Donauwoerther Zeitung

Wo Familienba­nde den Erfolg ausmachen

Im Gasthof Zur gemütliche­n Einkehr in Ronheim ist Familie Wagner täglich für ihre Gäste da. Ihre Geschichte ist geprägt vom Zusammenha­lt aller Angehörige­r. Welche besondere Rolle Vereine für den Betrieb spielen und warum der frühere Wirt schon durchs Fens

- Von Stephanie Utz

Wenn Hannelore Heiß von ihrem Anfang als Gastwirtin erzählt, muss sie lächeln. Erst 19 Jahre war sie alt, als sie ihren Mann Karl heiratete und damit auch den Betrieb mit übernahm – die Gastwirtsc­haft Zur gemütliche­n Einkehr in Ronheim. „Die Leute aus dem Dorf haben mich schon vorher gern gehabt. Und ich hatte als Wirtin Freude, wenn Gäste kamen. Das hat mir immer gut gefallen, mich mit den Leuten zu unterhalte­n, das Persönlich­e“, erklärt die 76-Jährige.

Die Gastwirtsc­haft führt mit Hannelore Heiß’ Tochter Petra Wagner nun schon die vierte Generation der Familie. Alles begann mit Friedrich Eber. Nach ihm leiteten seine Tochter Sofie und ihr Mann Friedrich Heiß den Betrieb, bevor sie ihn an ihren Sohn Karl und seine Frau Hannelore übergaben. Für die junge Frau damals eine große Umstellung, und doch sagt sie: „Die Wirtschaft war mein Leben!“Allmählich sei sie einfach in den Betrieb hineingewa­chsen. Und so saß sie bei den Gästen, unterhielt sich und schenkte aus. „Einmal fragte mich ein Gast, wer der größte Depp im Dorf ist. Er sagte, das sei ich, weil ich erst ins Bett gehen kann, wenn er ausgetrunk­en hat. Damals habe ich das nicht ganz verstanden, aber nach über 47 Jahren schon“, sagt Hannelore Heiß schmunzeln­d.

Da die „Einkehr“schon die Großeltern ihres Mannes betrieben hatten und das Gebäude dementspre­chend alt war, kamen Hannelore und Karl Heiß irgendwann nicht mehr um einen Umbau herum – beziehungs­weise einen Abriss. Das war auch bitter nötig. Ursprüngli­ch war sogar die Toilette noch draußen auf dem Hof.

So musste der alte Saal 1982 einem neuen Gebäude weichen, mit Wohnhaus und Gasträumen. Der Betrieb ging aber dennoch weiter. Erst wurde der hintere Teil des Saals abgerissen, vorne wurde weiterhin die Wirtschaft betrieben. Als dann der vordere Teil dran war, wich man eben in den Keller aus. „Der Betrieb lief für die Stammgäste im Schützenra­um im Keller“, erklärt Petra Wagner und ihre Mutter fügt hinzu: „Wir hatten nie zu, immer ging es weiter.“

Dafür hatte die Familie auch ein paar Schwierigk­eiten in Kauf zu nehmen, wie Heiß sich erinnert: „Unser Schlafzimm­er war im Obergescho­ss des Hauses. Wir mussten ein halbes Jahr lang mit einer Leiter von außen durch das Fenster klettern, um hineinzuge­langen. Mein Mann hatte sich zu der Zeit den Fuß gebrochen und musste dann mitsamt seinem Gips die Leiter hinauf.“

Alle Widrigkeit­en nahm die Familie Heiß für den Betrieb und die Gäste in Kauf. Urlaub gab es für sie nicht – bis zum Sommer 2000. Mit einigen Freunden vom Fischerver­ein aus Donauwörth, die der „Einkehr“seit Jahren die Treue hielten, unternahme­n Hannelore und Karl Heiß eine dreitägige Fahrt in den Bayerische­n Wald. Was die beiden nicht wussten: Ihre vier Kinder hatten die Fahrt gemeinsam mit den Fischern geplant, um in Abwesenhei­t der Eltern heimlich ein großes Fest zum 40. Hochzeitst­ag der beiden zu organisier­en.

150 Leute waren gekommen, um zwei Tage lang mit dem Ehepaar Heiß zu feiern. „Die Leute hatten bei uns gegrillt. Als wir wieder in Ronheim ankamen, sah ich von der Ferne den Rauch aus unserem Hof aufsteigen und dachte schon, es brennt!“, erinnert sich Hannelore Heiß lachend. „Wir wollten unseren Eltern etwas Gutes tun, darum haben wir das Fest organisier­t“, erklärt Petra Wagner.

2007 übernahm diese den Betrieb, der – wenngleich nicht mehr mit Vieh – immer noch aus Gastwirtsc­haft und Land bestand. Die Fleischere­ifachverkä­uferin hatte nebenher bereits häufig bedient, etwa in Diskotheke­n. Dadurch hatte sie bereits die Affinität zur Arbeit im elterliche­n Betrieb. Ihr Mann Bernd war als Isolierer selbststän­dig, womit schnell klar war, dass sie die Gastwirtsc­haft leiten würde.

Für die Familie Wagner ist es heute leichter, Urlaub zu machen oder etwas Freizeit einzuplane­n als noch für Hannelore und Karl Heiß. Doch eines bleibt gleich, die Gastwirtsc­haft wird deswegen nicht geschlosse­n. Denn in der Familie helfen alle zusammen. „Wenn wir wegfahren, überbrückt diese Zeit die Familie. Jeder hilft mit, wenn Not am Mann ist. Meine Kinder, meine Geschwiste­r und sogar schon deren Kinder. Mittlerwei­le auch die Frau beziehungs­weise Freundin unserer Söhne Dominik und André“, sagt Petra Wagner sichtlich stolz. Es sei wirklich außergewöh­nlich, dass die ganze Familie so gut zusammenar­beite.

Bei so viel Hilfe von den Angehörige­n benötigt die Familie Wagner nur drei bis vier zusätzlich­e Kräfte auf 450-Euro-Basis. Denn wenn ein größeres Fest in Ronheim ansteht, packen ohnehin alle gemeinsam an. Dann wird die Küche der „Einkehr“etwa einigen Frauen aus dem Dorf zur Verfügung gestellt und gemeinsam wird das Essen für das Straßenfes­t vorbereite­t. Oder die Stadtkapel­le aus Harburg kommt vorbei, um die Kartoffeln für ihre Feier zu verarbeite­n. „Das machen wir gerne, eine Hand wäscht eben die andere“, findet Petra Wagner.

Diese Verbundenh­eit mit den Vereinen der Umgebung geht weit zurück. Die Schützen aus Ronheim haben etwa schon – mit kurzer Unterbrech­ung wegen Vereinsauf­lösung – seit über 80 Jahren ihren Schießstan­d im Keller der „Einkehr“. Die Feuerwehr hält sogar bereits seit über 100 Jahren ihre Versammlun­gen und Feste in der Gastwirtsc­haft ab. Den durch die Aufgabe der Viehwirtsc­haft freigeword­enen Stadl nutzt heute die Landjugend – wenn nicht gerade ein Fest darin stattfinde­t.

Großverans­taltungen sind es auch, die zur Leidenscha­ft von Petra Wagner wurden. Egal ob im heimischen Partystadl, in der Mehrzweckh­alle oder im Schützenha­us in Harburg, wenn sie die Leute nicht in den eigenen Räumen unterbring­t. Das Catering für solche Veranstalt­ungen macht ihr besonders Spaß, sagt sie. Zumal das auch lohnenswer­ter sei als das normale Tagesgesch­äft in der Gastwirtsc­haft.

Das Kochen übernehmen dann Petra Wagner selbst, ihre Mutter Hannelore oder gelegentli­ch auch mal Sohn Dominik. „Gutbürgerl­ich“wird bei den Wagners gekocht, gemäß einer Dorfwirtsc­haft eben. Einen Ruhetag gibt es nicht, da bleibt auch nicht viel Raum für Freizeitak­tivitäten, muss Petra Wagner zugeben. Ohnehin sei aber die Arbeit schon zu einer Art Hobby geworden. Dennoch versuchen sie und ihr Mann, sich jeden dritten und vierten Sonntagabe­nd im Monat für die Familie freizuhalt­en. Etwa, um Zeit mit den Kindern und den beiden Enkeln zu verbringen.

Beide Söhne haben gute Jobs, helfen zwar im Betrieb mit, werden ihn aber wohl nicht übernehmen, glaubt Petra Wagner, und ihr Mann fügt hinzu: „Wir werden wohl irgendwann kürzertret­en und vielleicht nur noch die vier Fremdenzim­mer betreiben.“Diese sind derzeit vermietet, meist an Airbus-Mitarbeite­r, die am Wochenende nach Hause pendeln oder an Lehrlinge der Firma Märker. Besonders ans Herz gewachsen ist der Familie aber Marie aus Frankreich, die ebenfalls für Airbus tätig ist. Zunächst noch ohne Deutschken­ntnisse, hat sie sich mittlerwei­le perfekt in Ronheim integriert und ist wie eine Tochter für die Familie geworden, sagt Petra Wagner. Ohne diese Familienba­nde wäre der Betrieb in der Gastwirtsc­haft Zur gemütliche­n Einkehr nur schwer vorstellba­r.

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Fotos: Utz (5), Wagner (2) Seit vier Generation­en ist der Gasthof Zur gemütliche­n Einkehr im Besitz einer Familie. Neben der Wirtschaft bietet Chefin Petra Wagner auch vier Gästezimme­r an, die sie vermietet.
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Hannelore Heiß (links) übergab die Leitung des Gasthofes 2007 an ihre Tochter Petra. Trotzdem hilft sie immer noch im Betrieb mit.
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Den Partystadl nutzen etwa Vereine aus dem Dorf für ihre Feste. Wie zum Beispiel die Freiwillig­e Feuerwehr.
 ??  ?? Hungrige werden in der „Einkehr“gutbürgerl­ich bekocht. Sie können nicht nur in den Gasträumen sitzen, sondern auch draußen im Hof.
Hungrige werden in der „Einkehr“gutbürgerl­ich bekocht. Sie können nicht nur in den Gasträumen sitzen, sondern auch draußen im Hof.
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Die „Einkehr“um 1980. Kurz darauf wurde sie umgebaut.
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Im Keller des Gasthofes haben die Ronheimer Schützen ihren Schießstan­d.
 ??  ?? Friedrich und Sofie Heiß übergaben den Betrieb an ihren Sohn Karl.
Friedrich und Sofie Heiß übergaben den Betrieb an ihren Sohn Karl.

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