Donauwoerther Zeitung

„Das ist krank, Wahnsinn, Idiotie“

Interview Der ehemalige Bundesliga-Manager Reiner Calmund über den Neymar-Transfer, die Bayern-Verpflicht­ung von Hasan Salihamidz­ic als Sportdirek­tor und das Auftaktspi­el zwischen München und Leverkusen

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Herr Calmund, viele waren überrascht, als Hasan Salihamidz­ic als neuer FC-Bayern-Sportdirek­tor vorgestell­t wurde, Sie auch?

Calmund: Anfangs ein bisschen. Aber auf den zweiten Blick passt das. Der FC Bayern braucht auf dieser Position einen Teammanage­r, einen Mann, der Ansprechpa­rtner für die Spieler, für die Medien, für das Trainertea­m und auch intern für die Bosse ist. Wenn du wie die Bayern auf so vielen Hochzeiten tanzt, dann brauchst jemanden, der das Teammanage­ment abwickelt. Ich kenne Hasan – er ist der richtige Typ dafür. Er ist mit Bayern sechs Mal deutscher Meister geworden, hat mit dem Klub die Champions League gewonnen, war aber auch 1999 beim verlorenen Finale gegen Manchester United mit dabei. Hasan hat mit dem FC Bayern viel erlebt. Und wovor ich meinen Bauch einziehe: Er hat nie etwas geschenkt bekommen, sondern musste für alles hart arbeiten.

Salihamidz­ic ist also kein Notnagel? Calmund: Auf keinen Fall. Wer so etwas sagt, hat von Fußball keine Ahnung. Lahm wäre auf dieser Position sicher auch eine sehr gute Lösung gewesen, aber man muss seine Entscheidu­ng akzeptiere­n.

Hat es ein Neuling wie Salihamidz­ic nicht ungemein schwer unter Alphatiere­n wie Hoeneß und Rummenigge? Calmund: Da sehe ich kein Problem, beide zählen weltweit zu den besten Managern, von denen man nur lernen kann. Der FC Bayern – das ist keine Ein-Mann-Show, auch was die Spielertra­nsfers angeht. Die Bayern haben gute Scouts. Dazu kommt das Trainertea­m um Ancelotti – und natürlich Hoeneß, Rummenigge und Finanzchef Dreesen, der sich um die kaufmännis­chen Dinge kümmert. Hasans Meinung, der nahe am Team ist, wird auch eine große Rolle spielen. Was beeindruck­end ist: Die Bayern machen das Spielchen mit dreistelli­gen Millionen-Beträgen bei den Transfers nicht mit und zählen trotzdem in wirtschaft­licher und sportliche­r Hinsicht zu den drei besten Vereinen auf der Welt. Sie kompensier­en das unter anderem mit einem sehr guten Scouting. Das neue Nachwuchsz­entrum zeigt auch, dass man in Steine und nicht nur in Beine investiert.

Was sagen Sie als ehemaliger Fußball- Manager zum 222-Millionen-Transfer von Neymar?

Calmund: Das ist krank, Wahnsinn, Idiotie – und absolut schädlich für die Fußball-Basis. So eine Transfersu­mme ist wirtschaft­lich nicht refinanzie­rbar. Aber dem, der die 222 Millionen Euro bezahlt hat, ist das ja egal. Die Scheichs wollen die längste Jacht, die teuerste Formel-1-Strecke, das höchste Haus, das größte Hotel der Welt haben. Dass das alles nicht refinanzie­rbar ist, das interessie­rt doch die Herren in Dubai, Abu Dhabi oder Katar gar nicht. Tatsache ist, dass das Geld im Fußball bleibt. Paris zahlt 222 Millionen an Barcelona und die angeln sich vielleicht für 120 Millionen Euro Dembélé von Dortmund. Und der BVB seinerseit­s holt sich dafür wieder zwei, drei junge Spieler.

Wird sich Bayern München auch einmal zu einem Transfer jenseits der 100-Millionen-Marke hinreißen lassen?

Calmund: Ich glaube und hoffe nicht. Aber im Fußball kann man ja nichts 100 Millionen hat der FCB ja auch ausgegeben. Aber für vier Nationalsp­ieler. Das ist der Unterschie­d. Man könnte versuchen, eine Höchstgren­ze bei den Transfersu­mmen und Spielergeh­ältern einzuführe­n – ähnlich wie bei den Vorstandsg­ehältern von Weltkonzer­nen. Diese Höchstgren­ze müsste weltweit gelten und von der Fifa, Uefa sowie den Nationalve­rbänden und Klubs festlegt werden.

Ob das wirklich funktionie­rt? Calmund: Schwer zu sagen. Als 1963 die Bundesliga gegründet worden ist, gab es ja schon mal so eine Obergrenze. Die lag damals bei 50000 Mark für einen Spielertra­nsfer. Aber da wurde gleich mal kräftig getrickst. Schalke zahlte 50000 Mark für den damaligen Nationalsp­ieler Günter Herrmann an den KSC, überwies aber gleichzeit­ig nochmals 50 000 Mark für den damals völlig unbekannte­n Lambert nach Karlsruhe. Der DFB beantragte damals eine Strafe von 10 000 Mark und vier Punkten Abzug. Weil der Lambert-Transfer ein AlibiGesch­äft war ...

Calmund: Kann man so sagen. Wahrschein­lich würden die Vereine auch heute wieder Mittel und Wege finden, um so eine Höchstgren­ze zu umgehen. Aber einen Versuch wäre es wert.

Einmal abgesehen von der Explosion der Transfersu­mmen und Spielergeh­ältern, was hat sich seit Ihrer Zeit als Manager im Fußballges­chäft sonst noch verändert?

Calmund: Die Klubs sind heute in allen Bereichen profession­eller aufgestell­t. Es gibt deutlich mehr Personal – wirklich hoch qualifizie­rtes Personal. Und die Vereine sind auch besser organisier­t. Das trifft in der Bundesliga nicht nur für die Spitzenklu­bs, sondern auch für die kleinen Vereine zu. Ich habe mich als SkyExperte vor der Saison überall umgeschaut und bin schon schwer beeindruck­t, wie akribisch in jedem Verein gearbeitet wird. Das ist auch der Grund, warum die Bundesliga im internatio­nalen Vergleich mithalauss­chließen. ten kann, obwohl hier weniger Geld fließt. Die Bundesliga-Klubs haben einfach ein gutes Scouting und machen eine sehr gute Nachwuchsa­rbeit. Sie sind bestens aufgestell­t.

Rechnen Sie wieder mit einer BayernDomi­nanz?

Calmund: Bayern wird wieder Meister. Man kann die einzelnen Mannschaft­steile durchgehen: Bayern ist einfach überall top besetzt. Ich hoffe, dass Dortmund aufschließ­en kann, auch wenn Marco Reus schon wieder verletzt ist und Dembélé den BVB vermutlich verlassen wird. Leipzig wird die Zusatzbela­stung durch die Champions League spüren. Aber die werden das schon hinbekomme­n.

Und was ist mit Ihrem Ex-Klub Bayer Leverkusen? Im vergangene­n Jahr blieb die Werkself weiter hinter den Erwartunge­n zurück.

Calmund: Es gab Zoff zwischen dem Trainer und der Mannschaft. Ich weiß nicht, wer schuld daran hatte. Fakt ist: Wenn die Stimmung schlecht ist, wirkt sich das negativ auf die Leistungen aus. Die Stimmung ist das A und O, das hat schon der ehemalige Wirtschaft­sminister Ludwig Erhard gesagt. Am Ende hat sich die Mannschaft ja noch aus dem Schlimmste­n befreit. In dieser Saison wird es besser werden. Was das Spiel gegen den FC Bayern angeht: Ich drücke Bayer Leverkusen natürlich die Daumen. Mit einem Unentschie­den wäre ich sehr zufrieden.

 ?? Foto: Imago ?? Reiner Calmund geht fest davon aus, dass der FC Bayern auch in dieser Saison wieder Meister wird. Im ersten Spiel gegen seinen ehemaligen Verein Bayer Leverkusen soll es aber bitte nicht für einen Sieg reichen.
Foto: Imago Reiner Calmund geht fest davon aus, dass der FC Bayern auch in dieser Saison wieder Meister wird. Im ersten Spiel gegen seinen ehemaligen Verein Bayer Leverkusen soll es aber bitte nicht für einen Sieg reichen.

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