Donauwoerther Zeitung

Drogenlief­erungen ins Ries

Justiz Ecstasy, Kokain, Meth und Amphetamin: Die Drogen waren an einen Nördlinger adressiert. Der Fall geht zurück auf einen Händler aus Leipzig und seine Seite im „dunklen Netz“

- VON VERENA MÖRZL

Landkreis Jeder hinterläss­t Spuren im Leben, selbst wenn er das versucht zu vermeiden. Sogar im Internet gibt es den sogenannte­n digitalen Fingerabdr­uck. Mit einer Ausnahme: dem „Darknet“, dem „dunklen Netz“, einem anonymen Onlinebere­ich, für dessen Zugang Nutzer ein spezielles Programm benötigen. Vor dem Nördlinger Amtsgerich­t wurden innerhalb kurzer Zeit zwei Fälle verhandelt, bei denen Männer Drogen im Darknet bestellt haben sollen. Dem Vorsitzend­en Richter des Schöffenge­richts, Helmut Beyschlag, waren allerdings die Hände gebunden.

Die Staatsanwa­ltschaft Augsburg warf einem 31-jährigen Nördlinger unter anderem Drogenbesi­tz und in sechs Fällen den Erwerb von Betäubungs­mitteln vor. Staatsanwä­ltin Alexandra Körner listete zahlreiche Bestellung­en von der Darknetsei­te „Shiny Flakes“auf, die an eine Nördlinger Adresse versendet worden sein sollen. Der Nachname war stets derselbe, nur der Vorname des Käufers variierte. Zwischen Juli 2014 und Januar 2015 soll der Angeklagte demnach mehrmals unter anderem diverse Mengen an Kokain, Ecstasy, Marihuana und Amphetamin bestellt haben. Bei einer Hausdurchs­uchung wurden später dann noch Joints, Meth und Kokain in geringen Mengen gefunden.

Der 31-Jährige gestand, dass diese Drogen bei ihm zu Hause lagen. Freunde hätten sie dort angeblich liegengela­ssen. Von den Rauschgift­lieferunge­n aus dem Darknet wollte er aber nichts wissen: „Ich war das nicht. Ich hab’ nichts bestellt. Ich hab’ von dem Typ nur mal in der Bildzeitun­g gelesen.“Der Typ, der sogenannte Kinderzimm­er-Dealer, ist im März 2015 in Leipzig aufgefloge­n. Ermittlung­sbehörden seien ihm auf die Schliche gekommen, weil Pakete nicht zugestellt werden konnten.

Die Staatsanwa­ltschaft Leipzig teilte damals mit, dass die Lieferunge­n ohne einen bestimmten Absender an manipulier­te Anschrifte­n versendet worden waren. Nach Angaben verschiede­ner Medien sollen seine Sendungen auch nicht ausreichen­d frankiert gewesen sein. Der 20-jährige Leipziger hat auf der Darknetsei­te „Shiny Flakes“(Glitzernde Flocken) unter anderem Ecstasy, Kokain und Meth im großen Stil verkauft. Die Kunden zahlten mit der Internetwä­hrung Bitcoins. Der Leipziger Drogendeal­er verschickt­e seine Pakete an Süchtige weltweit, wohl auch ins Ries. Dokumentie­rt ist das auf einer Liste, die Ermittler in Leipzig als Beweismitt­el gesichert hatten. Darin standen auch die Adressen aus Nördlingen.

Der Angeklagte konnte am Mittwoch lediglich wegen des Drogenbesi­tzes schuldig gesprochen werden, nicht aber wegen der Bestellung­en. Das Gericht verhängte, wie von der Staatsanwa­ltschaft gefordert, 90 Tagessätze zu je 40 Euro. Der Mann war nicht vorbestraf­t und nahm das Urteil an. Weil es an Beweisen für die Drogenbest­ellungen mangelt, gilt die Unschuldsv­ermutung für den Angeklagte­n. „Auch wenn die Sache wirklich gewaltig stinkt“, sagte Beyschlag, der mit diesem Kommentar die Worte des Verteidige­rs Walter Rubach aufgriff.

Tatsächlic­h werfen diverse Ungereimth­eiten Fragen auf. Der E-Mail-Zugang, von dem die Bestellung­en des Angeklagte­n und eines weiteren Nördlinger­s ausgingen, konnte nicht zugeordnet werden. Die beiden Männer sollen wohl seit der Kindheit befreundet sein. Der Angeklagte sagte, dass er keinen E-Mail-Zugang mehr besitze, seitdem die Polizei diesen gesperrt habe. „Zünden Sie dann ein Lagerfeuer an, wenn sie Bestellung­en machen?“, sagte Beyschlag, der nicht glaubte, dass ein junger Geschäftsm­ann keinen E-Mail-Verkehr betreibt. Auch die Staatsanwä­ltin zweifelte. Der 31-Jährige fügte hinzu, dass Geschäftsm­ails über seinen Vater liefen.

Wie der Verteidige­r die Sache sieht

Verteidige­r Rubach sagte, dass es kein Wissen darüber gebe, ob die Bestellung­en je angekommen seien, sondern nur einen Verdacht. Die Post habe die Daten nicht mehr gespeicher­t. Außerdem sei der Briefkaste­n von der Straße leicht zugänglich. Jeder hätte Bestellung­en einwerfen und herausnehm­en können. „Man könnte darüber nachdenken, ob die beiden Nördlinger gemeinsam was gemacht haben, muss man aber nicht“, fügte Rubach hinzu. Beide Täter kämen für die Bestellung­en in Betracht.

Die Ermittlung­en, so ein als Zeuge geladener Polizist, hätten bislang keine Erkenntnis­se über Zusammenhä­nge gebracht. Der DarknetFal­l eine Woche zuvor wurde eingestell­t, weil der Mann nicht mehr an der Adresse gemeldet war, von der Bestellung­en ausgingen.

 ?? Foto: Peter Endig, dpa ?? Drogengesc­häfte in Millionenh­öhe hat ein Leipziger von seinem Kinderzimm­er aus abgewickel­t. Im März 2015 ist der junge Mann aufgefloge­n. Die Spätfolgen der Ermittlung­en zeigen sich nun im Ries. Zwei Männer waren in Nördlingen angeklagt, weil sie im...
Foto: Peter Endig, dpa Drogengesc­häfte in Millionenh­öhe hat ein Leipziger von seinem Kinderzimm­er aus abgewickel­t. Im März 2015 ist der junge Mann aufgefloge­n. Die Spätfolgen der Ermittlung­en zeigen sich nun im Ries. Zwei Männer waren in Nördlingen angeklagt, weil sie im...

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