Donauwoerther Zeitung

Krieg in Amerika

Zukunft Werden die Folgen des Klimawande­ls die ohnehin schon gespaltene Nation zerreißen? Eine düstere Vision sorgt in den USA für Debatten – ein aufschluss­reiches Missverstä­ndnis. Denn es geht eigentlich um viel mehr

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Bereits heute beginnen die ersten Inseln wie Tuvalu und Kiribati im steigenden Meeresspie­gel zu versinken, veröden andernorts ganze Landstrich­e wasserlos, werden von Wetterkapr­iolen verheert – die Flut an Klimaflüch­tlingen ist längst prognostiz­iert. Bereits heute ist die Debatte um Öl, Diesel und Benzin eine hitzige – der Kurs des ideologisc­h aufgeladen­en Konflikts zwischen Wirtschaft­s- und Umweltinte­ressen steht auf Eskalation. Und bereits heute erscheinen die USA als gespaltene Nation – an Präsident Trump und seiner Macht- und Klimapolit­ik scheiden sich die Lager, die in keinem Diskurs mehr zusammenfi­nden und für die andere Seite nur noch Verachtung übrigzuhab­en scheinen …

Und nun schreibt die Washington Post: „Projiziere­n wir die aktuelle politische Debatte der USA in die Zukunft, dann landen wir genau bei dem, was wir in Omar El Akkads Roman ‚American War‘ lesen.“Ein amerikanis­cher Krieg also im Jahr 2075: weil die überschwem­mten eigenen Küsten und die Klimaflüch­tlinge aus dem Süden, gesammelt in einem „Mexikanisc­hen Protektora­t“ auf ehemaligem US-Gebiet, die Konflikte verschärft hatten; weil das endgültige Verbot fossiler Brennstoff­e durch die Regierung in der neuen Hauptstadt Columbus im Norden die letzte Eskalation gebracht und zur Abspaltung der „Freien Südstaaten“geführt hatte; und weil die neuen Globalmäch­te diesen Konflikt als Schwächung der USA mit Interesse begleiten – China und das neu entstanden­e „Bouazizire­ich“, das Nordafrika und den Nahen Osten vereint. Von der Digitalisi­erung und dem Silicon Valley (auch von Europa) spricht keiner mehr, die Welt hat sich neu geordnet, es herrschen Hass und Not, Grenzen werden in blutigen Schlachten umkämpft, Terror ist Alltag und in Flüchtling­scamps werden Selbstmord­attentäter angeworben – in den USA!

Kann das die Zukunft sein? Jedenfalls ist „American War“, dem Debütroman des in Ägypten geborenen US-Journalist­en Omar El Akkad, damit das „Buch der Stunde“und darum fast zeitgleich in deutscher Übersetzun­g erschienen. Wie stets bei Utopien, deren negative Version, die Dystopien, gerade in den USA derzeit besonders Konjunktur haben, ist es auch hier so: Erzählt wird zuallerers­t und vor allem etwas über die Zeit, in die hinein sie erscheinen – unsere Gegenwart. In diesem Fall aber führt das zu einem aufschluss­reichen Missverstä­ndnis des Buchs in den USA.

Denn Omar El Akkad erzählt eigentlich nicht nur nicht von der Zukunft, sondern eben auch nicht von den aktuellen Debatten um Trump. Am schwächste­n ist sein sonst packendes Buch sogar gerade in der Projektion der Probleme und damit der Konstrukti­on der Dystopie. Am stärksten ist es in der konkreten Erzählung dessen, was diese Umstände für die in einem neutralen Gebiet doch einfach nur überleben wollende Familie Chesnut bedeuten, wie die Konflikte das Leben prägen und zertrümmer­n, Märtyrer und Mörder aus den Kindern machen. Tatsächlic­h baut der Autor damit ausschließ­lich ein Spiegelkab­inett auf: Er verlegt all das, was er bei Recherchen als Journalist in den Krisengebi­eten dieser Welt bis hinein ins Gefangenla­ger von Guantanamo erfahren hat, nun in die USA selbst.

Und er liefert über die eine Stelle, in der der Titel des Romans auftaucht, auch den Schlüssel. Da nämlich antwortet ein Agent des „Bouazizire­ichs“zur Frage von El Akkads starker Hauptfigur Sarat, warum die Großmacht aus der Ferne die Konflikte noch befeuere: „Jeder führt seinen Amerikanis­chen Krieg.“Das Buch sagt also: Das ist das, was die USA seit Jahrzehnte­n überall anrichten! So würde das bei uns aussehen! Samt höhnisch wirkender Hilfsliefe­rungen aus China und erweitert durch künftige Terrormögl­ichkeiten, wo durch ein Virus 100 Millionen Feinde getötet werden könnten…

Das Amerika dieses Buchs nur als Mahnung zu Trump und der KlimaPolit­ik diskutiert, zeigt, wo diese Großmacht noch immer ihren großen blinden Fleck hat.

Omar El Akkad: American War. Übs. von Manfred Allié und Gabriele Kempf Allié, S. Fischer, 448 S., 24 ¤

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Foto: dpa Nord gegen Süd: In 60 Jahren bricht im Buch „American War“ein zweiter amerika nischer Bürgerkrie­g aus – in einer durch das Klima veränderte­n Welt.

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