Donauwoerther Zeitung

Ein Ermittler, der keine Krimis mag

Polizei Peter Timko, Leiter der Kripo Dillingen, geht nach über 40 Jahren als Beamter in den Ruhestand. Welche Fälle ihn besonders beschäftig­t haben und welche er noch gerne gelöst hätte

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Dillingen/Donauwörth Peter Timko ist so etwas wie ein Urgestein der Polizei in Nordschwab­en. In über vier Jahrzehnte­n war er – mit Ausnahme der Station in Wertingen – in allen Dienststel­len in den Landkreise­n Donau-Ries und Dillingen tätig, seit 2002 in leitender Funktion. Erst war er Chef der Inspektion in Rain, dann übernahm er diese Position bei der Kripo Dillingen. Nun ist aber Schluss. Nach 41 Jahren und 61 Tagen verabschie­det sich Timko in den Ruhestand. Zwar ist der 59-Jährige noch bis Ende November offiziell in Amt und Würden, jedoch hat er nun seinen letzten Arbeitstag hinter sich. Wir sprachen mit dem Kriminalob­errat über Momente, die ihn tief bewegt haben, über Fälle, die ihm im Gedächtnis bleiben, und über Taten, die er noch gerne aufgeklärt hätte.

Herr Timko, Sie waren lange Zeit Schutzpoli­zist und wechselten dann zur Kriminalpo­lizei. Haben Sie diesen Schritt bereut? Timko: Nein, das war eine unheimlich­e Bereicheru­ng für mich. Ich habe viele neue Dinge gesehen und dazugelern­t. Die Kripo hat andere Aufgaben und eine andere Herangehen­sweise. Manche Fälle ziehen sich über Monate oder Jahre hin.

Gibt es Entwicklun­gen, die Ihnen Sorgen bereiten? Timko: Sehr wohl. Da ist vor allem der Bereich der Internet-Kriminalit­ät. Durch sie entstehen immense Schäden, sie ist schwer zu bekämpfen, und die Fälle sind schwer aufzukläre­n, da vieles ins Ausland läuft. Die Zusammenar­beit mit den dortigen Behörden ist aufwendig und schwierig. Diese Art der Kriminalit­ät geht übrigens auch in Nordschwab­en an Existenzen, zum Beispiel, wenn alte Leute ihr gesamtes Erspartes durch die Tricks dieser Verbrecher verlieren.

Sehen Sie auch erfreulich­e Tendenzen? Timko: Mit den DNA-Untersuchu­ngen lassen sich viele Straftaten im Nachhinein aufklären. Das ist eine tolle Hilfe. In unserem Gebiet haben wir jeden Monat einen oder zwei Treffer. Allerdings ist das keine Wunderwaff­e, weil die Möglichkei­ten, DNA zu übertragen, vielfältig sind. Das muss man differenzi­ert betrachten. Bei einem Fingerabdr­uck ist hingegen klar: Wenn einer an ei- nem bestimmten Ort gefunden wird, war der Täter auch wirklich da.

Welcher Fall aus den vergangene­n Jahren hat Sie denn besonders beschäftig­t? Timko: Der Fall Timo B. in Donauwörth (Der junge Mann soll im August 2016 seine Mutter derart geschlagen haben, dass sie gestorben ist. Inzwischen ist er – noch nicht rechtskräf­tig – in einem Indizienpr­ozess wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge zu über neun Jahren Haft verurteilt worden; Anmerkung der Redaktion). Da haben wir alles getan, was möglich ist. In die Spurensich­erung und die weiteren Ermittlung­en waren Fachkräfte aus ganz Deutschlan­d mit eingebunde­n. So etwas hat es in unserem Zuständigk­eitsbereic­h und wahrschein­lich in ganz Schwaben noch nicht gegeben. Ich hätte mir gewünscht, wir finden einen Beweis für oder gegen Timo B., den jeder versteht und nachvollzi­ehen kann.

Erinnern Sie sich an weitere Ereignisse, welche die Kripo über das übliche Maß hinaus gefordert haben? Timko: Das waren nicht nur große Kriminalfä­lle. Vor ein paar Jahren hatten wir einmal zeitgleich drei vermisste Personen in Nordschwab­en. Die Suchaktion­en liefen parallel, brachten aber leider keinen Erfolg: Alle drei Vermissten hatten sich das Leben genommen.

Sind Sie während Ihrer langen Dienstzeit persönlich an Grenzen gestoßen oder besonders erschütter­t gewesen? Timko: Ich konnte Beruf und Privates glückliche­rweise sehr gut trennen. Gelänge einem das nicht, würde man irre. Richtig anstrengen­d und unangenehm war in meiner Funktion als Inspektion­sleiter das Überbringe­n von Todesnachr­ichten. Wenn man den Angehörige­n sagen muss, dass jemand aus ihrer Familie gestorben ist, und die Reaktionen erlebt – das bleibt schon eine Zeit lang hängen. Schwer zu ertragen sind auch Verbrechen an Kindern. Ich erinnere mich an einen Fall, in dem ein Mann seine Nichte im Kreis Dillingen sexuell missbrauch­t hat. Wenn man da mit den Details konfrontie­rt wird, dreht sich einem fast der Magen um.

Gab es in Ihrem Polizisten­leben auch Momente zum Schmunzeln? Timko: Die gab es. Während meiner Zeit im Schichtdie­nst in Donauwörth lief in der Nacht auf Heiligaben­d direkt vor der Inspektion ein Pärchen vorbei – mit einem gestohlene­n Christbaum. Beide Diebe waren völlig betrunken. Die Frau ärgerte sich, dass ihr Freund einen höheren Promillewe­rt als sie hatte. Und dann sagte sie zu mir: „Wissen Sie, was Sie ohne mich wären: Ein arbeitslos­es Arschloch.“Das brachte ihr auch noch eine Anzeige wegen Beleidigun­g ein.

Haben Sie auch mal den falschen Täter erwischt? Timko: Überrasche­nde Wendungen gibt es während der Ermittlung­en immer wieder. Wiederholt kam es auch vor, dass vermeintli­che Opfer von Sexualstra­ftaten wissentlic­h die Unwahrheit sagten. Dies kann für den Beschuldig­ten drastische Folgen haben. Oft gelang es uns aber, solche Lügengesch­ichten aufzudecke­n.

Gerieten Sie während Ihrer Dienstzeit in eine gefährlich­e Situation? Timko: Bei der Schutzpoli­zei passierte das einige Male, beispielsw­eise bei Familienst­reitigkeit­en, bei denen auch noch Alkohol im Spiel war. Bei der Kripo ist man auf gefährlich­e Situatione­n in aller Regel vorbereite­t und kann im Zweifelsfa­ll ein Spezialein­satzkomman­do anfordern.

Sind Sie ein Krimi-Fan? Timko: Nein. Meine Frau aber schon. Wenn sie im Fernsehen einen Krimi anschaut, gehe ich aus dem Zimmer. Mich nervt, dass es einfach nicht der Realität entspricht, was die TV-Kommissare so alles machen und dürfen.

Welche realen Fälle hätten Sie noch gerne gelöst? Timko: Seit ich Kripochef war, beschäftig­te mich der noch immer ungeklärte Mord aus dem Jahr 1983 an der damals 15-jährigen Simone Langer aus Donauwörth. Gleiches gilt für die beiden getöteten Frauen aus Osteuropa, deren Leichen 1995 nahe Oettingen gefunden wurden und deren Identität bis heute nicht bekannt ist. Es verging kaum eine Woche, in der wir uns nicht die Frage stellten: Gibt es da etwas? Gerne geklärt hätte ich auch noch den Vermissten­fall Kadir Karabulut. Der Profi-Pokerspiel­er aus Dillingen ist seit 2013 spurlos verschwund­en. Da sind viele Fragezeich­en. Er kann getötet worden sein, er kann aber auch einfach untergetau­cht sein. Für meinen Nachfolger bleibt genug zu tun.

Auf was freuen Sie sich in Ihrem weiteren Leben ohne Verbrechen? Timko: Jetzt kann ich das machen, was ich will. Ich habe mehr Zeit für die Gartenarbe­it, das Angeln und für meine beiden Enkelkinde­r. Oder ich fahre mit meiner Frau mit dem Wohnmobil in die Berge.

 ?? Foto: Wolfgang Widemann ?? Nach 41 Jahren und 61 Tagen als Polizist verabschie­det sich Peter Timko in den Ruhestand. Zuletzt war er acht Jahre lang Leiter der Kripo Dillingen.
Foto: Wolfgang Widemann Nach 41 Jahren und 61 Tagen als Polizist verabschie­det sich Peter Timko in den Ruhestand. Zuletzt war er acht Jahre lang Leiter der Kripo Dillingen.

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