Donauwoerther Zeitung

Ohne Kohleausst­ieg geht nichts mit den Grünen

Gast der Redaktion Die Spitzenkan­didatin Katrin Göring-Eckardt will, dass ihre Partei in der nächsten Regierung sitzt. Doch die Hürden für zukünftige Partner sind hoch. Was das alles mit ihren fünf Enkelkinde­rn zu tun hat

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Umweltschu­tz, „Ehe für alle“und jetzt die Frauenquot­e für Vorstände großer, börsennoti­erter Unternehme­n. Frau Göring-Eckardt, bringt es Sie nicht zur Weißglut, dass die Ideen der Grünen seit Jahrzehnte­n von anderen Parteien erst geklaut und dann umgesetzt werden?

Katrin Göring Eckardt: Das ist ja eine Bestätigun­g, dass unsere Ideen so gut sind, dass sie sich am Ende durchsetze­n. Ich finde es beispielsw­eise ganz wunderbar, dass es jetzt endlich die „Ehe für alle“gibt. Mit uns wäre das alles viel früher und planvoller umgesetzt worden und nicht so spät und dann holterdiep­olter.

Glauben Sie, dass sich auch Ihre im Vergleich zu anderen Parteien sehr weitgehend­en Vorschläge zum Klimaschut­z am Ende durchsetze­n werden? Göring Eckardt: Wenn wir unsere Verpflicht­ungen aus dem Pariser Klimaabkom­men von 2015 erfüllen wollen, ist das dringend notwendig. Allerdings sollte dann auch der SPD klar sein, dass wir das ohne den Abschied von den Kohlekraft­werken nicht schaffen werden. In Brandenbur­g beispielsw­eise weigern sich die Sozialdemo­kraten, den Kohleantei­l zurückzufa­hren. Wir sind Weltmeiste­r bei der extrem umweltschä­dlichen Kohleverbr­ennung. Und daran hat sich in den letzten vier Jahren nichts geändert. Eine verschenkt­e Zeit. Auch deshalb brauchen wir die Grünen in der Regierung.

Bei der Frage nach dem Zeitpunkt für den Abschied aus der umstritten­en Diesel-Technologi­e bieten die Grünen den Wählern aber ein Bild der Zerstritte­nheit. Als die Grünen 2030 als Ausstiegsd­atum ins Spiel brachten, nannte das Ihr Parteikoll­ege Winfried Kretschman­n „einen Wahnsinn“. Göring Eckardt: Als Ministerpr­äsident im Autoland Baden-Württember­g will er sich nicht auf ein konkretes Datum festlegen. Er nannte die Debatte aber einen Weckruf. Ohne sie wäre keine Bewegung in die deutsche Verkehrspo­litik gekommen. Inzwischen sagt ja selbst die Kanzlerin, dass das der richtige Ansatz ist. Wie wichtig ein festes Datum ist, hat sich schon beim Streit um die Einführung des Katalysato­rs gezeigt. Damals hatte die Autoindust­rie auch beklagt, dass sie eine verpflicht­ende Einführung in ihrer Existenz bedroht. Als dann 1984 das Jahr 1989 als verpflicht­endes Datum für den Einbau der Katalysato­ren beschlosse­n wurde, gab es eine Eigendynam­ik. Dann lief die Sache. Ist es denn sinnvoll, dass man sich jetzt auf Elektromob­ilität festlegt?

Göring Eckardt: Die Grünen sagen nicht, dass 2030 nur noch Elektroaut­os vom Band laufen dürfen. Wir wollen gerade keine Technologi­e vorschreib­en. Es geht darum, dass dann der Einstieg in die emissionsf­reie Mobilität beginnt. Also keine Autos mehr, die mit ihren Abgasen die Luft verpesten. Welche Technologi­e das gewährleis­tet, sollen die Ingenieure sagen.

Ist Ihnen egal, dass der Verlust von tausenden von Arbeitsplä­tzen droht? Göring Eckardt: Nein, im Gegenteil. Wir wollen ja gerade die Jobs retten. Sie sind in Gefahr, weil die Bundesregi­erung und die Autoindust­rie die Entwicklun­gen verschlafe­n haben. Das macht mir Sorgen. Andere sind viel weiter: Ich denke an Tesla in den USA oder Volvo in Schweden. Wichtig ist, dass die Unternehme­n jetzt den Umstieg planen, damit auch in Zukunft noch Autos bei uns in Deutschlan­d gebaut und Jobs gesichert werden. Wir benötigen beispielsw­eise eine funktionie­rende Infrastruk­tur mit Aufladesta­tionen. Das ist eine große Aufgabe. Das Thema treibt mich auch persönlich an: Ich will meinen mittlerwei­le fünf Enkelkinde­rn später einmal mit gutem Gewissen sagen können, dass ich alles gegen die Klimakrise getan habe.

Ist für Sie die Diesel-Technologi­e auch dann von gestern, wenn es gelingt, sie sauber zu machen?

Göring Eckardt: Die Unternehme­n müssen beweisen, dass sie die geforderte­n Grenzwerte in der realen Welt unserer Städte einhalten können. Das ist ihnen bisher nicht gelungen. Das Mindeste ist nun, dass die Konzerne die Hardware auf eigene Kosten so nachrüsten, dass die Autos sauberer werden. Das ist die Aufgabe der nächsten Monate, der sich die Bundesregi­erung verweigert. Wir wollen ab 2030 nur noch abgasfreie Autos neu zulassen. Das ist unsere Ansage.

Das Verkehrsmi­nisterium soll aber nicht in diesem Superminis­terium aufgehen?

Göring Eckardt: Ich wäre schon froh, wenn wir einen Verkehrsmi­nister hätten, der seinen Job macht. Dobrindt hat sich ja die letzten Jahre lieber um die sinnlose Maut gekümmert, anstatt eine Zukunftspe­rspektive für den Automobils­tandort Deutschlan­d zu schaffen. Wenn ich mit CSU-Politikern spreche, dann sagen die mir, die Maut wird so nicht kommen. Ich bin mir sicher, dass das Dobrindt selber auch längst weiß.

Die Maut ist aber vom Bundestag beschlosse­n worden.

Göring Eckardt: Das stimmt. Von der Großen Koalition. Aber wenn sich zeigt, dass dieses europafein­dliche Gesetz in der Praxis kaum durchführb­ar sein wird und zu allem Überfluss auch kaum Geld in die Kassen spülen wird, dann wird man neu nachdenken müssen.

Die Grünen wollen unbedingt mitregiere­n. Was sind Ihre Ausschluss­kriterien für Koalitions­verhandlun­gen?

Göring Eckardt: Moment: Wir wollen Verantwort­ung übernehmen, aber wir regieren nicht um jeden Preis. Wir haben zehn Punkte festgeschr­ieben, die für uns entscheide­nd sind. Dazu gehört, dass wir umgehend die 20 dreckigste­n Kohlekraft­werke stilllegen. Wer mit uns regieren will, muss bereit sein, den Ausstieg aus der industriel­len Massentier­haltung und eine ökologisch­e Agrarwende mitzutrage­n. Und wir müssen endlich für mehr Gerechtigk­eit sorgen: Es kann nicht sein, dass wir Erzieher, Pfleger und Hebammen weiterhin so schlecht bezahlen.

Das können ja lustige Koalitions­verhandlun­gen werden.

Göring Eckardt: Ich habe nicht gesagt, dass das leicht wird. Aber wir müssen damit beginnen.

Sind Abschiebun­gen nach Afghanista­n für Sie generell nicht akzeptabel? Göring Eckardt: Ich selber wollte vor einigen Wochen dorthin fahren, um mich über die Lage zu informiere­n. Doch die Sicherheit­svorkehrun­gen alleine für meine Person wären so unglaublic­h aufwendig gewesen, dass ich verzichtet habe. Die Abschiebun­gen nach Afghanista­n sind ausgesetzt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass das Land sicherer wird.

Was wäre denn Ihre Traumkoali­tion? Derzeit scheint Jamaika denkbar – also mit der Union und den Liberalen. FDP-Chef Christian Lindner gilt doch als cool und smart. Ist er Ihnen sympathisc­h?

Göring Eckardt: In der Politik geht es nicht um Sympathien. Was ich bestimmt nicht akzeptiere, ist – so wie Christian Lindner vorschlägt –, über die Verletzung des Völkerrech­ts durch Russland bei der Krim-Besetzung hinwegzuse­hen. Damit unterwirft er sich und die Politik scheinbare­n Wirtschaft­sinteresse­n. Das ist das Gegenteil einer wertegelei­teten Außenpolit­ik.

Welche Sympathiew­erte erreicht Horst Seehofer bei Ihnen?

Göring Eckardt: Seehofer hofiert Viktor Orbán in Ungarn. Das kann ich nicht verstehen. In der Innenpolit­ik ist er ein populistis­cher Wendehals.

Sie sehen also schwarz für Jamaika? Göring Eckardt: Mir fehlt dafür die Fantasie. Bei dieser Wahl wird es im Kampf um Platz drei um eine Richtungse­ntscheidun­g gehen: Stillstand oder gar Rückschrit­t mit FDP, Linke oder AfD oder Fortschrit­t mit uns Grünen. Interview: Simon Kaminski

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Katrin Göring Eckardt hat klare Anforderun­gsprofile für Koalitions­partner. Für die 51 jährige Fraktionsv­orsitzende ist klar: Die Grünen regieren nur mit Partnern, die den Einstieg in den Ausstieg aus der Kohleverbr­ennung mittragen.
Foto: Ulrich Wagner Katrin Göring Eckardt hat klare Anforderun­gsprofile für Koalitions­partner. Für die 51 jährige Fraktionsv­orsitzende ist klar: Die Grünen regieren nur mit Partnern, die den Einstieg in den Ausstieg aus der Kohleverbr­ennung mittragen.

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