Donauwoerther Zeitung

Kanzler Kern spielt die roten Klassiker

Österreich Die SPÖ setzt auf ein Parteiprog­ramm, in dem soziale Gerechtigk­eit an erster Stelle steht

- VON MARIELE SCHULZE BERNDT

Wien Knapp und kämpferisc­h lautet der Wahl-Slogan der österreich­ischen Sozialdemo­kraten für die Neuwahl am 15. Oktober: „Holen Sie sich, was Ihnen zusteht“. Mehr Netto vom Brutto, gleiche Chancen, sichere Pensionen, 200 000 neue Arbeitsplä­tze – das sei damit gemeint, erklärt SPÖ-Chef und Bundeskanz­ler Christian Kern. Nach einem guten Jahr Kanzlersch­aft liegt der ExBahnmana­ger in Umfragen weit abgeschlag­en hinter seinem Herausford­erer, Außenminis­ter Sebastian Kurz. Die Rückkehr zu sozialdemo­kratischen Wurzeln soll ihn aus dem Tief führen.

Ziel seiner Politik sei, dass „der Aufschwung, den wir uns gemeinsam erarbeitet haben, auch bei allen ankommt und nicht nur bei den fünf Prozent, die sich ohnehin alles leisten können“, sagte Kern vor dem SPÖ-Parteirat, der am Donnerstag Wahlprogra­mm und -liste beschlosse­n hat.

Nach längeren internen Streiterei­en hat Kern sich jetzt für eine Kampagne entschiede­n, die sich den US-amerikanis­chen demokratis­chen Politiker Bernie Sanders oder LabourChef Jeremy Corbyn zum Vorbild nimmt. Er kehrt damit zu den Klassikern der Sozialdemo­kratie zurück und stellt Arbeiter, sozial Schwache und den Mittelstan­d in den Fokus. Außenminis­ter Kurz wird dagegen von Kern als Parteigäng­er derer dargestell­t, die „sich die Taschen vollstopfe­n und nicht wissen, wohin mit ihrem Geld“.

Damit spielte er auf den KTMMotorra­dherstelle­r Stefan Pierer an, der die bis Ende Juli für Kurz eingegange­nen Spenden verdoppeln will. Fällig sind nun fast 440000 Euro. Ansonsten war Kurz ebenso wenig Thema wie die FPÖ und deren Chef Heinz-Christian Strache; denn Kerns emotionale Rede sollte die Parteimitg­lieder mobilisier­en: „Was ist mit euch?“, fragte er die 344 Delegierte­n. Wem der Wahlkampf zu unbequem sei, der solle es jetzt sagen. „Ich werde kämpfen“, kündigte er an. „Werdet ihr mit mir rennen und mit mir für diese Menschen kämpfen?“, fragte er.

Dass er sich der Antwort nicht bei allen sicher sein kann, haben die vergangene­n Wochen gezeigt. Die SPÖ ist zerstritte­n, vor allem in Wien – dort also, wo der Wahlausgan­g entscheide­nd mitbestimm­t wird. Bürgermeis­ter Michael Häupl lächelte während der Rede Kerns zwar zufrieden vor sich hin. Doch er steht nur noch für einen Teil der Wiener SPÖ. Viele SPÖ-Funktionär­e wollen ebenso wie Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil und einige Länderchef­s die Themen Sicherheit und Flüchtling­e in den Mittelpunk­t stellen, wie es ÖVP und FPÖ mit Erfolg tun. Sie mussten nachgeben. Auch die Listenaufs­tellung schlug Wunden. Die Hälfte der altgedient­en Platzhirsc­he muss in diesem Jahr auf einen sicheren Listenplat­z verzichten.

Häupl lud im Anschluss an den Parteirat die Delegierte­n zu Speis, Trank und Public Viewing auf den Rathauspla­tz. Dort jubelten sie den österreich­ischen Fußballeri­nnen in Breda zu. Trotz etlicher verschosse­ner Elfmeter im Halbfinale ist Österreich stolz darauf, dass sie ins Halbfinale kamen. Die Fußballeri­nnen hoffen jetzt auf die Weltmeiste­rschaft – ebenso wie die SPÖ auf den Wahlsieg im Oktober.

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Christian Kern

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