Der Schöpfer und sein Eigentum
Debatte Das Urheberrecht muss dringend an die Erfordernisse der Internetgesellschaft angepasst werden – und stößt sich an einem Interessenkonflikt, der in der Natur der Sache liegt
Es gibt da diese schöne Geschichte über den jungen Michelangelo, der – als er hörte, dass seine römische Pietà einem anderen Künstler zugeschrieben wurde – angeblich nächtens zu Hammer und Meißel gegriffen haben soll, um seinen Namen auf der Skulptur zu verewigen. Das ist natürlich eine Legende, fest steht aber: Der Schriftzug MICHEL.A[N]GELVS BONAROTVS FLORENT[INVS] FACIEBA[T]. (Michelangelo Buonarroti aus Florenz hat dies angefertigt.) ist so etwas wie ein früher Urhebernachweis. Und das passt sehr gut in die Zeit, traten ab der Renaissance (und im Gegensatz zum Mittelalter, wo man sich eher als anonymer Handwerker verstand) Künstler überhaupt erst als schöpferische Individuen, als selbstbewusste, kreative Urheber ihrer Werke in Erscheinung. Das ist bis heute so, und doch ist heute alles anders. Vielleicht nicht gerade im Falle einer Skulptur, die man ja nicht so einfach per Facebook teilen kann, so doch aber bei Fotos, Fotos von Gemälden, Musik und vor allem Texten, die in digitalen Zeiten allzu leicht und mit einem einzigen Klick kopiert und verbreitet werden können – von Plattformen wie Google ganz zu schweigen, die mit der Auflistung fremder Inhalte viel, viel Geld verdienen.
Das Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Recht am Werk
Das hat zuletzt auch die Politik auf den Plan gerufen, einmal auf europäischer (siehe Interview), einmal auf nationaler Ebene, wo kurz vor der Sommerpause noch schnell ein entsprechendes Gesetz verabschiedet wurde. Vorausgegangen war ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkter Streit um einzelne Passagen, die – ohne in ermüdende Details gehen zu wollen – beispielsweise Presse- und Wissenschaftsverlage durch eine weitgehende Freigabe von deren Inhalten (samt pauschaler Entschädigung nach dem Gießkannenprinzip) stark in Bedrängnis gebracht hätten. Die Folge: Das Gesetz wurde erst einmal entschärft und überdies auf fünf Jahre begrenzt, danach soll evaluiert werden, wie das so schön heißt.
Der Hintergrund der Auseinandersetzung ist dabei ein Spannungsfeld, in dem künstlerische und intellektuelle Leistungen per Definition seit je angesiedelt sind – das zwischen Öffentlichkeit (eine Pietà will ja beispielsweise auch bewundert, ein Text gelesen werden) und dem Recht des Künstlers oder Autors am eigenen Werk (auch ein Michelangelo braucht schließlich genauso was zu essen wie ein ganz normaler Journalist). Dieses Dilemma brachte angesichts der von ihm angestoßenen, ersten internationalen Urheberrechtsregelung, nämlich der Berner Übereinkunft aus dem Jahr 1886, der Schriftsteller Victor Hugo auf den Punkt: „Das Buch als Buch gehört dem Autor, aber als Gedanke gehört es – der Begriff ist keinestonnenschweren wegs zu mächtig – der Menschheit. Jeder denkende Mensch hat ein Recht darauf.“Zwei Rechte kollidieren da also, und es allen recht zu machen ist so besehen fast nicht möglich. Immerhin herrschte aber die letzten Jahrzehnte ein beide Seiten befriedigender Kompromiss – bis der Interessenkonflikt in der globalen Internetgesellschaft erst richtig ausbrach. Und immer noch einer Lösung harrt.
Denn es hört sich ja auch erst einmal ziemlich schick und edel an, freien Zugang zum Weltwissen, die Teilhabe an Inhalten für jedermann zu fordern (und ansonsten Diskriminierung und Zensur zu brüllen). So langsam dämmert es aber auch, dass diese Inhalte irgendwoher kommen müssen. Dass es nicht reicht, wenn irgendjemand irgendwas irgendwo hochladen kann. Dass Qualität bestimmte Bedingungen braucht, um überhaupt entstehen zu können. Weil: ein Block noch so feinsten Marmors bleibt ansonsten auch nur – ein Block Marmor.