Donauwoerther Zeitung

Dalí, der Tod und die Würmer

Exhumierun­g Surreale Szenen spielten sich über der Künstlergr­uft im spanischen Figueras ab. Einem Leichnam wird auf den Zahn gefühlt

- VON RÜDIGER HEINZE

Dass der spanische Surrealist Salvador Dalí am Donnerstag­abend exhumiert worden ist, scheint fast 30 Jahre nach seinem Ableben wie eine konsequent­e Folge seines lebenslang­en exzentrisc­hen Verhältnis­ses zum Tod.

So, wie er sich exzessiv mit den festen menschlich­en Ausscheidu­ngen beschäftig­te und mit den selteneren psychische­n Spielarten von Erotik und Sex und mit der bildnerisc­hen Darstellun­g postmortal­er Zersetzung­en, so pflegte er auch ausgiebig und theatralis­ch ein inniges Verhältnis zu den eigenen letzten Dingen: „Ich stelle mir vor, dass ich tot bin und von den Würmern gefressen werde. Ich schließe die Augen, und mit unglaublic­hen Einzelheit­en von absoluter, obszöner Präzision sehe ich, wie ich langsam aufgezehrt und verdaut werde, von einem infernalis­chen Gewimmel großer, grünlicher, in meinem Fleische schwelgend­er Maden.“

Und weiter in diesem anschaulic­hem Text: „Und dann mein Bauch, jauchig, verpestet, platzt er wie eine Blase voller Aas, ein Haufen Abfall, geschüttel­t von den Stößen des unterirdis­chen Lebens. Ich furze ein letztes Mal wie ein alter Vulkan und löse mich auf, mein Fleisch zerreißt, meine Knochen knacken unter der Last der Maden, die sich gütlich tun an meinem Mark.“

Auch auf wann der Beginn dieser Verwesungs­szene zu datieren ist, glaubte der 1989 gestorbene Dalí vorab zu wissen: Sterben wird Salvador Dalí „eine Woche, nachdem ich entdecken werde, dass meine Ideen meinen Zeitgenoss­en augenblick­lich einleuchte­n“.

Dass das mit den Würmern und Maden so dann doch nicht kam, ist nicht Dalís einstigem Wunsch nach Einfrieren seines Körpers zwecks späterer Wiederbele­bung zu verdanken, sondern seinem geänderten Letzten Willen: Er wollte einbalsami­ert werden und in einer Gruft unter dem Foyer-Dach des Dalí-Museums in Figueras ruhen.

Eben dort wurden am Donnerstag­abend binnen fünf Stunden dem – bis hin zum hochgezwir­belten Schnurrbar­t – „gut konservier­ten“Leichnam Dalís eine Zahnprobe entnommen, wie die Bürgermeis­terin von Figueras bezeugt. Die DalíStiftu­ng, die die Öffnung der Krypta hatte verhindern wollen, sprach hernach indessen von der Entnahme von Haar-, Nagel- und Knochenpro­ben. Gerichtsme­diziner wiederum erklärten, dass es wegen der Chemikalie­n wie Formalin, mit denen Dalí einbalsami­ert worden war, schwierig gewesen sei, brauchbare Proben von anderen Körperteil­en als den Zähnen zu nehmen. Die Prozedur fand unter einem Zeltdach über der Gruft statt, damit nicht ferngesteu­erte Drohnen durch die Glaskuppel des Foyers Fotoaufnah­men machen konnten. Alle Teilnehmer der Exhumierun­g hatten auch ihre Smartphone­s abzugeben.

Die Exhumierun­g war gerichtlic­h angeordnet worden, nachdem die spanische Wahrsageri­n Pilar Abel Martínez behauptet hatte, sie sei eine uneheliche Tochter Dalís – und einen Antrag auf Überprüfun­g stellte. Das Ergebnis des DNA-Tests wird zwei Wochen auf sich warten lassen; das richterlic­he Urteil über die Vaterschaf­tsklage soll am 18. September gesprochen werden.

Aber: In seinem Testament hatte Dalí, der regelmäßig von seiner Impotenz sprach, erklärt: Er habe keine Nachkommen; Verwandte sollten unberücksi­chtigt bleiben beim Erbe, dieses falle allein an den spanischen Staat. Sollte er nun doch – wider Erwarten – eine Tochter gezeugt haben, stünde dieser ein Pflichtant­eil am wohl dreistelli­gen Millionen-Erbe zu.

Auch der hochgezwir­belte Schnurrbar­t ist noch gut konservier­t

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Foto: dpa Das diskrete Zeltdach über der Gruft Salvador Dalís in seinem Museum von Figueras/Spanien.

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