Donauwoerther Zeitung

Das tragische Ende einer Aprilnacht

Justiz Ein Nördlinger schlägt einer Frau mehrmals ins Gesicht, auch mit der Faust. Sie überlebt die Schädelbrü­che, doch sie kämpft mit den Folgen. Opfer und Täter sind für das Leben gezeichnet

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen Zwei Sekunden fliegen für gewöhnlich schnell vorbei. Es sei denn, Menschen schweben in Lebensgefa­hr.

Zwei Frauen wollten vergangene­s Jahr in einer Pfäfflinge­r Disco einen schönen Abend verbringen. „Wir haben uns amüsiert. Dann bin ich auf die Toilette“, sagt Lina*, die wohl wichtigste Zeugin während des Strafproze­sses am Nördlinger Amtsgerich­t. „Als ich zurückkam, habe ich sie mit einem großen Mann auf der Tanzfläche gesehen. Ich setzte mich an den Tisch und als die Musik zu Ende war, kam auch Maria* wieder zu mir.“Die Frauen aus Nördlingen quatschten, schließlic­h setzten sich der „große Mann“und sein kleinerer Freund an den Tisch dazu. Sie stellten einige Becher hin und fragten, ob die Frauen Lust auf ein Getränk hätten. Fahrerin Lina lehnte ab. Maria nahm aber an. „Wir haben auf Bruderscha­ft ge- trunken, oder so ähnlich zumindest“, sagt die 28-Jährige weiter. Solange, bis die Bedienung den Abend wegen des Ladenschlu­sses für beendet erklärte.

Maria schildert der Vorsitzend­en Richterin Andrea Eisenbarth, dass sie den Inhalt der Becher zusammensc­hüttete, da sei ihr bei dem kleineren Mann bereits die erste aggressive Reaktion aufgefalle­n. Dann hätten die Frauen Tschüss gesagt. In ihrer nächsten Erinnerung befindet sich die zierliche und hübsche Frau auf der Intensivst­ation in Günzburg: „Piep, piep, piep, hörte ich von den Geräten, mein Gesicht war geschwolle­n, an mir eine Infusion.“

Lina, die an diesem Abend nüchtern blieb und deren Aussage Staatsanwa­lt Christian Peikert, die Richterin, der Nebenkläge­rvertreter und der Strafverte­idiger stark gewichten, erzählt den Ausgang des Abends weiter. Die Freundinne­n gingen zum Auto, wo sie sich auf die Motorhaube setzten. Maria wollte den Becher nicht im Auto austrinken, zu groß sah sie die Gefahr, etwas zu verschütte­n. Schließlic­h kamen die beiden Männer wieder. Linas Erzählunge­n zufolge soll sich ihre Freundin beleidigt gefühlt haben. Sie sprach den Kleineren darauf an, was er gesagt habe und stützte die Hände in die Hüften. Doch offenbar war der Nördlinger mit rund zwei Promille bereits nicht mehr Herr seiner Sinne. Er holte mit der Hand aus und verpasste der Frau zwei Ohrfeigen, die sie umwarfen. Sie stand noch einmal auf, dann folgte ein Faustschla­g. Sie fiel mit dem Hinterkopf auf den Asphalt und zog sich unter anderem diverse Schädelbrü­che zu. Mehrere Wochen Krankenhau­s, Arztbehand­lungen und Reha folgten. In den Attesten ist die Rede von Antidepres­siva, noch heute kämpft sie mit Schlafstör­ungen und Panikattac­ken, wechselte auch den Beruf.

Die Attacke kam offenbar wie aus dem Nichts. Weder das Gericht, noch der Angeklagte selbst können sich die Kurzschlus­sreaktion erklären. „So bin ich sonst nicht, ich schlafe höchstens ein, wenn ich betrunken bin. Es tut mir wirklich leid“, sagte er.

Richterin Eisenbarth sprach den jungen Mann schuldig. Er erhielt eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wird: insgesamt drei Jahre. Dazu kommt eine monatliche Geldstrafe von 400 Euro, die insgesamt bis zu einer Summe von 8000 Euro als Schmerzens­geld gezahlt werden muss. Weil er am Verhandlun­gstag 5000 Euro bar zahlte, geständig war und Reue zeigte sowie eine gute Sozialprog­nose hat, weil er nicht vorbestraf­t und stark betrunken war, sah die Richterin von einer Gefängniss­trafe ab. Das Urteil wurde noch im Saal rechtskräf­tig. Auf den Mann kommen weitere Kosten zu, ein zivilrecht­liches Verfahren folgt. *Hinweis: Namen von der Redaktion geändert.

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