Flächenfraß contra Wohnbedarf
Stadtrat Mit dem Flächennutzungsplan sowie den Bebauungsplänen „Unterer Kirschbaumweg“und „Neuburger Straße Süd“geht es zügig voran. Doch sieht sich die Stadt Rain in der Kritik, weil sie große neue Flächen überplant
Rain Die Stadt Rain befindet sich mitten im Prozess dreier großer, wegweisender Schritte, die die Weichen für die Entwicklung langfristig stellen und das Gesicht der Stadt verändern werden. Einmal geht es um den Flächennutzungsplan mit integriertem Landschaftsplan, der die grundlegende Zielrichtung festlegt, wohin sich das komplette Stadtgebiet – einschließlich der Ortsteile – in den kommenden 20 Jahren entwickeln soll. Zum anderen befinden sich die beiden Bebauungspläne für das Wohngebiet „Unterer Kirschbaumweg“und für das angrenzende Mischgebiet „Neuburger Straße Süd“in Rain in einem fortgeschrittenen Stadium. Für den „Unteren Kirschbaumweg“hat der Stadtrat am Dienstag die Satzung beschlossen; für das Mischgebiet findet erneut eine – verkürzte – öffentliche Auslegung statt.
Politisches Gremium, Verwaltung und das beauftragte Planungsbüro sind der Überzeugung, dass alle drei Dokumente inhaltlich wohldurchdacht sind und den Bedürfnissen Rains und seiner Bevölkerung Rechnung tragen. „Die Planung ist sehr zurückhaltend“, kommentierte Bürgermeister Gerhard Martin das Ausmaß der neu überplanten Flächen. Zudem habe man sich stets auch mit der Frage nach innerörtlichen Baulücken auseinandergesetzt und sei zu der Erkenntnis gekommen: „Es gibt praktisch keine, die zur Verfügung stehen!“
Hinsichtlich einer Fülle von Bodendenkmälern will die Kommune mit Augenmaß und Vorsicht agieren und auch die Belange von Naturschutz wurden teilweise berücksichtigt. Zwar können nach jetzigem Stand der Dinge noch keine Ausgleichsflächen benannt werden, doch wird der Stadtrat die Ausweisung der Sondergebietsflächen östlich der Gärtnersiedlung zugunsten des Naturschutzes reduzieren.
Dennoch sieht sich die Stadt mit allen drei aktuellen Plänen nach wie vor in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen. Das liegt in der Natur der Sache und damit steht sie nicht alleine da, denn beinahe allerorten in Bayern wird der sogenannte Flächenfraß der Kommunen angeprangert.
Die Regierung von Schwaben moniert in ihrer Stellungnahme, die Stadt Rain habe den tatsächlichen Bedarf für Wohnbauflächen, gemischte Bauflächen und Gewerbeflächen im Außenbereich gar nicht ermittelt. Das geplante Ausmaß dieser Flächen solle zugunsten innerstädtischer Verdichtung reduziert werden. Sprich: Erst sollen Baulücken aufgefüllt, ehe neue Gebiete erschlossen werden. Die Stadt soll sich ebenfalls, so verlangt die Regierung, Gedanken dazu machen, ob es nicht in der Innenstadt noch Entwicklungspotenzial für gewerbliche Bauflächen gibt.
Der Stadtrat sieht das alles anders. Er ist der Überzeugung, dass der Bedarf hinreichend feststeht. Es gibt eine lange Warteliste mit Privatpersonen/Familien, die auf Bauplätze für Einfamilienhäuser hoffen. Diese Liste ist deutlich länger als die künftig dafür zur Verfügung stehenden Grundstücke im Gebiet „Unterer Kirschbaumweg“. Die Nachfrage übersteigt das Angebot also bei Weitem. Und alternativ dazu gibt es innerorts kaum Spielraum. Wie Bürgermeister Martin sagt, ist „die innerstädtische Verdichtung zwar theoretisch möglich und auch eine dokumentierte Absicht der Stadt, aber die Eigentümer unbebauter Grundstücke haben derzeit andere Interessen, als diese zu verkaufen“.
Erst recht ist die gewerbliche Nachverdichtung innerorts – nicht nur in der Kernstadt selbst, sondern beispielsweise auch in Bayerdilling – problematisch. Entweder gehören die noch bestehenden Freiflächen bereits Unternehmen, die selbst darauf erweitern wollen, oder es kollidieren erneut unvereinbare Interessen. „Denn dann haben wir ein Problem mit dem Lärmschutz“, so Bürgermeister Martin.
Gerade im Hinblick auf Lärm und den damit verbundenen Immissionsschutz hat das Landratsamt zu den Plänen der Stadt Rain erhebliche Bedenken geäußert. Die Behörde lehnt deshalb das Mischgebiet „Neuburger Straße Süd“ab, da diese Ausweisung „den Lärmkonflikt weiter verschärft“. Ein verträgliches Nebeneinander zwischen Gewerbe und Wohnen sei nicht darstellbar. Das Landratsamt fordert, diese Fläche zu streichen und weiterhin als landwirtschaftliche Grünfläche auszuweisen.
Der Begriff „Etikettenschwindel“ist für den Bereich „Neuburger Straße Süd“schon mehrfach gefallen. Das Landratsamt erneuert diesen Vorwurf auch hinsichtlich der Gebiete „Bayerdilling Nord“, „An der Sallacher Straße“und „Steinbruck“, die nach dem Wunsch der Stadt im Flächennutzungsplan ausgewiesen werden sollen. An allen drei Punkten stoßen Wohnen und Gewerbe aneinander und das Landratsamt befürchtet, dass sich dort Siedlungen entwickeln und bestehendes Gewerbe einschränken werden. „Das ist ein ernst zu nehmender Schutzanspruch des Wohngebiets“, räumt Bürgermeister Martin ein und versichert, die Stadt werde Sorge dafür tragen, „dass dieser Fall nicht eintritt.“