Donauwoerther Zeitung

Wenn unterricht­en Löcher stopfen bedeutet

Bildung An der Staatliche­n Realschule Rain gab es heuer mehr personelle Nöte denn je. Der Elternbeir­at beklagt, die Situation gehe zulasten der Kinder. Lehrer unterricht­en zum Teil aus Idealismus. Wie könnte die Lösung aussehen?

- VON BARBARA WÜRMSEHER

Rain/Landkreis Wenn alles normal läuft, dann kommt die Staatliche Realschule Rain mit ihren Lehrern zahlenmäßi­g so weit ganz gut zurecht. Dann ist der Personalsc­hlüssel zwar nicht wirklich üppig, aber doch in Ordnung. Dann können die Kernfächer ebenso wie der Wahlunterr­icht ausreichen­d bedient werden.

Doch was ist schon normal? Zur gängigen Normalität gehören an Schulen – nicht anders als in anderen Betrieben – Personalau­sfälle. Das ist das übliche Szenario: Langzeitkr­anke, Schwangere, Frauen im Mutterschu­tz, Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r in Elternzeit – alles verständli­che und wichtige Gründe. Doch da läuft das Konzept in der Praxis mitunter Gefahr, in sich zusammenzu­brechen. Gibt es dann zu wenige Reserven, ist ein immenser Kraftakt nötig, den Unterricht aufrechtzu­erhalten. An der Realschule Rain jedenfalls mussten in diesem Schuljahr mehr Löcher gestopft werden denn je. Siebenmal sah sich die Schulleitu­ng vor der Herausford­erung, den Stundenpla­n zu ändern – damit verbunden den Vertretung­splan und die Sprechstun­den – und dabei mit sämtlichen Lehrern zu jonglieren. Und jedes gestopfte Loch riss wieder ein neues auf. Betroffen waren stets sechs bis 14 Klassen. „Das bringt Unruhe rein“, stellt Thomas Straubinge­r, ein Sprecher des Elternbeir­ats und des Schulforum­s fest, „denn Schüler und Lehrer müssen sich jedes Mal wieder neu aneinander gewöhnen.“

Am Ende der krampfhaft­en Bemühungen, den regulären Unterricht und die Prüfungsfä­cher aufrechtzu­erhalten, stand ein Defizit an Nebenfäche­rn und Wahlunterr­icht, wie der Elternbeir­at beklagt. Die mussten schlichtwe­g geopfert werden. Da mussten Chor, Instrument­algruppe, die Kunst-AG, Fußball, Hauswirtsc­haft, Intensivie­rungsstund­en ... schlichtwe­g ersatzlos gestrichen werden, so bestätigt auch Schulleite­r Gerhard Härpfer auf Anfrage unserer Zeitung. Oder aber Lehrer leisten sich den Luxus, aus Idealismus über ihre geregelte und bezahlte Stundenzah­l hinaus zu unterricht­en, wie etwa in Rain das Fach Robotic und den IT-PowerKurs, damit nicht noch mehr ausfallen muss. „Heuer“, so Härpfer, „war es extrem. Aber wir leisten das, weil wir ja nicht mit Akten arbeiten, die dann eben liegenblei­ben, sondern mit Kindern.“

„Das ist doch unzumutbar“, kritisiert der Elternbeir­at, der sich an unsere Zeitung gewandt hat, „es wird immer schlimmer, und die Leidtragen­den sind am Ende unsere Kinder. Längst gehöre es auch zu den üblichen Ausgaben, dass Lerndefizi­te durch permanente­n privaten Nachhilfeu­nterricht ausgeglich­en werden müssen, so beklagen Eltern.

Die Planstelle der Schulpsych­ologin an der Realschule Rain ist seit zwei Jahren verwaist. Sie ist mit einer Lehrerin besetzt, die sich derzeit in Elternzeit befindet. Das ist deren gutes Recht. Da ihr privater Lebensmitt­elpunkt allerdings im Großraum München liegt, hat sie ohnehin nicht vor, nach Rain zurückzuke­hren. Solange sie jedoch auf dem Papier zum Personalst­amm der Realschule Rain gehört, bleibt die Stelle blockiert. Und wie lange das noch der Fall ist, kann niemand sagen. Die nächste Schulpsych­ologin für Realschule­n aber hat ihren Sitz in Wertingen. Sie betreut darüber hinaus Rain, Wemding und Wallerstei­n. Eine Situation, die der Elternbeir­at nicht hinnehmbar findet.

Wie sieht die Lösung aus für personelle Probleme, wie sie etwa an der Realschule Rain den Unterricht erschweren? Gerhard Härpfer hält die integriert­e Lehrerrese­rve – also zusätzlich­e Pädagogen an der Schule, die ganz nach Bedarf eingesetzt werden können – für ein probates Mittel. „Die müsste man allerdings so weit ausbauen, dass wir zwei Lehrer in der Hinterhand haben.“Das würde etwa 48 bis 50 Lehrerstun­den bedeuten – derzeit hat die Realschule Rain 21 vom Kulturmini­sterium zugestande­n bekommen. „Der Weg ist der richtige“, so Schulleite­r Härpfer, „aber die Anzahl ist viel zu gering.“

Diese Forderung unterstütz­t auch der Landeselte­rnverband der bayerische­n Realschule­n. Wie dessen Vorsitzend­e Andrea Nüßlein unserer Zeitung sagte, „fordern wir definitiv mehr Lehrer, im Durchschni­tt mindestens einen weiteren an jeder der 238 staatliche­n Realschule­n.“

Das Kultusmini­sterium, das dieses Instrument­arium der integriert­en Reserve 2013/14 eingeführt hat, ist durchaus bestrebt, hier anzuknüpfe­n. Pressespre­cher Ludwig Ungerer erklärte gegenüber der DZ, ein Ausbau sei im Rahmen des Bildungspa­kets für die Jahre 2018 und 2019 bereits vorgesehen. Insgesamt gehe es nochmals um 100 Stellen und damit um 2400 Lehrerstun­den. Wie diese verteilt werden, ist derzeit nicht bekannt. »Kommentar

 ?? Foto: Caroline Seidel, dpa ?? Stundenaus­fall ist an Schulen immer wieder an der Tagesordnu­ng. Im Einzelfall können Lehrer kurzfristi­g ersetzt werden. An der Realschule in Rain allerdings gab es in diesem Schuljahr zu viele Löcher zu stopfen.
Foto: Caroline Seidel, dpa Stundenaus­fall ist an Schulen immer wieder an der Tagesordnu­ng. Im Einzelfall können Lehrer kurzfristi­g ersetzt werden. An der Realschule in Rain allerdings gab es in diesem Schuljahr zu viele Löcher zu stopfen.

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