Gülle – „es muss weniger werden“
Landwirtschaft In Huisheim und Mertingen gibt es Modellhöfe zur Dünger-Reduzierung. Experten warnen vor Panik
Huisheim/Landkreis Karten sollte man lesen können, bevor sie falsch gedeutet werden. In Sachen Nitratbelastung des Grundwassers könnten die aktuellen Kartierungen des Landesamtes für Umwelt nach Ansicht von Manfred Faber durchaus zu falschen Schlüssen führen. Der Behördenleiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Nördlingen (AELF) warnt vor Panik wegen der aktuellen Diskussion zur Gülleausbringung – er betont aber auch, dass eine Düngerreduzierung zum Gewässerschutz unerlässlich sei. Vor allem langfristig gesehen.
Die Farben Grün und Rot signalisieren auf Karten oft die Extreme: Grün bedeutet „alles bestens“und rot heißt „Gefahr“. In der jüngst veröffentlichten Skizze des Landesamtes für Umwelt in Augsburg existieren nur diese beiden Farben. Im Kreis Donau-Ries wird demnach der Zustand des Grundwassers in den Gebieten um Mertingen, im Ries und an den Ausläufern des Jura als „schlecht“bezeichnet.
Faber vom Nördlinger Landwirtschaftsamt sieht diese Darstellung zum Teil aber als irreführend oder zumindest verkürzt an. In der Bevölkerung existiere nun eine Grundangst, dass in den „roten Gebieten“das Trinkwasser schlecht beziehungsweise nitratbelastet sei. Dies sei aber keineswegs der Fall. Der Grenzwert zwischen „gut“und „schlecht“beim Grundwasser liegt bei einer Nitrat-Belastung von über 50 Milligramm je Liter. Faber erklärt: „Die Messpunkte des Landesamtes für diese Studie liegen meist nur einige Meter unter der Erde – nicht aber weiter unten, wo ja das wertvolle Trinkwasser gespeichert ist.“Über die Erdschichten werde das Wasser konstant gefiltert – die Wasserversorger müssten zudem ständig den Nitratgehalt messen. Der liege hier in der Region, so Faber zwischen 10 und 28 Milligramm pro Liter, mancherorts deutlich darunter. Überdies werde der negativste Wert an den Messstellen für die Statistik herangezogen. Insofern verzerre die Darstellung als auch die mediale Interpretation der Nitratwerte das realistische Gesamtbild.
Landwirt Richard Binger aus Mertingen kann die schlechten Werte für das Gebiet um Mertingen nachvollziehen. Er selbst habe in den vergangenen Tagen Wassermessungen durchgeführt. Ergebnis: deutlich unter einem Milligramm pro Liter. Behördenleiter Faber konstatiert auch klar: „Das Trinkwasser bei uns ist in Ordnung.“Der Nitratgehalt in diversen Gemüsesorten, etwa im Rucola, sei weitaus höher – über den rede aber seltsamerweise niemand.
Derweil ist sowohl dem Nördlinger Landwirtschaftsamt als auch Bauer Binger klar, dass es langfristig um mehr geht in der Diskussion um Gülle, beziehungsweise den Nitratgehalt. „Es muss weniger werden“, sagt Faber, „es geht ja darum, dass das Trinkwasser auch in den kommenden Generationen sauber sein soll“. Deswegen müsse „bedarfsgerecht und angemessen“gedüngt werden. Und das müsse mit den Bauern gemeinsam erörtert werden. Um die Bauern zu unterstützen und auf die Umsetzung der soeben in Kraft getretenen neue Dünge-Verordnung vorzubereiten, hat das AELF im Kreis Donau-Ries zwei Modell-Bauernhöfe auserkonicht fen insgesamt, zudem bringt Naß die Gülle bodennah aus – sie wird in den Boden injiziert statt weiträumig verspritzt. Des Weiteren baut er nach der Getreide- oder Maisernte Zwischenfrüchte an, die die Restmengen an Nitrat im Boden weitgehend aufnehmen sollen. Andere Landwirte und Fachschulen sollen sich diese und andere nachhaltige Verfahren fortan von Naß und Binger abschauen. Dessen Hof in der Donau-Lech-Ebene umfasst 108 Hektar, die Fruchtfolge ist dreijährig: Zuckerrüben, Winterweizen, Wintergerste beziehungsweise Sommergetreide (Hafer und Sommergerste). Bingers Flächen liegen fast ausschließlich innerhalb des Wasserschutzgebietes für die Brunnen der Gemeinde Mertingen. Will heißen: Binger muss hohe Auflagen einhalten – er setzt nun verstärkt auf Güllereduzierung und Zwischenfruchtschauversuche.
All die Maßnahmen zur Güllereduzierung stehen unter dem Dach der sogenannten EU-Wasserrahmenrichtlinie. Derzufolge sollen nationale Verordnungen zum Wasserschutz entstehen – wie etwa die Anfang Juni in Kraft getretene Düngeverordnung. Die verlange neben der Reduzierung der Düngemittel auch die zeitliche Begrenzung der Ausbringung. Durfte die Gülle bislang bis 1. November ausgefahren werden, so ist nun der 1. Oktober Stichtag. Darüber hinaus muss der Bauer genauestens buchführen über sämtliche Düngungen. Die Landwirtschaftsämter sollen derlei fortwährend kontrollieren. Die Landwirte Binger und Naß zweifeln nicht an der Notwendigkeit von nachhaltigem Landbau – schließlich wollen beide ihre Höfe an die Kinder weitergeben – , sie monieren aber, dass über solche Verordnungen zu stark an den Betroffenen vorbeientschieden werde. Neue Verordnungen bedeuteten ein mehr an Bürokratie, die inzwischen zwischen 30 und 40 Prozent der Arbeitszeit verschlinge.
Faber vom AELF will unterdessen weder schwarzmalen noch in Euphorie verfallen. Er sagt: „Einige einzelne Betriebe werden sich schwertun mit den schärferen Gesetzen. Dennoch wird Landwirtschaft weiterhin möglich sein bei uns.“Die Notwendigkeit des Gewässerschutzes sei unzweifelhaft: „Aber wir müssen die Landwirte mitnehmen“– und nicht gängeln.
Es lohnt sich meistens, zweimal hinzuschauen. Besonders dann, wenn es um ein vermeintliches Gut oder Schlecht geht. Ziemlich kritiklos haben in dieser Woche viele überregionale Medien eine Kartendarstellung des Landesamtes für Umwelt übernommen – zumindest kamen stichhaltige Einwände der Landwirte hierbei nicht wirklich zum Tragen. Schade, denn das Hören und Reflektieren sämtlicher Seiten sollte zur Gesamtbewertung doch dazugehören.
Bei der bloßen Beschau der Karte zur Nitratbelastung in Bayern könnte dem Laien zunächst einmal angst und bange werden – vor allem in den rot gefärbten Gebieten im Ries, Jura und rund Mertingen/ Bäumenheim. Hier wird es nun – zusätzlich zur just in Kraft getretenen Dünge-Verordnung – laut Agrarminister Helmut Brunner (CSU) zusätzliche Auflagen für die Landwirtschaft geben. Ob das angemessen ist, oder überhastet – vielleicht ist Vorsicht auch hier besser als Nachsicht, zumal es ja langfristig um die Gesundheit aller geht.
Dennoch stieß die jüngste Veröffentlichung zur Nitratbelastung im Grundwasser mithin ins falsche Horn. Anstatt ganzheitlich und fair aufzuklären, ist durch Verkürzungen Angst entstanden bei den Menschen. Am Pranger steht – wieder mal – der Landwirt. Statt Gebiete in vorauseilendem Gehorsam in gute und schlechte einzuteilen, wäre es wünschenswert gewesen, hätte man die Parameter ebenso populär aufbereitet: Wo und wie wurde gemessen? Sind es konstante Messungen? Betrifft es auch das Trinkwasser? Der Bauer kommt sich nun verunglimpft vor.
Sinnvoller wäre es, arbeitete man gemeinsam. Natürlich wird die Landwirtschaft bereits staatlich gefördert – aber mit neuen Verordnungen muss im Sinne einer nachhaltigen Versorgung und eines nachhaltigen Landbaus auch neue Unterstützung folgen. Hoffentlich kommt das noch. Die bloße, strikte Verordnung jedenfalls wäre nun ziemlich achtlos gegenüber der sinnvollen Arbeit der Bauern.