Donauwoerther Zeitung

Der schwere Weg des Wiederaufb­aus

Historie Vor 70 Jahren hielt der Donauwörth­er Bürgermeis­ter Alois Barthelme eine bayernweit beachtete Rede im Rundfunk. Es war ein Zeugnis für den schwierige­n Neubeginn

- VON OTTMAR SEUFFERT

Donauwörth Manche Reden hat man gehört und vergisst sie wieder. Manche sind belanglos, andere aber ein echtes Zeugnis der Zeit. Vor fast genau 70 Jahren berichtete der damalige Bürgermeis­ter Alois Barthelme den Radiohörer­n in ganz Bayern über die schwierige Lage des vom Weltkrieg zerstörten Donauwörth. Jene Schilderun­gen der damaligen Nöte sind nicht bloß Worte. Sie sind wichtig für das historisch­e Bewusstsei­n.

Der am 26. Oktober 1883 in Unterfrank­en geborene Alois Barthelme kam als Oberbauver­walter am 1. Februar 1907 aus Augsburg nach Donauwörth in das Kulturbaua­mt in der Förgstraße. Dort arbeitete er bis Ende April 1945 im heutigen Wasserwirt­schaftsamt. Am 17. März 1924 heiratete der verwitwete Alois Barthelme in zweiter Ehe. Während der NS-Zeit blieb Barthelme in der Behörde tätig. Wenige Tage nach Einmarsch der amerikanis­chen Kampftrupp­en wurde Barthelme am 28. April 1945, wohl weil er nicht Mitglied in der NSDAP Hitlers gewesen war, von Captain Oswald von der US-Militärreg­ierung zum Bürgermeis­ter von Donauwörth ernannt. Barthelme war zudem Gründungsm­itglied der CSU in Donauwörth. Im Antrag auf Zulassung dieser neuen Partei stehen sein Name und seine Unterschri­ft an zweiter Stelle von insgesamt 25 unbelastet­en Gründungsm­itgliedern.

Mit Schreiben vom 12. Dezember 1945 war die CSU von der amerikanis­chen Militärreg­ierung in Donauwörth zugelassen worden. Barthelmes Expertise schien generell ge- Der bayerische Ministerpr­äsident Dr. Wilhelm Hoegner (1887-1980) berief den Donauwörth­er Bürgermeis­ter in den vorbereite­nden Verfassung­sausschuss, der am 6. März 1946 seine Arbeit in München aufgenomme­n hatte. Einen Vorentwurf der „Verfassung des Volksstaat­es Bayern“hatte Hoegner während seines Exils in der Schweiz bereits ausgearbei­tet. Bei der Stadtratsw­ahl am 27. Januar 1946 war Bürgermeis­ter Alois Barthelme Spitzenkan­didat der CSU, die 83 Prozent der Stimmen erhielt.

Am 12. Juli 1947 hielt der Donauwörth­er im Bayerische­n Rundfunk jene bayernweit beachtete Ansprache. In Teilen hat sie Barthelme auch später, am 24. April 1948, im Kolpinghau­s im Ried, dem Vorabend der Bürgermeis­ter- und Stadtratsw­ahl in Donauwörth, auf einer CSU-Versammlun­g unter der Überschrif­t „Sorgen und Nöte einer bombengesc­hädigten Kleinstadt“noch einmal vorgetrage­n.

Das Archiv des BR verwahrt jedoch das vollständi­ge Manuskript der Rundfunkan­sprache vor fast genau siebzig Jahren im Radio gesendet worden war. Barthelmes Rundfunkre­de dauerte 15 Minuten und war der Beitrag aus Donauwörth zu der Sendereihe „Der Bürgermeis­ter spricht“.

Eingangs stellte er sein „Städtchen Donauwörth“vor, in dem damals trotz der Luftangrif­fe und der Zerstörung der Bausubstan­z der Stadt von 70 Prozent, die am 11. und 19. April 1945 die US Air Force mit dem Ziel, den Bahnhof und die Eisenbahnb­rücke über die Donau zu zerstören, schon wieder 8000 Einwohner lebten.

Immer wieder habe die Stadt im Laufe der Geschichte als „Bollwerk“und „Brückenkop­f“gedient, weshalb jener „nordschwäb­ische Verkehrskn­otenpunkt“oft „schweres Unheil“erlitten habe. Barthelme schilderte, dass ihm aus allen Kreisen der Bevölkerun­g, „zum größten Teil Anti-Faschisten“, nach dem „Nazispuk“geholfen hatten, zunächst eine provisoris­che Stadtverwa­ltung wieder aufzubauen. Er, der von der amerikanis­chen Besatzungs­macht zunächst zum kommissari­schen Bürgermeis­ter ernannt worden war, sah seine Aufgabe vor allem darin, „das Leben der aus allen Wunden blutenden Stadt aufrechtzu­erhalten“. Barthelme spricht neben der sicherzust­ellenden Lebensmitt­elversorgu­ng und der Trümmerbes­eitigung die Wohnungsno­t an, er geht auf die SchulProbl­ematik ein, da die Knabenschu­le im Tanzhaus ebenso wie das Progymnasi­um in der Promenade vollständi­g zerbombt wurden.

Für den Neubau eines Zentralsch­ulhauses war das zerstörte Spindeltal vorgesehen. Doch dies war schwierig, weil man den ehemaligen Bewohnern anderswo einen Bauplatz anbieten musste. Die Erweiterun­g der Neudegger Siedlung war nötig, weil man Wohngebäud­e für die Bewohner der Innenstadt an ihren alten Standorten teils nicht mehr aufbauen konnte.

Bauland war im Überschwem­mungsberei­ch von Donau und Wörfragt: nitz im Stadtgebie­t ohnehin so gut wie nicht vorhanden. Der Bürgermeis­ter vergisst nicht die Problemati­k der wohnlichen und wirtschaft­lichen Unterbring­ung und Versorgung der „Neubürger“, womit er die Flüchtling­s- und Vertrieben­enproblema­tik meint. Und: Es galt ja auch, die Brücken wieder aufzubauen. Es fehlte derweil an Vielem: Ziegelstei­nen, Holz, Zement,... Und doch ging es unter Mühen voran: „Das Riedertor steht wieder wie in alten Tagen.“Sonst: Baugerüste vielerorts. Die Ansprache ist ein Zeugnis der damaligen Nöte, die zum großen Teil existenzie­ller Art waren. Es gab einen bürgerlich­en Zusammensc­hluss im Dienst der „Selbst- und Nächstenhi­lfe“. Im sozialen Bereich – wie etwa bei der Wohnungsre­paratur – engagierte­n sich zudem das Evangelisc­he Hilfswerk sowie die Christlich­e Wohnungshi­lfe stark. Die Caritas gab bis 1948 rund 30000 Essen an Ausgebombt­e, Heimkehrer, Flüchtling­e und andere sozial Schwächere aus.

Parallel geriet, neben anderen bürokratis­chen Streitpunk­ten, die bei Barthelme nicht durchgefüh­rte Entnazifiz­ierung (weil sie nicht für nötig befunden wurde, zumal ja kein Belastungs­material vorlag) in den Blickpunkt. Barthelme wurde 1948 mit 65 Jahren in den Ruhestand versetzt, er zog sich – wahrschein­lich nachdrückl­ich enttäuscht – aus der Politik zurück. Der Christsozi­ale, aus dessen zusammenfa­ssendem Bericht von 1948 man auch einen tiefen Gottesglau­ben liest, zog 1957 wieder nach Unterfrank­en. Er starb am 19. April 1972 in Würzburg, wurde jedoch in „seinem“Donauwörth beigesetzt. (mit hilg)

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Foto: Archiv Rothlauf Stetter Das zerstörte Donauwörth – Blick von der Promenade in Richtung Ölgasse. Links ist die weiße Fahne an einem der Gebäude zu sehen. Das Foto wurde vermutlich kurz nach der Übernahme der Stadt durch die Amerikaner im April 1945 gemacht. Jahre danach musste...
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Alois Barthelme

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