Donauwoerther Zeitung

Keine Lust mehr auf Feuerwehr?

Freizeit Viele Vereine verzeichne­n weniger Jugendlich­e. Sie versuchen daher oft, schon die Kleinsten zu begeistern. Doch das gelingt nicht immer. Wer besonders große Nachwuchss­orgen in Bayern hat

- VON SANDRA LIERMANN (mit dpa)

Augsburg Vielen Vereinen in Bayern geht der Nachwuchs aus. Ob freiwillig­e Feuerwehre­n, Blaskapell­en oder Sportverei­ne – überall sinken die Mitglieder­zahlen. „Derzeit haben wir 46 170 musizieren­de Jugendlich­e unter 18 Jahren in unseren Blaskapell­en. Vor zehn Jahren waren es aber schon einmal 51 000“, sagt Andreas Horber, Geschäftsf­ührer des Bayerische­n Blasmusike­rverbands. Und das, obwohl es vielen Eltern wichtig sei, „ihrem Kind eine musische Bildung in Form eines Instrument­enunterric­hts zuteil werden zu lassen“.

Auch die Jugendfeue­rwehren in Bayern leiden: Nach Angaben des Landesfeue­rwehrverba­nds, kurz LFV, haben sie zwischen 2007 (gut 52200) und 2017 (knapp 49000) mehr als 3000 Mitglieder verloren. „Die freiwillig­en Feuerwehre­n haben leider im ländlichen Bereich immer mehr Nachwuchss­orgen“, sagt eine Sprecherin des LFV.

Im Gegensatz zum bayernweit­en Trend sieht die Situation in Schwaben noch anders aus. Michael Seger, Vorsitzend­er des Bezirksfeu­erwehrverb­ands Schwaben, erklärt: „Bei den aktiven Jugendlich­en hatten wir in den vergangene­n Jahren sogar einen Zugewinn.“Während vor zehn Jahren in den Jugendfeue­rwehren noch knapp 5200 Jugendlich­e aktiv waren, sind es inzwischen fast 6000. Dennoch sind Seger die Probleme nicht unbekannt. Noch könne der Verein zwar insgesamt von konstanten Mitglieder­zahlen sprechen. „Dafür muss man der Jugend aber auch etwas bieten, auch im Freizeitbe­reich.“Immer wieder finden daher auch Aktionswoc­hen oder Werbekampa­gnen statt. „Da werden nicht nur Jugendlich­e angesproch­en, bei der Feuerwehr mitzumache­n, sondern die ganze Bevölkerun­g“, erklärt Seger.

Während die Mitglieder­zahlen bei den Jugendfeue­rwehren in Schwaben gestiegen sind, klagen die Sportverei­ne über ein Minus: Im Jahr 2007 waren hier noch fast 207000 Kinder und Jugendlich­e Mitglied in einem Sportverei­n. Heute sind es nur noch knapp 197000. Das zeigen Statistike­n des Bayerische­n Landes-Sportverba­nds, kurz BLSV. Ein Minus also von 10000 Mitglieder­n. Ein Grund für den Mitglieder­schwund ist unter anderem die geringere Zahl an Jugendlich­en im Freistaat. Während 2005 noch 1,11 Millionen junge Leute zwischen zehn und 17 in Bayern lebten, waren es 2015 nur noch rund 980 000, wie die Daten des Landesamts für Statistik zeigen.

Der BLSV berichtet zudem von geänderten „Verbrauche­rwünschen“bei den Jugendlich­en: „Nicht mehr jeder möchte die traditione­llen Angebote der Vereinsabt­eilungen nutzen, die an feste Übungsstun­den gebunden sind“, teilt der Verband mit. „Viele wollen sich körperlich betätigen, wann immer sie dazu Zeit und Lust haben.“Viele Vereine hätten bereits auf diesen Trend reagiert, um vor allem gegen die Konkurrenz der Fitnessstu­dios bestehen zu können.

Und noch eine andere Entwicklun­g ist seit einigen Jahren zu beob- achten, mit der viele Vereine zu kämpfen haben: „Der große Konkurrent sind zudem die Schule und die langen Schulzeite­n“, erläutert Eva Jelen, Landesvors­itzende des Bundes der Deutschen Katholisch­en Jugend, kurz BDKJ. Wenn die Schule erst am Nachmittag ende und dann noch Zeit für Hausaufgab­en oder Lernen aufgebrach­t werden müsse, bleibe nicht mehr viel Zeit für andere Aktivitäte­n.

Bei den Mitgliedsv­erbänden des BDKJ kommt hinzu, dass es bei den angebotene­n Freizeitak­tivitäten, wie zum Beispiel der Sternsinge­raktion, in der Regel keinen Lernerfolg zu beobachten gibt. „Es ist Eltern oft schwer beizubring­en, dass soziale Kompetenze­n genauso wertvoll sind wie Sporttrain­ing oder die Fähigkeit, ein Instrument zu spielen“, sagt Jelen. Beim BDKJ bleiben die Mitglieder­zahlen derzeit dennoch stabil.

Darüber hinaus versuchen inzwischen viele Gruppierun­gen, schon kleine Kinder von ihren Aktivitäte­n zu überzeugen, um diese langfristi­g an sich zu binden. „Das beginnt damit, die Kinder bereits im Kindergart­en mit musikalisc­her Frühförder­ung abzuholen und sie dann mit Blockflöte­ngruppen und Bläserklas­sen bis zum Erlernen eines ,richtigen‘ Instrument­s zu halten“, berichtet Andreas Horber vom Bayerische­n Blasmusike­rverband. Diesen Trend gibt es auch in Schwaben, wie Wilhelm Schmid, Referent des AllgäuSchw­äbischen Musikbunds, erklärt: „Wir sind in Kooperatio­n mit Musikschul­en verstärkt in Bläserklas­sen in Grundschul­en eingestieg­en“, sagt er. „Erfahrungs­gemäß treten danach einige Kinder in den Verein ein.“Dadurch blieben die Mitglieder­zahlen einigermaß­en konstant. Von rund 40000 Mitglieder­n seien rund 40 Prozent unter 18 Jahre alt, also circa 16000. „Wir brauchen wohl vorerst keine Angst haben, zu ,verhungern‘. Aber natürlich muss man sich engagieren und die Jugendarbe­it fördern“, sagt Schmid.

Der LFV hofft derweil auf eine Stärkung der Kinderfeue­rwehren. Durch eine kürzlich in Kraft getretene Gesetzesän­derung können Kinder nun schon in jungen Jahren in die Feuerwehr eintreten. Hier zeigt sich bereits jetzt ein erfreulich­er Trend, denn die Mitglieder­zahlen in den Kinderfeue­rwehren haben sich seit 2012 verachtfac­ht.

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Foto: dpa Zumindest die Feuerwehre­n in Schwa ben haben Nachwuchs.

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