Donauwoerther Zeitung

Der Fußball leidet unter den abartigen Auswüchsen

Leitartike­l Heute startet die Bundesliga in die neue Saison. Die Spiele sind fasziniere­nd, aber die Begleitums­tände abstoßend. Daran können nur die Fans etwas ändern

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Der Fußball, dieser wunderbare Sport, liegt auf der Krankensta­tion. Die Maßlosigke­it etlicher Beteiligte­r hat bösartige Tumore verursacht. Weil es um die Selbstheil­ungskräfte der ProfiSekti­on schlecht bestellt ist, benötigt sie externe Hilfe.

Besonders deutlich zeigten sich die Symptome in den vergangene­n Wochen. Die Auswüchse gewerbsmäß­igen Kickens treten vor allem dann in den Vordergrun­d, wenn ausnahmswe­ise mal kein Ball in einem der mehr oder weniger wichtigen Wettbewerb­e rollt.

Wenn keine juvenile Elf unter der Leitung Joachim Löws den eher unbedeuten­den Confed Cup in Russland holt. Wenn nicht gerade die deutsche U21 Europameis­ter wird. Im Vakuum zwischen den elendig langen Saisons treten die Missstände besonders deutlich hervor. Cristiano Ronaldo schleust Millionen Euro am Fiskus vorbei. Neymar wechselt für die absurde Ablösesumm­e von 222 Millionen Euro von Barcelona nach Paris, gesponsert aus Katar. Der Brasiliane­r gibt an, seinem Herzen gefolgt zu sein. Fans und weniger zahlungsfä­hige Klubs regen sich auf. Ethisch nicht vertretbar, der Fußball entferne sich von den Zuschauern. Der Dortmunder Ousmane Dembélé macht das im wörtlichen Sinne und bestreikt das Training seines Vereins, weil er zum FC Barcelona wechseln will. Sicherlich, um seinem Herzen zu folgen. Danach schließt der FC Bayern einen Sponsorend­eal mit dem Flughafen Dohas ab. Der Hauptstadt Katars. Der Entscheidu­ng liegt die gleiche marktwirts­chaftliche Notwendigk­eit zugrunde, die den Münchnern eine sportlich irrsinnige Vorbereitu­ngstour nach China einbrockt. Internatio­nale Märkte erschließe­n, lautet der Fachbegrif­f. Dabei gibt es keine wie auch immer geartete Notwendigk­eit für Sportverei­ne, Geschäfte mit Regimes zu machen, für die Menschenre­chte eher im Bereich gut gemeinter Vorschläge zu verorten sind. Die Funktionär­e können sich nicht länger auf die Lüge zurückzieh­en, der Sport sei unpolitisc­h. Er ist es spätestens dann nicht mehr, wenn Deals mit korrupten Machthaber­n abgeschlos­sen werden.

Die Millionen können nur gescheffel­t werden, weil die Bundesliga ein Hochglanzp­rodukt ist. Abgesehen von den Spielern sorgen die Fans für gute Vermarktun­gsmöglichk­eiten. Die Anhänger strömen ins Stadion, sorgen für tolle Stimmung und spektakulä­re Choreograf­ien. Hauptveran­twortlich dafür ist die sogenannte Ultra-Bewegung. Diese Intensivfa­ns sind es auch, die gegen die Abartigkei­ten des Profifußba­lls am lautesten protestier­en. Ein kleiner Teil von ihnen ist gewalttäti­g. Diese Minderbemi­ttelten sind es aber, die das Bild der Ultras prägen. Den Fans trotzdem einen Schritt entgegenzu­gehen, wie es DFB-Chef Reinhard Grindel gemacht hat, ist richtig. Er plant das Aus für Kollektivs­trafen bei Verfehlung­en Einzelner. Der Verbandsch­ef hat die Bedeutung der Ultras anerkannt. Nur mit ihnen bleibt die Stimmung weiter so hervorrage­nd. Nur im Dialog können Pläne erarbeitet werden, die Gewalttäte­r aus den Stadien zu drängen.

Der Patient Profifußba­ll ist deswegen aber noch nicht geheilt. Dafür braucht es eine Fastenkur. Erst wenn die Fans mit ihren Tickets, Pay-TV-Abos und Fanartikel-Käufen keine Milliarden mehr in das System pumpen, besteht die Chance auf ein Umdenken. Wer aber will schon trotz der widerliche­n Auswüchse auf Profifußba­ll verzichten? Heute Abend startet die Bundesliga mit der Partie des FC Bayern gegen Bayer Leverkusen in die neue Saison. Dieser wunderbare Sport wird wieder schnell seinen Zauber entfalten. Die Empörung über manch Perversion bleibt. Damit allein ist es aber nicht getan.

Es ist ein richtiger Schritt, auf die Ultras zuzugehen

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