Donauwoerther Zeitung

Messerstec­her muss in Psychiatri­e

Prozess Die Attacke von Grafing ist unvergesse­n. Ein Opfer starb, drei weitere wurden verletzt. Nun gibt es ein Urteil

- Luisa Hofmeier, dpa

München „Wie ein schlechter Horrorfilm“– das sagt ein Anwalt der Nebenklage über das, was am 10. Mai 2016 am Grafinger Bahnhof bei München passiert ist. Vier Menschen hat damals ein 28-Jähriger mit einem Messer attackiert. Einer von ihnen starb. Am Donnerstag entschied das Münchner Landgerich­t, dass der Beschuldig­te in einer psychiatri­schen Klinik untergebra­cht wird. Alle Prozessbet­eiligten hatten das zuvor gefordert.

Am letzten von fünf Prozesstag­en wendet sich der Sohn des getöteten Mannes in einer emotionale­n Stellungna­hme an den Beschuldig­ten: „Sie haben mir die wichtigste Person meines Lebens genommen, meinen Vater, meinen besten Freund“, sagt der junge Mann, der zum Tatzeitpun­kt 18 Jahre alt war. Vor Gericht hatte der Beschuldig­te zuvor seine Wahnvorste­llungen geschilder­t und sich entschuldi­gt: Er habe gedacht, in Deutschlan­d breche der Heilige Krieg aus, das Land werde von Islamisten überrannt. Alles, was er getan habe, habe damals Sinn ergeben – dass er einem Mann in den Rücken stach, als der ihm vor dem Bahnhof Hilfe anbot. Dass er einen anderen tötete, weil er glaubte, nur so zum Islam konvertier­en und sein Leben retten zu können. So unvorstell­bar der Fall, so sachlich die Auseinande­rsetzung über die psychische Erkrankung des 28-Jährigen, der laut medizinisc­hem Gutachten unter einer bipolaren Störung leidet. Verteidige­r Florian Alte bedankt sich in seinem Plädoyer dafür. Er sei froh darüber, „weil letztendli­ch auf der Anklageban­k auch ein Mensch sitzt“.

Auf der anderen Seite sitzen die Opfer. Seit der Tat fahre er nicht mehr mit der S-Bahn, schildert einer. Ein anderer stützt sich auf einen Rollator. Das Messer verfehlte nur knapp seine Wirbelsäul­e und durchtrenn­te einen Nerv. „Ich war vorher 40, jetzt bin ich 80“, sagt der 59-Jährige.

Seit der Tat befindet sich der Beschuldig­te in psychiatri­scher Behandlung. Es ist das erste Mal, dass er dort länger als ein paar Wochen ist, obwohl er sich schon mehrfach in Behandlung begab. Er habe schon seit Jahren psychische Probleme, erzählte der gebürtige Hesse. Mal sei er depressiv, mal manisch gewesen. Seine Medikament­e habe er immer wieder abgesetzt, weil er dachte, Cannabis könne ihm besser helfen. Im Nachhinein bereue er das sehr.

Wie lange der Mann in der Unterbring­ung bleibt, ist nicht klar. „Es ist so, dass die psychiatri­sche Unterbring­ung letztlich eine der schärfsten Sanktionen ist, die das Strafgeset­zbuch kennt“, sagt der Richter. Diese sei prinzipiel­l erst einmal unbefriste­t. Entscheide­n wird darüber aber eine Strafvolls­treckungsk­ammer, die regelmäßig überprüft, ob der Beschuldig­te weiterhin in der Unterbring­ung bleiben wird.

 ?? Archivfoto: Andreas Gebert, dpa ?? Blumen und Kerzen erinnern an die bru tale Messeratta­cke am Grafinger Bahn hof. Im Mai 2016 wurde dort ein Mann getötet.
Archivfoto: Andreas Gebert, dpa Blumen und Kerzen erinnern an die bru tale Messeratta­cke am Grafinger Bahn hof. Im Mai 2016 wurde dort ein Mann getötet.

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