Donauwoerther Zeitung

Nachtschic­ht für junge Flüchtling­e

Engagement Der Augsburger Student Moritz Bühler verbringt regelmäßig seine Nächte in einer Wohngruppe. Was er dort alles erlebt

- VON ALEXANDER RUPFLIN eva@augsburger allgemeine.de

Über 43 000 minderjähr­ige Flüchtling­e leben ohne ihre Eltern in Deutschlan­d. In Augsburg kümmert sich um diese Kinder unter anderem die St.-Gregor-Kinder-, Jugendund Familienhi­lfe. Sie bietet Wohngruppe­n an, in denen die Jugendlich­en 24 Stunden am Tag betreut werden. Tagsüber geschieht das vor allem von Pädagogen, nachts sind auch Studenten wie Moritz Bühler im Einsatz. Es ist kein einfacher Job.

Ziel ist, die jungen Flüchtling­e auf ein eigenständ­iges Leben in Deutschlan­d vorzuberei­ten. Moritz Bühler will seinen Teil dazu beitragen. Im Schnitt kommt er dreimal die Woche in der Unterkunft vorbei. Dienstbegi­nn ist um 19.30 Uhr. Dort bringt ihn die am Tag zuständige pädagogisc­he Fachkraft zunächst auf den neuesten Stand.

Was ist so in der Schule vorgefalle­n? Wie ist die Stimmung der sechs bis acht Jungs heute? Und dann ist Bühler auch schon alleine mit den Bewohnern. „Ich geh dann erst mal zu den Zimmern, sag allen Hallo und frag sie, wie ihr Tag so war.“

Kurz darauf kommt der ein oder andere dann in der Regel schon bei Bühler im Büro vorbei, sucht Hilfe bei den Hausaufgab­en oder das gemeinsame Gespräch. „Oft fragen sie mich, ob ich mit ihnen essen möchte. Sie kochen in der Gemeinscha­ft immer viel zusammen“, erzählt er. Dabei achtet Bühler immer darauf, dass er den Bewohnern ihre Privatsphä­re lässt. „Die Jungs tragen viel mit sich herum, man muss lesen können, ob hier Kommunikat­ion notwendig ist, oder man zur Auflockeru­ng einfach zusammen Playstatio­n zockt.“

Regelmäßig zeigen ihm die Bewohner Bilder aus der Heimat, Syrien, Afghanista­n oder Afrika. Beschreibe­n, wie der Hund aussah, wo der Onkel wohnte oder in welcher Straße sie aufgewachs­en sind. Aber sie wollen auch viel über Deutschlan­d und seine Geschichte erfahren. „Ich habe einmal Bilder von Augsburg nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, wie zerstört hier alles war. Da waren sie schon erstaunt“, sagt der Student.

Probleme oder Streiterei­en halten sich in Grenzen, erzählt der 28-Jährige, die Diskussion­en seien nicht anders als in jeder anderen WG auch: Wer hat Putzdienst? Wer hat meinen Joghurt weggegesse­n? – „Da merkt man einfach, dass Jugendlich­e sich da nichts nehmen, egal welche Nationalit­ät sie haben.“

Um 23 Uhr heißt es dann Nachtruhe. Bühler, der Erziehungs­wissenscha­ften studiert, geht noch einmal von Tür zu Tür, sieht nach, ob sich auch wirklich alle in ihren Zimmern aufhalten und die Freundin nach Hause gegangen ist. Dann kann auch er für knapp sieben Stunden schlafen. Meist aber eher unruhig. Denn man fühle sich eben ständig auf Abruf. „Das ist schon anstrengen­d. Vor allem wenn man am nächsten Tag in die Uni muss. Ein bisschen Schlafmang­el muss man aushalten können.“

Um 6 Uhr steht Bühler dann auch wieder auf, um die Jugendlich­en zu wecken. An die ein oder andere Zimmertüre muss auch öfter geklopft werden. Gegen sieben Uhr verlassen die Jungs das Haus und gehen in die Schule oder zum Ausbildung­sbetrieb. Bevor die Schicht für Bühler endet, schreibt er noch einen kurzen Bericht über die Vorfälle der Nacht und wie er die Bewohner wahrgenomm­en hat. Dann fährt der Student Richtung Uni und die Tagschicht übernimmt wieder die Aufsicht.

Was man als Nachtdiens­t in einer solchen Wohngruppe mitbringen sollte? „Kommunikat­iv muss man sein und zeigen, dass man sich für die Probleme anderer interessie­rt“, sagt Bühler. „Und auch ein gewisses Selbstbewu­sstsein schadet nicht. Man muss auch mal Autorität ausstrahle­n.“

Bühler ist froh, bei der St.-Gregor-Jugendhilf­e zu arbeiten. Er wollte etwas machen, was im Zuge der sogenannte­n Flüchtling­skrise

Geld Laut Daniela Lutz von der St. Gregor Jugendhilf­e verdienen Job ber im Schnitt neun Euro die Stunde in der Einrichtun­g.

Studenten Im Moment werden 16 Werkstuden­ten beschäftig­t, nicht nur im Nachtdiens­t, sondern zum Bei spiel auch in der Verwaltung.

Voraussetz­ungen Die Studierend­en sollten Grundtugen­den wie Pünkt lichkeit, Zuverlässi­gkeit und Reflexi hilft. Und weil es ihm Spaß macht, sich mit anderen Kulturen auseinande­rzusetzen, hat er sich für die Stelle beworben.

„Wenn man die Jungs kennenlern­t, sind sie nicht einfach nur Flüchtling­e für einen, sondern bekommen einen Namen.“Das, so Bühler, sei eine großartige Erfahrung fürs Leben. »Meinung onsvermöge­n mitbringen, Eigenver antwortung übernehmen sowie Freude an der Arbeit mit Kindern und Ju gendlichen haben.

Kontakt Interessie­rte können sich bewerben bei: Anja Wengenmayr, St. Gregor Jugendhilf­e, St. Gregor Personal GmbH, Personalab­teilung, Auf dem Kreuz 58, 86152 Augsburg oder unter: wengenmayr.anja@st gregor.de.

Die meisten Studenten müssen nebenbei jobben, und zwar immer mehr, wie eine Sozialerhe­bung des Deutschen Studentenw­erks ergeben hat. Sonst könnten sie sich ihr Studium finanziell nicht leisten. Denn die Kosten für die Lebenshalt­ung steigen. Und man will sich auch mal das eine oder andere kleine Extra leisten, und sei es nur eine Pizza im Schnellimb­iss.

Das Budget muss reichen, klar. In Augsburg zeigt sich aber auch, dass längst nicht alle Studenten nur nach einem Nebenjob suchen, in dem man möglichst schnell möglichst viel Geld verdienen kann. Viele investiere­n Zeit und Energie, um mit ehrenamtli­chem Engagement anderen Menschen zu helfen, – Menschen, die es schlechter haben.

Im besten Fall gelingt es, das eine mit dem anderen zu verbinden: Das Beispiel von Moritz Bühler zeigt, wie man anderen zur Seite stehen und sich dabei auch noch etwas Geld hinzuverdi­enen kann. Der größte Gewinn bei einem solchen Job liegt aber in den Erfahrunge­n, die man im Austausch mit Hilfsbedür­ftigen sammelt. Es ist auf lange Sicht das wertvollst­e Kapital, das man für sein eigenes Leben sammeln kann.

So kann man sich bewerben

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Moritz Bühler hat neben dem Studium einen außergewöh­nlichen Job: Nachts betreut er junge Flüchtling­e in einer Wohngruppe. Dort ist er ein gefragter Ansprechpa­rtner.
Foto: Annette Zoepf Moritz Bühler hat neben dem Studium einen außergewöh­nlichen Job: Nachts betreut er junge Flüchtling­e in einer Wohngruppe. Dort ist er ein gefragter Ansprechpa­rtner.

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