzu inflationär verteilt zu werden. Prädikate wie „fast professionell“oder „sensationell“etwa gehören dazu und sind gemeinhin reichlich strapaziert. Wenn nun beide im Zusammenhang mit der neuen Produktion der Donauwörther Musical-Company fallen, so geschieht das aus der Wahrnehmung heraus, dass hier ein rund 80-köpfiges Team tatsächlich einmal mehr etwas ganz Außergewöhnliches leistet – eben etwas Sensationelles, weil es nahezu ausblendet, dass man in einer Aula vor Schülerakteuren sitzt und nicht in einem der großen Musical-Theater.
„Bad Girls“von Maureen Chadwick und Ann McManus (Text) sowie Kath Gotts (Musik) unter der Gesamtleitung von Heidi ThumGabler und Wolfgang Gabler ist eine ganz und gar bemerkenswerte Inszenierung – stimmig, spritzig, nachdenklich, rau, ein wenig sozialkritisch und mit dezent dosierter Erotik, fabelhaft gesungen, gespielt getanzt von einem imponierend leistungsstarken Ensemble. Kraftvolle Stimmen mit betörendem Timbre, ausgeprägte Bühnenpräsenz und durchweg vitale Spielfreude begeistern ein ums andere Mal. Die Akteure werden vor dem sehr ansprechenden Bühnenbild einer perspektivisch tiefen Zellenflucht perfekt ins rechte Licht gerückt und technisch unterstützt. Ihr ambitioniertes Spiel wird von der vorzüglichen Band aus dem Off instrumental hinreißend untermalt – unsichtbar, aber von hörbarer Qualität. Und nicht zuletzt ist die Inszenierung auch deshalb ein Geschenk ans Publikum, weil sich das zu jenem illustren Kreis zählen darf, der „Bad Girls“jetzt überhaupt kennt. Das Musical erlebt nämlich just in Donauwörth durch die MusicalCompany seine deutsche Uraufführung.
Ein Gefängnis als Schauplatz – kann das unterhaltsam sein? Es kann! Als sich der Vorhang hebt, findet sich der Zuschauer im fiktiven Frauenknast Larkhall wieder und sieht sich in eine ihm fremde Welt versetzt. Es ist eine Parallelge- sellschaft hinter vergitterten Fenstern und verschlossenen Türen, die nach ihren ganz eigenen Spielregeln funktioniert. Der Umgangston ist derb, in den Hierarchien herrscht das Recht des Stärkeren. Dort spielen sich menschlich tragische Szenen ab, Momente der Gewalt, der Aufruhr, aber auch romantische, sentimentale, laszive Augenblicke und witzige Situationen mit kleinen Slapstick-Einlagen. Große Gefühle finden ihren Weg auf die Bretter: Angst, Liebe, Verzweiflung, Spannung, Glück ...
Alles dreht sich um die Insassinnen, die dort wegen Mordes, Diebstahls, Prostitution, Brandstiftung und anderer Straftaten mehr einsitzen. Die blauen Hosen und blassgrünen Hemden sind Leihgaben der JVA Kaisheim und haben etwas berührend Authentisches an sich. So sehr jede einzelne der Insassinnen auf das eigene Schicksal fixiert ist, so sehr halten sie zusammen, als es im Finale darum geht, einem intriganten Aufseher das Handwerk zu legen. Und ein kleines Happy End gibt es außerdem.
Die Handlung folgt einer wechund selhaften Dramaturgie. „Bad Girls“ist komplex mit flotten, groß angelegten Ensemblenummern, mit melancholisch geprägten Soli, witzigpfiffigen Duetten, rockigen Actionszenen und nahezu intimen Spielund Gesangsszenen, die miteinander stark kontrastieren. Stilistisch ist es ein musikalisches Patchwork-Sediment aus Jazz, Popballaden, Gospel und Broadway-Revue. Tadellos verstehen es die versierten Musiker und Sänger, souverän durch das nicht immer einfache Kompositionsdickicht zu manövrieren, in dem sich freilich wunderschöne Ohrwürmer und betörende Melodien verbergen.
Mitunter ist das Scheinwerferlicht auf die Solisten gerichtet, dann wieder gehört die Bühne in ihrer ganzen Dimension allen auf einmal, wenn von jeder Seite junge Frauen und Männer im weißen Schwalbenschwanz-Frack oder im paillettenbestickten Glitzerkostüm strömen, um sich zu raffinierten choreografischen Figuren zu formieren. Das ist schon ein starkes Bild, das sich dem Zuschauer da bietet, wenn diese rund 50 Akteure reibungslos wie ein Rädchen ins andere greifen! Da weiß jeder zu jeder Zeit punktgenau, wo er zu stehen und was er zu tun hat.
Die Handlung kommt Schlag auf Schlag. Zwischen Dialogen und Liedern, Tänzen und Bühnenumbauten gibt es keine Längen, keine Leerräume, keine Schwerfälligkeiten. Dank der straffen, inspirierten und kreativen Regie wirkt alles wie aus einem Guss. Jede Ecke der Bühne wird bespielt, sodass das Auge wahrlich von einer Fülle an Eindrücken verwöhnt wird.
Die Musical-Company lässt also auch in diesem Jahr aufhorchen und wird dem Ruf gerecht, den sie sich seit Jahren erarbeitet. Das Premierenpublikum feierte „Bad Girls“, indem es sich zum Schlussapplaus für diese imposante Gemeinschaftsleistung von den Plätzen erhob.
Info Weitere Aufführungen sind am 15., 16. und 17. Juli sowie am 20., 21., 22. und 24. Juli, jeweils um 20 Uhr in der Aula des Donauwörther Gymnasi ums. Platzreservierungen sind täglich (von 17.30 bis 19 Uhr) möglich unter der Telefonnummer 0160/92380430.