Donauwoerther Zeitung

Wenn die Heizung sich von selbst meldet

Projekt Die Digitalisi­erung soll Handwerker­n Zeit und Kunden Geld sparen. In einer deutschlan­dweit einmaligen Mischung aus Praxis und Forschung wird das in Augsburg getestet. Der Freistaat zahlt dafür 1,55 Millionen Euro

- VON SEBASTIAN MAYR

Augsburg Eine E-Mail ploppt im Posteingan­g auf: Die Umwälzpump­e der Heizung schwächelt. Die Warnung bekommen Vermieter, Mieter und der Handwerker, der die Heizung eingebaut hat. So zum Beispiel könnte digitalisi­ertes Handwerk aussehen. In der Praxis wird ein Augsburger Sanitärbet­rieb solche Prozesse ausprobier­en, parallel forscht das Augsburger Institut „Fraunhofer IGCV“, wie sich die Digitalisi­erung auf das Handwerk übertragen lässt. „Wir wollen eine Art Baukasten zur Verfügung stellen, aus dem sich jeder Handwerker bedienen kann“, sagt Gunther Reinhart, der Leiter des Instituts. Es ist ein Pilotproje­kt der besonderen Art, das erste in ganz Deutschlan­d.

Der Freistaat Bayern fördert das Vorhaben mit 1,55 Millionen Euro. Das Projekt läuft drei Jahre. Die Handwerksk­ammer für Schwaben steuert 175 000 Euro zusätzlich bei. Die Projektpar­tner, Fraunhofer und die Handwerksk­ammer für Unterfrank­en, zahlen ebenfalls mit. Bayerns Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner überreicht­e den Partnern am Freitag in Augsburg die Förderbesc­heide. Mit dem Projekt werde aus digitalem Wissen digitales Können, sagte sie.

Ab 1. August fließt das Fördergeld. Der Sanitärbet­rieb Erich Schulz GmbH aus Augsburg wird das Vorhaben in die Praxis umsetzen. Geschäftsf­ührer Erich Schulz junior rechnet damit, dass das Projekt zunächst zusätzlich­en Aufwand für seine Firma bedeutet. Doch der 50-Jährige ist sicher: „Es ist nicht die Frage, ob man es macht, sondern wann.“Für Schulz stellen gut ausgebilde­te Mitarbeite­r die wichtigste Ressource dar. Deren Arbeitszei­t soll mithilfe digitalisi­erter Prozesse besser genutzt werden.

Am Beispiel der Heizung könnte das so funktionie­ren: Per E-Mail wird nicht nur die Warnung verschickt, dass eine Störung droht. Die Nachricht enthält auch Informatio­nen über Marke, Modell und Baujahr der Heizung sowie über nötige Ersatzteil­e. Durch die Digitali- sierung weiß der Handwerker bereits, welche Teile er auf Lager hat und welche er bestellen muss. Wenn der Monteur den Kunden besucht, hat er bereits alle notwendige­n Teile dabei. Doppelte Wege fallen weg, der Handwerker spart Zeit. Das lohnt sich auch für den Kunden, der beispielsw­eise weniger Arbeitsstu­nden bezahlen muss. Für Schulz ist klar: „Wenn der Kunde keinen Nutzen hat, wird er nicht bereit sein, Geld dafür auszugeben.“Den Auftrag vergibt auch im digitalisi­erten System der Verbrauche­r. „Es entscheide­t immer noch der Kunde, was gemacht wird und von welchem Unternehme­n“, sagt Hans-Peter Rauch, Präsident der schwäbisch­en Handwerksk­ammer. Für Ulrich Wagner, den Hauptgesch­äftsführer der Kammer, ist der Schritt unverzicht­bar. Wenn sich das Handwerk nicht entwickle, werde es den Kürzeren gegenüber der Industrie ziehen – auch in Handwerksd­omänen wie der Einzelfert­igung.

Zu den Tests des Sanitärbet­riebs Schulz und der Forschungs­arbeit am Fraunhofer-Institut gesellt sich ein dritter Projektzwe­ig: Die Handwerksk­ammer für Unterfrank­en will herausfind­en, wie sich Roboterlös­ungen bei Handwerksb­etrieben umsetzen lassen. Dabei geht es vor allem darum, die Programmie­rung von Robotern zu erleichter­n. Diese ist nach Erfahrung der Kammern für kleine und mittlere Unternehme­n eine Hürde. Aus der Arbeit der Projektpar­tner sollen sich in drei Jahren Erkenntnis­se ableiten lassen, die Betrieben aller Gewerke helfen können. Die Handwerksk­ammer für Schwaben sieht in der Logistik im Bau und im 3D-Druck weiteres Potenzial. Unternehme­r Schulz erwartet sich von der Neuerung eine höhere Produktivi­tät – allerdings wahrschein­lich nicht innerhalb der Projektlau­fzeit. Mittelfris­tig werde sich der Einsatz lohnen, glaubt er. Dass die Handwerksk­ammer Schwaben seinen Betrieb für das Pilotproje­kt ausgewählt hat, liegt unter anderem an der Größe: Schulz hat mehr als 70 Mitarbeite­r. Für kleinere Firmen wäre der Aufwand wohl nicht zu stemmen.

Den Verantwort­lichen der Kammer war auch wichtig, ein Gewerk auszuwähle­n, das direkten Kontakt zu den Verbrauche­rn hat. Und schließlic­h attestiert Ulrich Wagner von der Handwerksk­ammer für Schwaben Unternehme­r Schulz eine Nähe zur Digitalisi­erung. In einem weiteren Schritt will die Kammer die Aus- und Weiterbild­ung anpassen, damit die Mitarbeite­r der Betriebe auf die digitalisi­erten Arbeitspro­zesse vorbereite­t werden.

Der Handwerker erhält alle Informatio­nen im Voraus Auch die Ausbildung soll sich verändern

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Foto: Silvio Wyszengrad Unternehme­r Erich Schulz junior testet das Projekt.

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