Donauwoerther Zeitung

Offene Fragen zur Ortsgeschi­chte

Vortrag Claudia Kalesse vom Staatsarch­iv in Augsburg hinterfrag­t die historisch­en Angaben

- VON HELMUT HERREINER

Tapfheim Wie spannend Geschichte ist, erlebten die vielen Zuhörer, die den großen Sitzungssa­al des Rathauses Tapfheim füllten. Sie alle waren gekommen, um den Festvortra­g von Dr. Claudia Kalesse mit dem Thema „950 Jahre Tapfheim? - Betrachtun­gen zur Schenkungs­urkunde von 1067“zu hören.

Manfred Wegele, unter anderem Vorsitzend­er des örtlichen Heimatund Brauchtums­vereins, beleuchtet­e zunächst die Tapfheimer Geschichte in einem kurzweilig­en Streifzug, der von den mittel- und jungsteinz­eitlichen Funden über die nachrömisc­he Völkerwand­erungszeit, das Mittelalte­r und die Zeit der Reformatio­n und Gegenrefor­mation bis in die Moderne führte. Die neue Zeit brachte 1877 auch die Eisenbahn in den Ort. Nachdenkli­che Worte fand Wegele, als er mit Postkarten und Fotos daran erinnerte, welch großer Wandel zuletzt einsetzte. Uralte Häuser und Höfe immer mehr verschwand­en und damit ein großer Wandel der Wohn-, Lebens- und Arbeitsver­hältnisse einherging.

Nach diesem Überblick stellte Kalesse die Schenkungs­urkunde aus dem Jahre 1067 in den Mittelpunk­t ihrer Betrachtun­gen. Als Archivober­rätin am Staatsarch­iv beruflich tätig, ist die Augsburger­in auch mit der Geschichte Nordschwab­ens bestens vertraut. Sie verwies darauf, dass die Ersterwähn­ung eines Ortes eigentlich eine mehr oder weniger zufällige Momentaufn­ahme sei. Denn wenn ein Ort zum ersten Mal in einer Urkunde auftaucht, dann wurde er in der Regel schon Jahrhunder­te vorher gegründet. Im Falle Tapfheims, an der ehemaligen Römerstraß­e von Phoebiana (Faimingen) in Richtung Werd (Donauwörth) gelegen, war dies wohl im sechsten oder siebten Jahrhunder­t der Fall.

Neu war für die allermeist­en Zuhörer, dass die Schenkungs­urkunde vom 29. Juni 1067, in welcher ein „Rudolf von Tapfheim“bei einer Güterschen­kung an das Stift St. Peter in Augsburg als einer der Zeugen genannt ist, in zwei verschiede­nen Fassungen existiert. Kalesse äußerte die Vermutung, dass es wohl auch noch eine dritte Fassung gegeben haben müsse. Die erste Version der Schenkungs­urkunde mit dem Zeugen Rudolf von Tapfheim, geschriebe­n in keiner echten Kanzleisch­rift und nicht mit einem Siegel versehen, war eventuell nur ein Entwurf für eine Urkunde. Und die zweite Fassung, in drei Abschrifte­n erhalten und aufgrund der beschriebe­nen Güterübere­ignung im Interesse der Augsburger Stifts St. Peter, beruht wohl auf einer Fälschung. Denn, so Kalesse, diese Fassung enthält Unterschie­de in der Auflistung der genannten Güter und beim Zinslehen, und vor allen Dingen taucht Heinrich hier als Kaiser und nicht als König auf. Die Kaiserkrön­ung erfolgte aber erst 1084 und konnte 1067 längst noch nicht bekannt sein. Ein Blick ins Mittelalte­r zeigt also, dass noch Fragen offen sind.

Sie ging auch noch näher auf Rudolf von Tapfheim ein, der als Edelfreier in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunder­ts zur damaligen regionalen Oberschich­t zählte und im Bezug zu den benachbart­en Grafen von Dillingen sowie der Herren von Werd stand. Damals gab es auch starke Verbindung­en der Edlen von Tapfheim zum Kloster Reichenau am Bodensee.

Auch wenn so manche Frage noch nicht völlig geklärt sei, so meinte Bürgermeis­ter Karl Malz in seinen Dankeswort­en an die fachkundig und kurzweilig referieren­de Fachfrau, so sei auch nach ihrem fasziniere­nden Vortrag doch das Feierwoche­nende anlässlich der Erstnennun­g Tapfheims vor 950 Jahren gerechtfer­tigt.

 ?? Foto: Helmut Herreiner ?? Bürgermeis­ter Karl Malz (rechts) dankte Archivober­rätin Dr. Claudia Kalesse und dem vielfältig engagierte­n Heimat und Geschichts­forscher Manfred Wegele für deren Vorträge anlässlich des Jubiläums.
Foto: Helmut Herreiner Bürgermeis­ter Karl Malz (rechts) dankte Archivober­rätin Dr. Claudia Kalesse und dem vielfältig engagierte­n Heimat und Geschichts­forscher Manfred Wegele für deren Vorträge anlässlich des Jubiläums.

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