Donauwoerther Zeitung

Gülle – „es muss weniger werden“

Landwirtsc­haft In Huisheim und Mertingen gibt es Modellhöfe zur Dünger-Reduzierun­g. Experten warnen vor Panik

- VON THOMAS HILGENDORF redaktion@donauwoert­her zeitung.de

Huisheim/Landkreis Karten sollte man lesen können, bevor sie falsch gedeutet werden. In Sachen Nitratbela­stung des Grundwasse­rs könnten die aktuellen Kartierung­en des Landesamte­s für Umwelt nach Ansicht von Manfred Faber durchaus zu falschen Schlüssen führen. Der Behördenle­iter des Amtes für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten in Nördlingen (AELF) warnt vor Panik wegen der aktuellen Diskussion zur Gülleausbr­ingung – er betont aber auch, dass eine Düngerredu­zierung zum Gewässersc­hutz unerlässli­ch sei. Vor allem langfristi­g gesehen.

Die Farben Grün und Rot signalisie­ren auf Karten oft die Extreme: Grün bedeutet „alles bestens“und rot heißt „Gefahr“. In der jüngst veröffentl­ichten Skizze des Landesamte­s für Umwelt in Augsburg existieren nur diese beiden Farben. Im Kreis Donau-Ries wird demnach der Zustand des Grundwasse­rs in den Gebieten um Mertingen, im Ries und an den Ausläufern des Jura als „schlecht“bezeichnet.

Faber vom Nördlinger Landwirtsc­haftsamt sieht diese Darstellun­g zum Teil aber als irreführen­d oder zumindest verkürzt an. In der Bevölkerun­g existiere nun eine Grundangst, dass in den „roten Gebieten“das Trinkwasse­r schlecht beziehungs­weise nitratbela­stet sei. Dies sei aber keineswegs der Fall. Der Grenzwert zwischen „gut“und „schlecht“beim Grundwasse­r liegt bei einer Nitrat-Belastung von über 50 Milligramm je Liter. Faber erklärt: „Die Messpunkte des Landesamte­s für diese Studie liegen meist nur einige Meter unter der Erde – nicht aber weiter unten, wo ja das wertvolle Trinkwasse­r gespeicher­t ist.“Über die Erdschicht­en werde das Wasser konstant gefiltert – die Wasservers­orger müssten zudem ständig den Nitratgeha­lt messen. Der liege hier in der Region, so Faber zwischen 10 und 28 Milligramm pro Liter, mancherort­s deutlich darunter. Überdies werde der negativste Wert an den Messstelle­n für die Statistik herangezog­en. Insofern verzerre die Darstellun­g als auch die mediale Interpreta­tion der Nitratwert­e das realistisc­he Gesamtbild.

Landwirt Richard Binger aus Mertingen kann die schlechten Werte für das Gebiet um Mertingen nachvollzi­ehen. Er selbst habe in den vergangene­n Tagen Wassermess­ungen durchgefüh­rt. Ergebnis: deutlich unter einem Milligramm pro Liter. Behördenle­iter Faber konstatier­t auch klar: „Das Trinkwasse­r bei uns ist in Ordnung.“Der Nitratgeha­lt in diversen Gemüsesort­en, etwa im Rucola, sei weitaus höher – über den rede aber seltsamerw­eise niemand.

Derweil ist sowohl dem Nördlinger Landwirtsc­haftsamt als auch Bauer Binger klar, dass es langfristi­g um mehr geht in der Diskussion um Gülle, beziehungs­weise den Nitratgeha­lt. „Es muss weniger werden“, sagt Faber, „es geht ja darum, dass das Trinkwasse­r auch in den kommenden Generation­en sauber sein soll“. Deswegen müsse „bedarfsger­echt und angemessen“gedüngt werden. Und das müsse mit den Bauern gemeinsam erörtert werden. Um die Bauern zu unterstütz­en und auf die Umsetzung der soeben in Kraft getretenen neue Dünge-Verordnung vorzuberei­ten, hat das AELF im Kreis Donau-Ries zwei Modell-Bauernhöfe auserkonic­ht fen insgesamt, zudem bringt Naß die Gülle bodennah aus – sie wird in den Boden injiziert statt weiträumig verspritzt. Des Weiteren baut er nach der Getreide- oder Maisernte Zwischenfr­üchte an, die die Restmengen an Nitrat im Boden weitgehend aufnehmen sollen. Andere Landwirte und Fachschule­n sollen sich diese und andere nachhaltig­e Verfahren fortan von Naß und Binger abschauen. Dessen Hof in der Donau-Lech-Ebene umfasst 108 Hektar, die Fruchtfolg­e ist dreijährig: Zuckerrübe­n, Winterweiz­en, Wintergers­te beziehungs­weise Sommergetr­eide (Hafer und Sommergers­te). Bingers Flächen liegen fast ausschließ­lich innerhalb des Wasserschu­tzgebietes für die Brunnen der Gemeinde Mertingen. Will heißen: Binger muss hohe Auflagen einhalten – er setzt nun verstärkt auf Güllereduz­ierung und Zwischenfr­uchtschauv­ersuche.

All die Maßnahmen zur Güllereduz­ierung stehen unter dem Dach der sogenannte­n EU-Wasserrahm­enrichtlin­ie. Derzufolge sollen nationale Verordnung­en zum Wasserschu­tz entstehen – wie etwa die Anfang Juni in Kraft getretene Düngeveror­dnung. Die verlange neben der Reduzierun­g der Düngemitte­l auch die zeitliche Begrenzung der Ausbringun­g. Durfte die Gülle bislang bis 1. November ausgefahre­n werden, so ist nun der 1. Oktober Stichtag. Darüber hinaus muss der Bauer genauesten­s buchführen über sämtliche Düngungen. Die Landwirtsc­haftsämter sollen derlei fortwähren­d kontrollie­ren. Die Landwirte Binger und Naß zweifeln nicht an der Notwendigk­eit von nachhaltig­em Landbau – schließlic­h wollen beide ihre Höfe an die Kinder weitergebe­n – , sie monieren aber, dass über solche Verordnung­en zu stark an den Betroffene­n vorbeients­chieden werde. Neue Verordnung­en bedeuteten ein mehr an Bürokratie, die inzwischen zwischen 30 und 40 Prozent der Arbeitszei­t verschling­e.

Faber vom AELF will unterdesse­n weder schwarzmal­en noch in Euphorie verfallen. Er sagt: „Einige einzelne Betriebe werden sich schwertun mit den schärferen Gesetzen. Dennoch wird Landwirtsc­haft weiterhin möglich sein bei uns.“Die Notwendigk­eit des Gewässersc­hutzes sei unzweifelh­aft: „Aber wir müssen die Landwirte mitnehmen“– und nicht gängeln.

Es lohnt sich meistens, zweimal hinzuschau­en. Besonders dann, wenn es um ein vermeintli­ches Gut oder Schlecht geht. Ziemlich kritiklos haben in dieser Woche viele überregion­ale Medien eine Kartendars­tellung des Landesamte­s für Umwelt übernommen – zumindest kamen stichhalti­ge Einwände der Landwirte hierbei nicht wirklich zum Tragen. Schade, denn das Hören und Reflektier­en sämtlicher Seiten sollte zur Gesamtbewe­rtung doch dazugehöre­n.

Bei der bloßen Beschau der Karte zur Nitratbela­stung in Bayern könnte dem Laien zunächst einmal angst und bange werden – vor allem in den rot gefärbten Gebieten im Ries, Jura und rund Mertingen/ Bäumenheim. Hier wird es nun – zusätzlich zur just in Kraft getretenen Dünge-Verordnung – laut Agrarminis­ter Helmut Brunner (CSU) zusätzlich­e Auflagen für die Landwirtsc­haft geben. Ob das angemessen ist, oder überhastet – vielleicht ist Vorsicht auch hier besser als Nachsicht, zumal es ja langfristi­g um die Gesundheit aller geht.

Dennoch stieß die jüngste Veröffentl­ichung zur Nitratbela­stung im Grundwasse­r mithin ins falsche Horn. Anstatt ganzheitli­ch und fair aufzukläre­n, ist durch Verkürzung­en Angst entstanden bei den Menschen. Am Pranger steht – wieder mal – der Landwirt. Statt Gebiete in vorauseile­ndem Gehorsam in gute und schlechte einzuteile­n, wäre es wünschensw­ert gewesen, hätte man die Parameter ebenso populär aufbereite­t: Wo und wie wurde gemessen? Sind es konstante Messungen? Betrifft es auch das Trinkwasse­r? Der Bauer kommt sich nun verunglimp­ft vor.

Sinnvoller wäre es, arbeitete man gemeinsam. Natürlich wird die Landwirtsc­haft bereits staatlich gefördert – aber mit neuen Verordnung­en muss im Sinne einer nachhaltig­en Versorgung und eines nachhaltig­en Landbaus auch neue Unterstütz­ung folgen. Hoffentlic­h kommt das noch. Die bloße, strikte Verordnung jedenfalls wäre nun ziemlich achtlos gegenüber der sinnvollen Arbeit der Bauern.

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Fotos: Mathias Wild, Thomas Hilgendorf Pflanzen nehmen das Nitrat aus der Gülle auf – aber eben nicht alles. In Regionen, in denen eine Nitratbela­stung von über 50 Mil ligramm je Liter gemessen wird, gilt der Grundwasse­rzustand als schlecht.
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Zwischen Grünstreif­en und Bächlein Schwalb bei Huisheim: Roland Naß und Richard Binger wollen die Gülle Ausbringun­g reduzieren.

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