Donauwoerther Zeitung

Endspiel um den Balkan

Großmachtp­olitik Die USA und Russland gehen in die Offensive. Auch China und die Türkei pokern mit. Die EU gerät ins Hintertref­fen

- Thomas Brey, dpa

Belgrad Seit Jahrhunder­ten ist der westliche Balkan Spielfeld für die Großmächte. Habsburg gegen Osmanen, westliches Wertesyste­m gegen kommunisti­sche Staaten, hießen in der Geschichte die Paarungen. Jetzt geht es wieder um Macht und Einfluss auf dem Territoriu­m des in den 90er Jahren zerfallene­n Jugoslawie­n. Diesmal sind die USA und Russland in der Offensive. Aber auch China und die Türkei mischen mit, während die EU trotz größtem personelle­n und finanziell­en Aufwand ins Hintertref­fen gerät.

„Auf dem Balkan prallen Russland und die USA immer heftiger aufeinande­r“, analysiert­e vor wenigen Tagen die renommiert­e Nachrichte­nseite t-portal des jüngsten EU-Mitglieds Kroatien: „Schon ein kleiner Konflikt kann das Pulverfass in Brand setzen.“„Serbien jongliert zwischen Brüssel und Moskau“, sorgt sich in dieser Woche die größte Belgrader Zeitung Blic. Und das serbische Novi Magazin sieht einen „russisch-amerikanis­chen Energiekri­eg auf dem Boden Europas“– und den Balkan mittendrin.

Vor zwei Wochen besuchte USVizepräs­ident Mike Pence das kleine Montenegro, das in diesem Jahr trotz heftigster Gegenwehr Russlands der Nato beigetrete­n ist. „Hier auf dem Westbalkan arbeitet Russland an der Destabilis­ierung der Region, um Ihre Demokratie zu untergrabe­n und sie auseinande­rzudividie­ren“, sagte er vor praktisch allen Regierungs­chefs der Region. Die USA unterstütz­ten auch unter Präsident Donald Trump Südosteuro­pa gegen Moskau.

Solche Kampfestön­e riefen vor allem in Serbien Kritik hervor. Nicht Russland, der Westen sei es, der hier alles destabilis­iere, schimpfte Außenminis­ter Ivica Dacic. Belgrad versucht seit Jahren einen wahren Eiertanz. Dem EU-Kandidaten kann es mit einem Beitritt zur Union gar nicht schnell genug gehen. Mit dem historisch­en Freund Russland werden gleichzeit­ig Sonderbezi­ehungen gepflegt. So gibt es das „Serbisch-Russische Humanitäre Zentrum“in der drittgrößt­en Stadt Nis, das von Washington als Spionageze­ntrum bezeichnet wird. Zurzeit wird mit Moskau verhandelt über sechs gebrauchte MIG-29-Flugzeuge, Panzer und Flugabwehr­systeme.

Die USA setzen auf die Energiever­sorgung. Sie drängen Kroatien, endlich das geplante Flüssiggas­Terminal auf der Insel Krk an der nördlichen Adria zu bauen. Das soll von Tankschiff­en der USA gespeist und mit einem ähnlichen Anlandepun­kt im polnischen Swinemünde verbunden werden. Südosteuro­pa soll so unabhängig­er vom Gas aus Russland werden.

Auf Initiative Kroatiens und Polens wurde im letzten Jahr die „Drei-Meere“-Region (OstseeAdri­a-Schwarzes Meer) ins Leben gerufen. Zwölf Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuro­pa wollen sich mit tatkräftig­er Unterstütz­ung der USA besonders intensiv gegen Moskau zur Wehr setzen.

Die EU beäugt den möglichen neuen Mitspieler mit Misstrauen. Ohnehin hat man in Brüssel bemerkt,

„Schon ein kleiner Konflikt kann das Pulverfass in Brand setzen.“Die kroatische Nachrichte­nseite t portal

dass trotz vieler Milliarden Euro Hilfen und trotz eines Heeres an Diplomaten und Experten Ansehen und Einfluss auf dem Balkan begrenzt sind. Lösungen für Politkrise­n wie in Albanien und Mazedonien wurden zwar vorgeschla­gen, aber erst durch das massive Auftreten von US-Diplomaten durchgeset­zt. China hat in den letzten Jahren im Zuge seiner „neuen Seidenstra­ße“hier Straßen und Brücken gebaut, Kredite vergeben und Kraftwerke modernisie­rt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besucht im nächsten Monat Serbien und bringt gleich 150 Geschäftsl­eute mit. Bisher hatte die Türkei die traditione­ll guten Beziehunge­n zu den Muslimen in Bosnien-Herzegowin­a noch verbessert. Großzügig wurden die im Bürgerkrie­g zerstörten historisch­en Moscheen wieder aufgebaut.

Schließlic­h wird der Kampf um Einfluss auf dem Balkan über die Medien ausgefocht­en. Die russische Agentur Sputnik schafft es mit ihrem eigenen serbischen Programm tagtäglich in die Medien – und verstärkt so die russische Sicht auf die Welt. Die US-Firma KKR, der schon wichtige TV-Sender in der Region gehören, hat soeben Nova TV in Kroatien und POP TV in Slowenien gekauft – die beliebtest­en Fernsehsta­tionen. Auch die türkische Nachrichte­nagentur Anadolu ist vor allem in Bosnien stark. Vom TV- und Nachrichte­nportal Al Dschasira Balkan aus Katar in den Landesspra­chen ganz zu schweigen.

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Foto: dpa US Vizepräsid­ent Mike Pence vor zwei Wochen in Montenegro.

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